OGH 3Ob132/02m

OGH3Ob132/02m23.10.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17 - 19, wider die verpflichteten Parteien 1.) Richard S*****, und 2.) Maria Theresia S*****, beide vertreten durch Freimüller/Noll/Obereder/Pilz/Senoner, Rechtsanwälte in Wien, wegen 559.374,58 EUR (= 7,697.162 S) sA, infolge Revisionsrekurses der verpflichteten Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 19. März 2002, GZ 46 R 855/01d-6, womit infolge Rekurses der betreibenden Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 28. September 2001, GZ 24 E 85/01t-2, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt.

Die Revisionsrekursbeantwortung der betreibenden Partei wird zurückgewiesen.

Die betreibende Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen und ist schuldig, den verpflichteten Parteien die mit 3.182,55 EUR (darin 532,09 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht verurteilte, nachdem das Erstgericht die Klage abgewiesen hatte, mit Entscheidung vom 23. Februar 1999 die beiden nun Verpflichteten als Beklagte, rechtskräftig zur Hereinbringung vollstreckbarer Abgabenforderungen der nunmehr betreibenden Partei gegen ihren Vater laut vollstreckbarem Rückstandsausweis des Finanzamts für den 4., 5. und 10. Bezirk, Steuernummer *****, von 8,014.742 S jegliche Exekution in den Nachlass nach ihrer am 28. Jänner 1990 verstorbenen Großmutter, der ihnen mit einer bestimmten Einantwortungsurkunde eingeantwortet wurde, sowie in die ihnen auf Grund dieser Einantwortungsurkunde zustehenden Gesamtrechte, insbesondere in zwei Liegenschaften sowie ein Superädifikat zu dulden, wobei ihnen im Falle der exekutiven Verwertung der Liegenschaften ein der Pflichtteilsforderung ihrer vorverstorbenen Tante entsprechender Betrag von 610.486,98 S zu verbleiben habe (Titelurteil). Weiters enthält dieses den Ausspruch, dass die nun Verpflichteten sich von dem geltend gemachten Anfechtungsanspruch durch Zahlung von 7,814.141 S an die klagende Partei befreien könnten. Schließlich verhielt das Berufungsgericht die nun Verpflichteten zur Zahlung von Kosten des erstgerichtlichen Verfahrens von 113.713,50 S und des Berufungsverfahrens von 55.852,50 S.

Nunmehr beantragte die betreibende Partei auf Grund des Titelurteils und eines vollstreckbaren Rückstandsausweises des im Spruch des Titelurteils genannten Finanzamts vom 24. Juli 2001 die Zwangsversteigerung der beiden im Titelurteil genannten Liegenschaften zur Hereinbringung von 7,697.162 S sowie der mit dem Titelurteil zuerkannten Prozesskosten. Dem Antrag schloss die betreibende Partei das Titelurteil sowie den Rückstandsausweis vom 24. Juli 2001 (im Folgenden nur 2. Rückstandsausweis) an, der an die Verlassenschaft nach dem Vater der Verpflichteten gerichtet ist.

Das Erstgericht bewilligte die Zwangsversteigerung lediglich zur Hereinbringung der Verfahrenskosten samt Anhang sowie der Kosten des Exekutionsantrags. Dagegen wies es das Mehrbegehren, die Zwangsversteigerung auch zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Forderung von 7,697.162 S zu bewilligen, ab. Dies begründete das Erstgericht im Wesentlichen mit der Diskrepanz, die darin liege, dass im Titelurteil Abgabenforderungen auf Grund eines nicht datierten Rückstandsausweises über 8,014.742 S angeführt seien, während der 2. Rückstandsausweis auf insgesamt 7,697.152 S laute. Während aus den Entscheidungsgründen des Titelurteils hervorgehe, dass es im Anfechtungsprozess um Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 1981 bis 1989 gegangen sei, enthalte offenbar der 2. Rückstandsausweis Forderungen für den Zeitraum von 1982 bis 1993. Die Identität der beiden Forderungen stehe somit nicht fest.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Rekursgericht dem Exekutionsantrag im vollen Umfang statt.

