Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass auch das Eventualklagebegehren des Inhalts, es werde festgestellt, dass allen DienstnehmerInnen mit Ausnahme der PhysikoassistentInnen, die dem Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz unterliegen und vor dem 15. 5. 2000 in das Unternehmen eingetreten sind und die einen rechtlichen Anspruch auf eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 ¾ Stunden haben, pro Kalendervierteljahr ein freier Arbeitstag zu gewähren ist (Pkt 1 des Klagebegehrens), sowie, dass allen DienstnehmerInnen, die dem Arbeitszeitgesetz unterliegen und vor dem 15. 5. 2000 in das Unternehmen eingetreten sind und einen rechtlichen Anspruch auf eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 ¾ Stunden haben, ein freier Arbeitstag pro Kalendervierteljahr zu gewähren ist (Pkt 2 des Klagebegehrens),
wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 2.038,82 (= ATS 28.054,80, darin EUR 339,80 = ATS 4.675,80 USt) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz sowie die mit EUR 954,30 (darin EUR 159,05 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen. Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 686,88 (darin EUR 114,48 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 22. 2. 1982 schlossen die Direktion der Krankenfürsorgeanstalt der Bediensteten der Stadt Wien (- im folgenden KFA genannt -) und der Betriebsrat des Sanatoriums Hera unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 9 Abs 3 DO.A (in der für die KFA geltenden Fassung), § 9 Abs 4 DO.B (in der für die KFA geltenden Fassung) sowie § 9 (offenbar gemeint: § 8) Abs 5 des Kollektivvertrages für die Arbeiter der KFA eine Betriebsvereinbarung, in deren Pkt 2) es heißt, dass die in Punkt 2a) der Vereinbarung vom 28. Juli 1972 bzw. vom 1. Februar 1973 getroffene Regelung hinsichtlich der Gewährung eines freien Arbeitstages pro Vierteljahr beibehalten wird (Pkt 2a der Betriebsvereinbarung vom 28. Juli 1972 sah vor, dass die vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger empfohlene Verkürzung der Arbeitszeit um eine ¾ Stunde auf wöchentlich 41 ¼ Stunden so durchgeführt wird, dass für jede tatsächlich geleistete volle Arbeitswoche von 42 Stunden ein Zeitausgleich von einer ¾ Stunde gebührt und dieser Zeitausgleich für ¼ Jahr in Form eines freien Arbeitstages vergütet wird. Mit Betriebsvereinbarung vom 1. 2. 1973 war festgesetzt worden, dass die Bestimmungen der Betriebsvereinbarung vom 28. Juli 1972 auch nach dem 31. 3. 1973 auf unbestimmte Zeit weiter gelten sollten).
Mit Ausnahme der Physiko-Assistenten, deren Arbeitszeit gesondert geregelt war, waren 402 vollbeschäftigte Arbeitnehmer (davon derzeit 177 im Anwendungsbereich des KA-AZG, 225 im Anwendungsbereich des AZG) insoweit betroffen, als sie regelmäßig 40 ¾ Stunden pro Woche arbeiteten und dafür jedes Vierteljahr einen freien Tag als Ausgleich erhielten. Neu eintretende Arbeitnehmer wurden spätestens bei Dienstantritt von dieser Arbeitszeitregelung in Kenntnis gesetzt, und zwar, indem sie entweder vom Bestehen der Betriebsvereinbarung informiert wurden oder dadurch, dass sie die Dienstpläne erfuhren, in denen 40 ¾ Stunden pro Woche als Arbeitszeit eingetragen waren. Mit Schreiben vom 15. 5. 2000, welches den Angestellten- und Arbeiterbetriebsräten des Sanatoriums Hera übermittelt wurde, erklärte die beklagte Partei, die Betriebsvereinbarung vom 22. 2. 1982 bzw 28. 7. 1972 bzw 1. 2. 1973 mit Wirkung vom 30. 9. 2000 wegen Verstoßes gegen die Bestimmungen des AZG bzw KA-AZG und der für das Sanatorium Hera geltenden Kollektivverträge "aufzukündigen". Ab 1. 10. 2000 sollten bezüglich der wöchentlichen Normalarbeitszeit die Bestimmungen der DO.A, DO.B bzw DO.C gelten. In einer neuen Dienstplanbroschüre ist - ausgehend von den kollektivvertraglichen Arbeitszeiten - ein Durchrechnungszeitraum von bis zu 16 Wochen, nicht jedoch ein freier Tag pro Vierteljahr vorgesehen. Eine damit korrespondierende "Dienstanweisung" wurde den Arbeitnehmern vorgelegt und von diesen unterfertigt. Die Betriebsräte der Arbeiter und Angestellten des Sanatoriums Hera wiesen mit Schreiben vom 23. 8. 2000 darauf hin, dass die Dienstanweisung nur unter Vorbehalt, bis zur rechtlichen Klärung der Sachlage, gebilligt werde. Der klagende Betriebsausschuss begehrt gemäß § 54 Abs 1 ASGG die Feststellung,
