OGH 9ObA109/02y

OGH9ObA109/02y16.10.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hradil und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dr. Edith Söllner und Stefan Schöller als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Erich S*****, Arbeiter, *****, vertreten durch Dr. Georg Grießer ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei F*****Gesellschaft mbH, ***** , vertreten durch Schönherr, Barfuß, Torggler & Partner, Rechtsanwälte

in Wien, wegen EUR 15.860,54 (= ATS 218.245,78) sA, über die Rekurse

beider Parteien (Rekursinteresse: je ATS 8.016,73 = EUR 582,60),

gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. Jänner 2002, GZ 10 Ra 150/01d-34, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Teilurteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 6. November 2000, GZ 10 Cga 74/99w-19, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben. Hingegen wird dem Rekurs der klagenden Partei teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt, dass das Ersturteil als Teilurteil zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei EUR 582,60 samt 4 % seit 1. Mai 1999 binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen. Hingegen wird das Zinsenmehrbegehren von 4,5 % Zinsen aus EUR 582,60 seit 1. Mai 1999 abgewiesen."

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bis einschließlich November 1998 Obmann des Arbeitbetriebsrats der beklagten Partei; seitdem ist er einfaches Mitglied des Arbeiterbetriebsrates. Bis einschließlich November 1998 bezog er monatlich S 33.369,80 brutto; darin war ein Überstundenpauschale von S 5.269 brutto enthalten. Im Herbst 1995 begann die beklagte Partei, die Löhne der Arbeiter mittels Änderungsvereinbarungen zu kürzen, wobei bei Nichtabschluss dieser Änderungsvereinbarungen Kündigungen in Aussicht gestellt wurden (Änderungskündigungen). Am 10. 11. 1998 richtete die beklagte Partei an den Kläger ein Schreiben folgenden Inhalts:

"Sehr geehrter Herr S*****, wie Sie wissen, haben wir im Jahr 1995 im Zuge von Änderungskündigungen Lohnkürzungen durchgeführt. Als Mitglied des Betriebsrates haben Sie damals an dieser Lohnkürzung nicht teilgenommen. Inzwischen wurde in der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung festgestellt, dass Betriebsräte durch ihre Position auch bei Änderungskündigungen nicht besser gestellt sein sollen, als andere Arbeitnehmer. In unserem Fall ist eine solche Besserstellung dadurch eingetreten, dass Sie an den Lohnkürzungen nicht teilgenommen haben. Diese Besserstellung ist nach wie vor aufrecht. Wir haben daher vor, Ihren Dienstvertrag mit Wirkung vom 1. 12. 1998 an das Lohnniveau aller anderen (bereits im Jahr 1995 von den Lohnkürzungen betroffenen) Arbeitnehmer anzupassen. Ihr monatliches Gesamtentgelt beträgt somit ab dem 1. 12. 1998 ATS 25.000 (beinhaltend eine Überstundenpauschale für 18 Überstunden). Für den Fall, dass Sie mit dieser Lohnkürzung nicht einverstanden sind, bieten wir Ihnen an, Ihren Dienstvertrag zum 1. 12. 1998 einvernehmlich zu beenden, wobei wir Sie dabei so stellen würden, als ob wir Ihr Arbeitsverhältnis gekündigt hätten. Bitte überlegen Sie sich Ihr Angebot und lassen Sie mich bis Ende November wissen, wie Sie sich entscheiden. Mit freundlichen Grüßen Kurt F*****". Der Kläger reagierte auf dieses Schreiben nicht. Ab Dezember 1998 erhielt er nur mehr S 25.353,07 brutto (die Wiedergabe weiterer Feststellungen kann aus rechtlichen Gründen unterbleiben).

Der Kläger begehrte zuletzt den Zuspruch von S 218.245,78 sA, bestehend aus Lohndifferenzen für die Monate Dezember 1998 bis August 1999 und von Oktober 1999 bis einschließlich Oktober 2000. Für den Monat April 1999 (dies ist der vom Teilurteil und somit auch vom Rechtsmittelverfahren umfasste Zeitraum) wurde ein - der Höhe nach außer Streit stehender - Differenzbetrag von S 8.016,73 begehrt. Die beklagte Partei sei zur einseitigen Entgeltskürzung nicht berechtigt gewesen.

