Spruch:
Zur Entscheidung über den Verfahrenshilfeantrag und zur Verhandlung und Entscheidung über eine allfällige, nach dem Amtshaftungsgesetz zu beurteilende Klage wird das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien bestimmt.
Text
Begründung
Der Antragsteller beabsichtigt, gegen einen bestimmten ehemaligen Richter des Landesgerichts Klagenfurt und 27 andere, nicht namentlich genannte "österreichische Richter" sowie gegen die Republik Österreich Ansprüche von 7.000 US-$ monatlich "bei 17 (siebzehn) Monatsgehältern pro Jahr ab 29. April 1998 bis zum Tag" der Haftentlassung und 7,5 Mio US-$ als immateriellen Schadenersatz klageweise geltend zu machen. Er stützt diese Ansprüche auf schuldhaft rechtswidriges Verhalten von Richtern in Ausübung ihres Amtes und beantragte die Bewilligung der Verfahrenshilfe unter Beigebung eines Rechtsanwalts als Verfahrenshelfer.
Der im Antrag vom 13. Dezember 1999 namentlich angeführte Richter war beim Landesgericht Klagenfurt Vorsitzender jenes Schöffensenats, der den Antragsteller zufolge Begehung einer strafbaren Handlung verurteilte. Er ist seit 1. August 1999 Richter des Oberlandesgerichts Graz. Konkrete Vorwürfe eines schuldhaft rechtswidrigen Verhaltens anderer Richter des Oberlandesgerichts Graz sind dem Antragsvorbringen nicht zu entnehmen. Senate dieses Gerichtshofs hatten allerdings im Zuge des Strafverfahrens über verschiedene Beschwerden und über die Berufung des Antragstellers zu entscheiden.
Das vom Antragsteller angerufene Landesgericht Klagenfurt verfügte am 15. Februar 2000 die Aktenvorlage an das Oberlandesgericht Graz "im Sinne des § 9 Abs 4 AHG". Dieses legte die Akten mit Übersendungsnote vom 25. Februar 2000 dem Obersten Gerichtshof "zur Entscheidung nach § 9 Abs 4 AHG" vor.
Der erkennende Senat hat erwogen:
Rechtliche Beurteilung
1. § 9 Abs 4 AHG ist auch dann anzuwenden, wenn - wie hier - nicht nur ein Amtshaftungsanspruch, sondern auch ein seinem Wesen nach dem Amtshaftungsgesetz zu unterstellender Anspruch gegen bestimmte Organe geltend gemacht werden soll (1 Nd 30/99; 1 Ob 33/99f). Der Delegierungstatbestand ist auch verwirklicht, wenn über einen Verfahrenshilfeantrag, der solchen Klagen vorangeht, abzusprechen ist, weil ein Gericht, das in der Hauptsache - gleichviel, ob als Erst- oder als Rechtsmittelgericht - nicht verhandeln und entscheiden könnte, auch nicht für einen solchen Antrag zuständig sein kann (1 Nd 10/98 [beabsichtigte Amtshaftungsklage]).
Die erörterte Gesetzesstelle regelt einen Fall notwendiger und der Parteiendisposition entzogener Delegierung und soll gewährleisten, dass auch nur der Anschein der Befangenheit von Richtern nicht entstehen kann, wenn der Anspruch aus der Verfügung des Präsidenten eines Landesgerichts oder eines Oberlandesgerichts oder aus einem kollegialen Beschluß eines dieser Gerichtshöfe abgeleitet wird, die nach § 1 Abs 1 AHG unmittelbar oder im Instanzenzug zuständig wären. Deren rechtspolitischer Grund liegt darin, dass alle betroffenen Gerichte, aus deren Verhalten als Klagegrund ein Amtshaftungsanspruch bzw ein nach dem Amtshaftungsgesetz zu beurteilender Anspruch abgeleitet wird, von der Entscheidung über solche Ansprüche ausgeschlossen sein sollen (SZ 70/260; 1 Ob 356/97b; 1 Ob 2232/96h; 1 Ob 26/93), weil Richter eines Gerichtshofs nicht über Ansprüche erkennen sollen, die ein Verhalten auch nur irgendeines Mitglieds desselben Gerichtshofs zum Gegenstand haben (1 Ob 356/97b; 1 Ob 2232/96h; 1 Ob 26/93). Deshalb kann ein bestimmter Gerichtshof erster Instanz nicht über eine Amtshaftungsklage verhandeln und entscheiden, wenn der geltend gemachte Anspruch aus dem Verhalten eines Richters desselben Gerichtshofs abgeleitet wird (1 Ob 2232/96h).
2. Die unter 1. erläuterte Rechtslage beruht auf einer sinngemäßen Anwendung der aus dem zu engen Delegierungstatbestand des § 9 Abs 4 AHG ableitbaren Grundsätze auf der Sache nach ähnliche Sachverhalte. Danach muss aber auch das als Klagegrund in Betracht kommende Verhalten des Richters eines Landesgerichts den Delegierungstatbestand erfüllen, wenn dieser Richter - wie im Anlassfall - nunmehr gerade bei jenem Oberlandesgericht ernannt ist, das in der Verfahrenshilfesache und in einem allfälligen Zivilprozess, in dem ein Amtshaftungsanspruch und deren Wesen nach dem Amtshaftungsgesetz unterliegende weitere Ansprüche zu beurteilen sind, als Rechtsmittelgericht einzuschreiten hätte. Andernfalls ergäbe sich aus der kollegialen Nahebeziehung jenes Richters zu den Richtern des jeweiligen Spruchkörpers desselben Gerichtshofs der gleiche Anschein einer Befangenheit wie im Falle der Zuständigkeit eines Gerichtshofs erster Instanz für eine Amtshaftungsklage, die sich auf das Verhalten eines Richters desselben Gerichtshofs als Klagegrund stützt.
Es bedarf daher als Voraussetzung einer Delegierung nicht mehr der Aufklärung, ob sich unter den 27 anderen, im Antrag nicht namentlich genannten "österreichischen Richtern", die gleichfalls ein anspruchsbegründendes Verhalten gesetzt haben sollen, ohnehin auch solche von Spruchsenaten des Oberlandesgerichts Graz befinden, die im Zuge des Strafverfahrens über verschiedene Beschwerden und über die Berufung des Antragstellers zu entscheiden hatten.
3. Aus allen voranstehenden Erwägungen folgt, dass die Rechtssache an einen Gerichtshof erster Instanz außerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichts Graz zu delegieren ist.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)