1.) dass allen DienstnehmerInnen mit Ausnahme der PhysikoassistentInnen, die dem Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz unterliegen und die einen rechtlichen Anspruch auf eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 ¾ Stunden haben, pro Kalendervierteljahr ein freier Arbeitstag zu gewähren ist;
in eventu,
dass allen DienstnehmerInnen mit Ausnahme der PhysikoassistentInnen, die dem Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz unterliegen und vor dem 15. 5. 2000 in das Unternehmen eingetreten sind und die einen rechtlichen Anspruch auf eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 ¾ Stunden haben, pro Kalendervierteljahr ein freier Arbeitstag zu gewähren ist;
2.) dass allen DienstnehmerInnen, die dem Arbeitszeitgesetz unterliegen und die einen rechtlichen Anspruch auf eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 ¾ Stunden haben, pro Kalendervierteljahr ein freier Arbeitstag zu gewähren ist;
in eventu, dass allen Dienstnehmerinnen, die dem Arbeitszeitgesetz unterliegen und vor dem 15. 5. 2000 in das Unternehmen eingetreten sind und einen rechtlichen Anspruch auf eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 ¾ Stunden haben, ein freier Arbeitstag pro Kalendervierteljahr zu gewähren ist.
Dazu wurde ausgeführt, dass die Betriebsvereinbarung vom 22. 2. 1982 als erzwingbare Betriebsvereinbarung wirksam geworden und unkündbar sei und den Arbeitnehmern des Sanatoriums Hera einen Anspruch auf eine Wochenarbeitszeit von 40 ¾ Stunden und auf einen Ausgleich durch 1 freien Tag vierteljährlich verschafft habe. Selbst bei Unwirksamkeit als "echte" Betriebsvereinbarung sei dadurch eine langjährige betriebliche Übung begonnen worden, welche in zulässiger und unwiderruflicher Weise Eingang in die Einzelvereinbarungen gefunden habe.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klagehaupt- und Eventualbegehren. Neben der Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens in der vorliegenden Form bestritt sie auch dessen Berechtigung. Die vom klagenden Betriebsausschuss ins Treffen geführten Betriebsvereinbarungen entbehrten einer gesetzlichen bzw kollektivvertraglichen Grundlage und verstießen daher genauso gegen die Bestimmungen des AZG bzw KA-AZG wie allenfalls durch Betriebsübung ergänzte Einzelvereinbarungen. Durch die Unterfertigung der Dienstanweisungen hätten die Arbeitnehmer die neue (gesetzeskonforme) Arbeitszeitregelung überdies ausdrücklich anerkannt.
Das Erstgericht wie die beiden Klagehauptbegehren ab, gab hingegen den Eventualbegehren (= hinsichtlich der bis 15. 5. 2000 eingetretenen Arbeitnehmer) Folge. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass keine "echte" Betriebsvereinbarung geschlossen worden sei, aus welcher den Arbeitnehmern unmittelbare Rechte zukämen. Doch liege eine "freie" Betriebsvereinbarung vor, welche eine indirekte Wirkung auf die Einzelarbeitsverträge erzielt habe. Arbeitgeber und Arbeitnehmer hätten durch ihr Verhalten zu erkennen gegeben, dass sie sich den von den Betriebspartnern getroffenen Vereinbarungen unterwerfen wollten. Diese zur einzelvertraglichen Verpflichtung des Arbeitgebers gewordene Arbeitszeitregelung könne nicht auf kollektivem Weg ("Kündigung der Betriebsvereinbarung") beseitigt werden. Der Unterfertigung der neuen Dienstanweisung durch die einzelnen Arbeitnehmer komme nicht der Erklärungswert eines Anerkenntnisses, sondern nur der einer Wissenserklärung, nämlich das Schreiben zur Kenntnis genommen zu haben, zu.
