Spruch:
Zur Entscheidung über die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 28. März 2000 wird das Oberlandesgericht Linz bestimmt.
Text
Begründung
Der Kläger begehrte den Zuspruch von 53.607,98 S sA und brachte im Wesentlichen vor, einen Vorprozess als Kläger aufgrund unvertretbarer Urteile des Bezirksgerichts Gänserndorf vom 20. 1. 1998 und des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 4. 6. 1998 verloren zu haben. Dadurch sei in seinem Vermögen ein Schaden in Höhe des Klageanspruchs entstanden.
Das Erstgericht wies die Klage ab.
Dagegen erhob der Kläger Berufung, woraufhin das Oberlandesgericht Wien die Akten als Berufungsgericht mit Verfügung des Vorsitzenden des 14. Senats vom 1. 9. 2000 dem Obersten Gerichtshof zur Delegierung nach § 9 Abs 4 AHG mit der Begründung vorlegte, ein Senatsmitglied sei an der Berufungsentscheidung im Ausgangsverfahren als Votant beteiligt gewesen. Dessen Befangenheitsanzeige wurde bereits mit Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 3. 7. 2000 für "gerechtfertigt" erklärt.
Der erkennende Senat hat erwogen.
Rechtliche Beurteilung
1. Der Oberste Gerichtshof sprach in den Entscheidungen 1 Nd 5/00 und 1 Nd 23/00 aus, § 9 Abs 4 AHG regle einen Fall notwendiger und der Parteiendisposition entzogener Delegierung und solle gewährleisten, dass auch nur der Anschein der Befangenheit von Richtern nicht entstehen könne, wenn der Anspruch aus der Verfügung des Präsidenten eines Landesgerichts oder eines Oberlandesgerichts oder aus einem kollegialen Beschluss eines dieser Gerichtshöfe abgeleitet werde, die nach § 1 Abs 1 AHG unmittelbar oder im Instanzenzug zuständig wären. Der rechtspolitische Grund jener Bestimmung ziele darauf ab, alle betroffenen Gerichte, aus deren Verhalten als Klagegrund ein Amtshaftungsanspruch bzw ein nach dem Amtshaftungsgesetz zu beurteilender Anspruch abgeleitet werde, von der Entscheidung über solche Ansprüche auszuschließen, sollen doch Richter eines Gerichtshofs nicht über Ansprüche erkennen, die ein Verhalten auch nur irgendeines Mitglieds desselben Gerichtshofs zum Gegenstand hätten. Deshalb könne ein bestimmter Gerichtshof erster Instanz nicht über eine Amtshaftungsklage verhandeln und entscheiden, wenn der geltend gemachte Anspruch aus dem Verhalten eines Richters desselben Gerichtshofs abgeleitet werde. Diese Rechtslage beruhe auf einer sinngemäßen Anwendung der aus dem zu engen Delegierungstatbestand des § 9 Abs 4 AHG ableitbaren Grundsätze auf ähnliche Sachverhalte. Danach müsse aber auch ein als Klagegrund in Betracht kommendes Verhalten des Richters eines Landesgerichts den Delegierungstatbestand erfüllen, wenn dieser Richter nunmehr gerade bei jenem Oberlandesgericht ernannt sei, das in einer Verfahrenshilfesache und in einem allfälligen Zivilprozess, in dem ein Amtshaftungsanspruch und deren Wesen nach dem Amtshaftungsgesetz unterliegende weitere Ansprüche zu beurteilen seien, als Rechtsmittelgericht einzuschreiten habe. Andernfalls ergäbe sich aus der kollegialen Nahebeziehung jenes Richters zu den Richtern des jeweiligen Spruchkörpers desselben Gerichtshofs der gleiche Anschein einer Befangenheit wie im Falle der Zuständigkeit eines Gerichtshofs erster Instanz für eine Amtshaftungsklage, die sich auf das Verhalten eines Richters desselben Gerichtshofs als Klagegrund stütze.
2. An der unter 1. dargestellten Ansicht ist festzuhalten. Vor deren Hintergrund und unter Zugrundelegung des anlässlich der Aktenvorlage an den Obersten Gerichtshof erstatteten und aufgrund der beigeschlossenen Akten verifizierten Berichts kann das Oberlandesgericht Wien nicht über die Berufung des Klägers gegen die Abweisung seiner Klage durch das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 28. 3. 2000 entscheiden. Gemäß § 9 Abs 4 AHG ist daher ein anderes Oberlandesgericht zur Entscheidung über das Rechtsmittel des Klägers zu bestimmen.
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