Es vertrat die Auffassung, dass die Angaben im nunmehr vorgelegten Rückstandsausweis mit den in den Entscheidungsgründen des Titelurteils angeführten Abgaben aus Einkommensteuer (ESt) übereinstimmten.

Was den Umstand angehe, dass der 2. Rückstandsausweis gegen die Verlassenschaft nach dem Vater der Verpflichteten gerichtet sei, stehe auf Grund des Titelurteils fest, dass die im Exekutionstitel festgestellte Verpflichtung auf sie übergegangen sei, weil sie eben zur Duldung der Exekution in die zu versteigernden Liegenschaften verurteilt worden seien.

Rückstandsausweise seien zwar Exekutionstitel, jedoch keine Bescheide. Die Prüfung der materiellen Gültigkeit, der Gesetzmäßigkeit und der Richtigkeit von Rückstandsauweisen sei im Verwaltungsweg vorzunehmen. Die Beurkundung der Vollstreckbarkeit durch die Abgabenbehörde binde zwar alle Exekutionsgerichte, doch sei das nur für die Bewilligung der Exekution von Bedeutung. Wegen des fehlenden Bescheidcharakters komme dagegen eine Bindung iS einer Vorfragenbeurteilung nicht in Frage. Dies bedeute, dass die Exekution gegen die Verpflichteten auf Grund des vollstreckbaren 2. Rückstandsausweises zu bewilligen sei; die Verpflichteten hätten die vom Erstgericht in seiner Entscheidung angeführten Bedenken gegen die materielle Richtigkeit im Rahmen einer Impugnationsklage geltend zu machen.

Rechtliche Beurteilung

Der von der zweiten Instanz zugelassene Revisionsrekurs der verpflichteten Parteien ist zulässig und berechtigt.

Die von der betreibenden Partei erstattete Revisionsrekursbeantwortung ist dagegen unzulässig, weil im Exekutionsverfahren, soweit nicht die Ausnahmebestimmungen des § 84 Abs 1 oder § 402 Abs 1 EO anzuwenden sind, ein Fall des § 521a ZPO nicht in Betracht kommt (stRspr, zuletzt 3 Ob 93/02a mwN). Die Revisionsrekursbeantwortung ist somit zurückzuweisen.

Der Revisionsrekurs ist schon deshalb berechtigt, weil es im Gegensatz zur Ansicht der zweiten Instanz bei der Vollstreckung von Geldforderungen nach erfolgreicher Gläubigeranfechtung sehr wohl entscheidend auf die Identität der exekutiv betriebenen Forderung mit jener vollstreckbaren ankommt, die dem Anfechtungsurteil (Titelurteil) zugrunde liegt.

Wie sich aus dem vorliegenden Exekutionstitel ergibt, liegt diesem eine Anfechtung nach den Bestimmungen der Anfechtungsordnung zugrunde. Diese setzt nach § 8 Abs 1 AnfO, das Vorliegen einer vollstreckbaren Forderung des Anfechtenden voraus (vgl auch die schon im zweitinstanzlichen Beschluss zitierte Entscheidung 1 Ob 627/95 = ecolex 1996, 165 = ÖBA 1996/563, 565 = RdW 1996, 364 = ZIK 1996, 216). Nach § 13 AnfO kann der Gläubiger Vermögen, das durch die anfechtbare Handlung dem Vermögen des Schuldners entgangen oder daraus veräußert oder aufgegeben wurde, soweit für sich beanspruchen, als es zu seiner Befriedigung erforderlich ist. Dementsprechend ist auch in das Urteilsbegehren die Forderung nach Kapital, Zinsen und Kosten aufzunehmen, zu deren Hereinbringung die Anfechtung vorgenommen und die Exekution geduldet werden soll (4 Ob 516/76). Dem entspricht das vorliegende Anfechtungsurteil, wobei wohl auf Grund des Charakters des Exekutionstitels als Rückstandsausweis eines Finanzamts Zinsen und Kosten nicht geltend gemacht wurden. Die Anfechtung sichert (insofern vergleichbar einer Klage nach § 10 EO), dass die gegenüber dem Schuldner der vollstreckbaren Forderung bestehende Geldforderung in das Vermögen des Anfechtungsgegners vollstreckt werden kann (3 Ob 216/01p), soweit dieses Objekte enthält, die durch die anfechtbare Handlung dem Gläubiger entzogen wurden. Auf Grund des Titels im Anfechtungsprozess kann eben der schon vorliegende Exekutionstitel (und kein anderer) gegen die Anfechtungsgegner vollstreckt werden. Die Rechtslage ist insofern den Fällen des § 9 EO vergleichbar, auch wenn hier kein Rechtsübergang vorliegt, weil der Hauptschuldner nach wie vor haftet (im vorliegenden Fall, was aber nicht näher zu untersuchen ist, die Verlassenschaft nach dem offenbar verstorbenen Steuerschuldner).