Durch die "Kündigung" habe der Arbeitgeber aber - im Wege zulässiger zeitlicher Differenzierung - eindeutig zum Ausdruck gebracht, dem ab den 15. 5. 2000 eintretenden Arbeitnehmern keine Abweichung von der gesetzlichen Arbeitszeit mehr gewähren zu wollen.
Das nur von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht bejahte ein rechtliches Interesse des klagenden Betriebsausschusses an der verbliebenen (Eventual-)Feststellung und schloss sich im übrigen der Rechtsauffassung des Erstgerichtes an (§ 500a ZPO). Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das (noch verfahrensgegenständliche) Eventual- Klagebegehren zurück- bzw abgewiesen werde.
Die klagende Partei beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Zum Antrag auf Zurückweisung des Klagebegehrens ist vorweg darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung (s Rechberger/Frauenberger in Rechberger ZPO2 Rz 3 zu § 228) das Fehlen des rechtlichen Feststellungsinteresses nicht die Zurückweisung, sondern die Abweisung des Klagebegehrens mit Urteil nach sich zieht.
Zur behaupteten Betriebsvereinbarung:
Im Zeitpunkt des Abschlusses der Betriebsvereinbarung vom 22. 2. 1982 betrug die nach § 3 Abs 1 AZG höchstzulässige Wochenarbeitszeit bereits 40 Stunden. § 19 AZG sah zwar für die Angehörigen von Gesundheitsberufen eine großzügigere (hier nicht relevante) Überstundenregelung vor, ohne aber von der grundsätzlichen Normalarbeitszeitregelung abzuweichen. Für Arbeitnehmer von Betrieben wie des hier vorliegenden konnte gem § 4 Abs 9 AZG durch Kollektivvertrag zugelassen werden, dass die Arbeitszeit innerhalb eines mehrwöchigen Zeitraumes so verteilt wird, dass sie im wöchentlichen Durchschnitt die nach § 3 zulässige Dauer nicht überschreitet. Für die Verwaltungsangestellten und das Pflegepersonal sah § 9 Abs 1 DO.A (idF für die KFA- Bediensteten) eine Normalarbeitszeit von 40 Wochenstunden vor. Gem Abs 3 der zit KollV-Bestimmung konnte zwar der Erfassungszeitraum für die Ermittlung der Wochenarbeitszeit auf längere Zeit verteilt werden, allerdings nur auf maximal 4 Wochen. Wenn weiters die Rede davon ist, dass die betriebliche (generelle) Arbeitszeiteinteilung und -verteilung vom Vorstand im Einvernehmen mit dem Betriebsrat festgesetzt wird, liegt darin nur eine Bezugnahme auf § 97 Abs 1 Z 2 ArbVG, womit aber nur die Verteilung innerhalb der Arbeitswoche, nicht aber das Stundenausmaß geregelt werden kann (Strasser/Jabornegg ArbVG Anm 11 zu § 97). In der für die Ärzte geltenden DO.B (idF für die KFA) wurde mit § 9 Abs 1 eine wöchentliche Normalarbeitszeit von 36 bzw 40 Wochenstunden festgesetzt; in Einzelfällen konnte eine kürzere Arbeitszeit (Abs 2) vereinbart werden. Soweit Abs 4 die Möglichkeit einer betrieblichen (generellen) Arbeitszeiteinteilung und -verteilung vorsieht, gilt wieder das schon Vorerwähnte (Bezugnahme auf § 97 Abs 1 Z 2 ArbVG). Letztlich galt auch für die dem Kollektivvertrag für die Arbeiter der KFA unterworfenen Mitarbeiter gemäß dessen § 8 Abs 1 eine wöchentliche Normalarbeitszeit von 40 Stunden. Für die in Absatz 5 1. Satz erwähnte Vereinbarung der betrieblichen (generellen) Arbeitszeiteinteilung gilt wieder, dass damit keine Festlegung des Wochenstundenausmaßes gemeint sein konnte. Abgesehen von hier nicht relevanten Spezialfunktionen (Abs 3) sah Abs 5 3. Satz der zit KollV-Bestimmung einen längeren Erfassungszeitraum von maximal 4 Wochen vor.