Die außer Streit stehenden Abwesenheitsstunden habe der Beklagte für seine Betriebsratstätigkeit und für Amtswege aufwenden müssen, sodass auch hiefür keine Abzüge zulässig seien.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Seit 1995 hätten die anderen Arbeiter im Betrieb der beklagten Partei im Wege von Änderungskündigungen Lohnkürzungen in Kauf nehmen müssen. Auch die anderen Arbeiterbetriebsräte des Unternehmens hätten - mit Ausnahme des Klägers - freiwillig an den Lohnsenkungen teilgenommen. Hingegen habe der Kläger seine Stellung als Betriebsrat dazu benützt, sich seinen höheren Lohn zu erhalten. Aufgrund einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes stehe fest, dass auch Betriebsräte in die Änderungskündigungen miteinbezogen werden können. Entsprechend dieser Judikatur sei dem Kläger angeboten worden, sein Dienstverhältnis einvernehmlich und unter Zubilligung sämtlicher Ansprüche wie bei einer Arbeitergeberkündigung zu beenden. Dieses Angebot habe der Kläger nicht angenommen, weshalb sein Lohn an das 1995 eingeführte Lohnniveau angepasst worden sei, wobei als Vergleich das Einkommen eines mit ähnlichen Tätigkeiten beschäftigten Arbeiters herangezogen worden sei. Davon sei noch ein Abzug von S 1.000 monatlich brutto vorgenommen worden, weil der andere Arbeitnehmer auch Aufsichtsfunktionen ausgeübt habe.

Die Abzüge (für 3 ½ Stunden am 1. 12. 1998, 5 Stunden am 2. 12. 1998 und 4 Stunden 35 Minuten am 3. 12. 1998 sowie 2 Stunden am 11. 1. 1999 und 3 ½ Stunden am 28. 1. 1999) vom schon reduzierten Lohn seien vorgenommen worden, weil der Kläger seine Arbeitszeit immer wieder dazu benutzt habe, um seiner Betriebsratstätigkeit nachzugehen, obwohl dies während der Arbeitszeit nicht erforderlich gewesen sei. Darüber hinaus habe er entgegen einer Anordnung das Verlassen seines Arbeitsplatzes nie im Voraus angemeldet.

Die klagende Partei replizierte, dass die beklagte Partei die Entscheidung 8 ObA 266/97v missverstanden habe. Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt ein Anbot zur Änderung des Arbeitsvertrages bekommen, vielmehr sei das Entgelt einseitig gekürzt worden. Eine einseitige Änderung des Arbeitsvertrages sei rechtlich unzulässig bzw unmöglich. Auch eine Teilkündigung sei bei einem Betriebsrat nicht möglich. Bestritten werde überdies, dass Lohnkürzungen einheitlich vorgenommen worden seien.

Das Erstgericht wies mit Teilurteil das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger S 8.016,73 brutto an Differenz für den Monat April 1999 (dies noch ohne Berücksichtigung einer kollektivvertraglich zu berücksichtigenden Lohnerhöhung per 1. 1. 1999) zu zahlen, ab. Es vertrat dabei die Rechtsauffassung, dass Betriebsräte aus ihrer Betriebsratsfunktion keine materiellen Vorteile erzielen dürften. Die nicht kündigungsgeschützten Arbeitnehmer hätten das Wahlrecht, gegen gekürztes Entgelt weiter zu arbeiten und sich so den Arbeitsplatz zu erhalten, oder sich für die Kündigung durch den Arbeitgeber zu entscheiden.

Betriebsratsmitglieder genössen den Kündigungsschutz nicht um ihrer selbst willen, sondern zur Sicherstellung der ihnen vom Gesetzgeber im Interesse des Betriebes und dessen Belegschaft übertragenen Aufgaben. Treffe eine arbeitsvertraglich zulässige Herabsetzung des Entgelts sämtliche vergleichbaren Belegschaftsmitglieder, welche nicht mit besonderem Kündigungsschutz ausgestattet seien, wäre es mit dem Zweck des besonderen Kündigungsschutzes, also auch mit dem Verbot der materiellen Besserstellung des Betriebsratsmitgliedes unvereinbar, wenn der besondere Kündigungsschutz ein Hindernis für die Gleichbehandlung aller Belegschaftsmitglieder wäre. Die beklagte Partei habe dem Kläger als Alternative die Möglichkeit der freiwilligen Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Zubilligung sämtlicher Ansprüche wie bei einer Arbeitgeberkündigung angeboten. Da dieses Anbot vom Kläger nicht angenommen worden sei, sei die beklagte Partei zur einseitigen Entgeltkürzung berechtigt.