Daraus folgt, dass es nicht darauf ankommen kann, ob jene Forderung, auf der die Anfechtung beruht, materiell mit der nunmehr betriebenen (hier höchstens teilweise) ident ist oder nicht. Im Übrigen könnte eine derartige Überprüfung im vorliegenden Fall, weil sie gemäß § 3 Abs 2 EO allein auf Grund des Antrags und der vorgelegten Urkunden zu erfolgen hätte, zu keinem für die betreibende Partei günstigeren Ergebnis führen. Unbestreitbar ist, dass der nunmehr als Exekutionstitel geltend gemachte 2. Rückstandsausweis mehr als zwei Jahre nach Fällung des Titelurteils ausgestellt wurde. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass sich aus dem Titelurteil nicht ergibt, auf welche - im Einzelnen gar nicht aus dem Urteil ersichtlichen - Einzelposten des Rückstandsausweises, der der Anfechtung zugrunde lag, die im Urteil berücksichtigte Zahlung von 200.000 S angerechnet wurde. Der im nunmehr vorgelegten Exekutionstitel (2. Rückstandsausweis) ausgewiesene Betrag weicht wiederum von dem im Titelurteil festgesetzten Befreiungsbetrag ab und auch, was allein auf Grund der Entscheidungsgründe feststellbar ist, was die Jahre angeht, für die ESt-Rückstände geltend gemacht werden. Anders als im ursprünglichen Rückstandsausweis scheint im 2. Rückstandsausweis das Jahr 1981 nicht auf. Die Überprüfung der Identität der vollstreckbaren Teilforderungen auf Grund beider Rückstandsausweise ist daher nach den vorgelegten Urkunden unmöglich. Ob die Vorlage des ursprünglichen Exekutionstitels überhaupt erforderlich wäre (so SZ 17/1) oder die Exekution allein aufgrund des Anfechtungsurteils zu berichtigen wäre muss hier nicht geprüft werden, weil eben die betreibende Partei, was ihre Kapitalforderung angeht, den jüngeren Rückstandsausweis ausdrücklich als Exekutionstitel geltend gemacht hat.

Abzulehnen ist auch die Ansicht, die Verpflichteten könnten die materiell-rechtliche Unrichtigkeit des Exekutionstitels, auf dem der Anfechtungsprozess beruhte, mit Impugnationsklage geltend machen. Vielmehr stand ihnen diese Möglichkeit nach der Rsp bereits im Anfechtungsprozess zu (SZ 63/4 = JBl 1990, 662 = EvBl 1990/89; 1 Ob 627/95; 7 Ob 503/96 = ZIK 1997, 67). Gerade diese Rsp bildet ein weiteres Argument dafür, dass es dem Gläubiger keinesfalls freistehen kann, im Exekutionsverfahren gegen den Anfechtungsgegner einen neuen Exekutionstitel einzuführen.

Daraus folgt, dass das Erstgericht zu Recht die Exekution zur Hereinbringung der Forderung in der Hauptsache abgelehnt hat. Seine Entscheidung ist daher wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung im Rechtsmittelverfahren gründet sich auf § 78 EO iVm § 50, 41 und 40 ZPO.

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