Daraus geht eindeutig hervor, dass die Betriebsvereinbarung vom 22. 2. 1982, welche sich ausdrücklich auf die wiedergegebenen KollV-Bestimmungen beruft, in diesen keine Deckung iSd § 4 Abs 9 AZG (id damals geltenden Fassung) fand, sondern vielmehr gegen die zwingenden Bestimmungen (Grillberger „Rechtsfragen der kollektiven Arbeitszeitverkürzung" in RdW 1987, 199 f; ARD 4781/8/96) des AZG verstieß.
Zum angeblichen Zustandekommen einer Individualvereinbarung durch betriebliche Übung:
Die von der klagenden Partei - zur Begründung einer in die Individualverträge eingegangenen, betrieblichen Übung - ins Treffen geführte Betriebsvereinbarung vom 22. 2. 1982 versteht sich eindeutig als Ausführungsregelung einer (-vermeintlich-) durch die einschlägigen Kollektivverträge eingeräumten Regelungsmöglichkeit. Der Erklärungswert war somit nicht der, wissentlich eine „freie", sondern eine „echte", dh iSd ArbVG zulässige Betriebsvereinbarung zu schließen. Damit kann aber, wie sonst bei einer „freien" Betriebsvereinbarung angenommen (RIS-Justiz RS0018035, RS0018115), auch auf keinen unbedingten Parteiwillen dahin geschlossen werden, sich jedenfalls - unabhängig von ihrer Grundlage- an diese Vereinbarung halten zu wollen. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die Individualverträge durch tatsächliche Übung, nämlich dauerndes Einhalten der Arbeitszeitdurchrechnung, deren Feststellung von der klagenden Partei begehrt wird, ergänzt worden seien, stehen diesbezüglich auch die geltenden Bestimmungen des AZG, des KA-AZG bzw der einschlägigen KollV entgegen.
Im Geltungsbereich des AZG:
Für das Pflegepersonal sieht § 9 Abs 2 DO.A (idF für die KFA) nach wie vor die Vereinbarung eines Durchrechnungszeitraumes von höchstens 4 Wochen vor, bei dem der Wochendurchschnitt 40 Stunden nicht überschreiten darf. Gleiches gilt für die dem AZG unterliegenden Ärzte (§ 9 Abs 1 Z 2 DO.B in der hier anzuwendenden Fassung) und die Arbeiter (§ 8 Abs 3 des KollV für die Arbeiter der KFA).
Im Geltungsbereich des KA-AZG: Dieses sieht zwar in seinem § 3 Abs 2 auch einen längeren Durchrechnungszeitraum (von bis zu 17 Wochen mit einem Wochendurchschnitt von 48 Stunden) vor, doch treffen auch hier Kollektivverträge - für die Arbeitsvertragspartner zwingend - entweder günstigere oder nur mit Betriebsvereinbarung mögliche (- eine solche wurde aber seit dem Inkrafttreten des KA-AZG nicht geschlossen -) Regelungen betreffend die Durchrechnungszeiträume (§ 9a Abs 2 DO.A, § 9a Abs 1 DO.B [-ein verlängerter Dienst iSd § 9b steht hier nicht zur Diskussion-] bzw § 8a Abs 2 KollV für die Arbeiter der KFA). Soweit in den vorgenannten KollV von der betrieblichen (generellen) Arbeitszeiteinteilung und -verteilung die Rede ist, kann wieder auf die oben dargelegten Erwägungen (Bezugnahme auf § 97 Abs 1 Z 2 ArbVG) verwiesen werden.
Zusammenfassend ergibt sich daher, dass auch die Einzelarbeitsverträge die begehrten Feststellungen nicht tragen können. Schon deshalb bedarf es keines näheren Eingehens darauf, ob die noch aktuellen Eventualbegehren in der vorliegenden Form tauglich oder verbesserungsbedürftig sind (- die klagende Partei setzt nämlich mit dem das weitere Begehren individualisierenden „Anspruch auf eine 40 ¾ - Stundenwoche" etwas als gegeben voraus, was von der beklagten Partei ausdrücklich bestritten wird -).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO.
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