Spruch:
Der Oberste Gerichtshof ist zur Entscheidung über den Delegierungsantrag nicht zuständig.
Die Rechtssache wird zur Entscheidung über diesen Antrag an das nach § 9 Abs 4 AHG zuständige Oberlandesgericht Graz überwiesen.
Text
Begründung
Die Klägerin begehrt 2.356,38 EUR sA. Sie stützte diesen Anspruch auf den Titel der Amtshaftung und brachte vor, Entscheidungen des BGZ und LGZ Graz erster und zweiter Instanz in Verfahren über eine Impugnations- und Wiederaufnahmeklage beruhten auf einem rechtswidrigen und schuldhaften Verhalten richterlicher Organe. Sie beantragte, der Oberste Gerichtshof möge die Rechtssache gemäß § 9 Abs 4 AHG "in einen anderen Oberlandesgerichtssprengel als jenen des Oberlandesgericht Graz delegieren", hilfsweise solle das Oberlandesgericht Graz die Rechtssache an ein anderes Landesgericht in dessen Sprengel delegieren. Zur Begründung dieses Antrags führte die Klägerin aus, das Oberlandesgericht und das LGZ Graz befänden sich im gleichen Gebäude, in dem es nur eine Kantine gebe. Überdies verlaufe der Karriereweg von Richtern des LGZ Graz gewöhnlich zum Oberlandesgericht Graz. Daher bestehe eine persönliche Nahebeziehung "des Amtshaftungsrichters zu jenen Richtern, die das klagsgegenständliche Urteil verfasst" hätten. Der § 9 Abs 4 AHG sei "weit" bzw "streng" auszulegen. Ein Tribunal nach Art 6 Abs 1 EMRK müsse "stets ein völlig unvoreingenommener Dritter sein". Bei einer Delegierung an das LG Klagenfurt oder LG Leoben werde die Rechtssache "wiederum organisatorisch 'im selben Haus'" landen und "neuerlich von Richtern im Justizpalast Graz behandelt" werden.
Das Erstgericht legte den Akt mit Verfügung vom 17. 10. 2002 dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den Delegierungsantrag vor.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof ist unzuständig.
Der Klägerin ist offenkundig bewusst, dass der geltend gemachte Klagegrund die angestrebte Delegierung der Rechtssache an ein Landesgericht außerhalb des Sprengels des OLG Graz nach der bisherigen Rechtsprechung zum § 9 Abs 4 AHG nicht trägt. Zweck dieser Bestimmung ist es, alle dort angeführten Gerichte, auf deren Verhalten ein Amtshaftungsanspruch gestützt wird, von der Entscheidung über diesen Anspruch auszuschließen, um von vornherein auch nur den bloßen Anschein einer Befangenheit zu vermeiden (SZ 70/260). Ein solcher Anschein kann nach objektiven Gesichtspunkten - entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht schon deshalb entstehen, weil Richter, die bei verschiedenen, aber im gleichen Gebäude untergebrachten Gerichten ernannt sind, in einer "Kantine" einen Meinungsausstausch pflegen oder Richter des LGZ Graz im Zuge ihrer beruflichen Karriere einmal zu Richtern des Oberlandesgericht Graz ernannt werden könnten. Für den Fall der Realisierung eines solchen Karrieresprungs entspricht es bereits der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass ein als Klagegrund behauptetes Verhalten des Richters eines Landesgerichts den Delegierungstatbestand nach § 9 Abs 4 AHG erfüllt, wenn dieser Richter nunmehr gerade bei jenem Oberlandesgericht ernannt ist, das über einen Amtshaftungsanspruch als Rechtsmittelgericht zu entscheiden hätte (1 Nd 28/00; 1 Nd 23/00; 1 Nd 5/00). Ein solcher Sachverhalt wird von der Klägerin nicht behauptet. Somit entbehrt der Oberste Gerichtshof aber der funktionellen Zuständigkeit zur Entscheidung über den vorliegenden Delegierungsantrag. Dieser Antrag ist daher an das Oberlandesgericht Graz als das für die Antragserledigung nach § 9 Abs 4 AHG zuständige Gericht zu überweisen.
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