Das Berufungsgericht hob das Teilurteil des Ersterichtes auf. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Gestützt auf die Entscheidung 8 ObA 266/97v (= SZ 71/116 = Arb 11.748 uva) vertrat es die Rechtsauffassung, dass die Betriebsratsmitglieder den besonderen Kündigungsschutz nach den §§ 120 bis 122 ArbVG nicht um ihrer selbst willen, sondern zur Sicherstellung der ihnen vom Gesetzgeber im Interesse des Betriebes und dessen Belegschaft übertragenen Aufgaben genießen würden. Weiters dürften Betriebsratsmitglieder aus ihrer Funktion keine materiellen Vorteile erzielen. Treffe somit eine arbeitsvertraglich zulässige Herabsetzung des Entgelts sämtliche vergleichbaren, nicht besonderen Kündigungsschutz genießenden Belegschaftsmitglieder, wäre es sowohl mit dem Zweck des besonderen Kündigungsschutzes als auch mit dem Verbot der materiellen Besserstellung des Betriebsratsmitglieds nach den §§ 115 ff ArbVG unvereinbar, wenn der besondere Kündigungsschutz ein Hindernis für die Gleichbehandlung der Betriebsratsmitglieder mit der übrigen Belegschaft wäre. Wohl könne dem Betriebsratsmitglied eine vertragliche Änderung nicht aufgezwungen werden, doch komme eine Gleichstellung mit den Entgeltansprüchen der übrigen Belegschaft im Sinne einer Herabsetzung in Frage, nachdem den Betriebsratsmitgliedern als Alternative die Möglichkeit der freiwilligen Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Zubilligung sämtlicher Ansprüche wie bei einer Arbeitgeberkündigung angeboten wurde. Da sich der Kläger einer einvernehmlichen Beendigung des Dienstverhältnisses mit den Folgen einer Dienstgeberkündigung widersetzt habe, sei die beklagte Partei zur Lohnreduzierung berechtigt gewesen. Hinsichtlich der Höhe könne entgegen der Ansicht der beklagten Partei jedoch nicht einfach auf die Reduktion bei nur einem vergleichbaren Arbeitnehmer abgestellt werden, sondern es sei zu prüfen, in welchem Ausmaß die Lohnkürzungen auch andere Arbeitnehmer getroffen hätten, woraus ein Durchschnittswert zu bilden sei. Diesbezüglich bedürfe es noch ergänzender Erörterungen und Feststellungen. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zuzulassen, weil eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu einem vergleichbaren Fall noch nicht vorliege und sich bei einer anderen Rechtsansicht die Aufhebung erübrigen könnte.

Gegen diese Entscheidung richten sich die Rekurse beider Streitteile:

Derjenige des Klägers mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss und das Teilurteil dahin abzuändern, dass mit Urteil dem gesamten Klagebegehren stattgegeben werde, hilfsweise mit einem Antrag, mit der Aufhebung die Rechtansicht zu überbinden, dass Entgeltsvereinbarungen mit dem Kläger als Betriebsratsmitglied unabhängig davon einzuhalten seien, welche Vertragsänderungen für gleichartige oder generell andere Arbeitsverhältnisse im Betrieb geschlossen worden seien und aus welchem Grund Änderungskündigungen erzwungen worden seien;.

derjenige der beklagten Partei mit dem Antrag, die Begründung des Aufhebungsbeschlusses dahin abzuändern, dass für den Vergleichsrahmen nicht sämtliche Arbeitnehmer des Betriebes, sondern nur Arbeitnehmer der Abteilung, in welcher der Kläger arbeite, herangezogen werden sollen.

Die Streitteile beantragten, dem jeweils anderen Rekurs nicht Folge zu geben.

Die Rekurse sind zulässig, derjenige des Klägers ist auch teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gegenstand der Entscheidung 8 ObA 266/97v (= SZ 71/116 uva) war eine Klage eines Arbeitgebers gegen Betriebsmitglieder, deren Verurteilung zur Einwilligung in die Änderung ihrer Arbeitsverhältnisse entsprechend dem mit den anderen Arbeitnehmern getroffenen Verschlechterungsvereinbarungen begehrt wurde.

Hiezu sei auszugsweise die Begründung zitiert: "... Auszugehen ist

davon, daß die Betriebsräte aus ihrer Betriebsratsfunktion keine

materiellen Vorteile erzielen dürfen (SZ 64/99 = ZAS 1992/16 [Resch];

Arb 11.005 = ZAS 1993/5 [Trost] = DRdA 1992/38 [Floretta] und SZ

67/15). Daraus ergibt sich, daß die Ansicht des Berufungsgerichtes verfehlt ist, daß nur ein Vergleich mit anderen Betriebsratsmitgliedern zu ziehen sei; richtig ist vielmehr, wie sich aus den oben zitierten Entscheidungen eindeutig ergibt, daß ein Vergleich auch mit den nicht kündigungsgeschützten Arbeitnehmern anzustellen ist; doch führt dies im Ergebnis zu keinem für die klagende Partei günstigeren Resultat.

Ein Vergleich zwischen den kündigungsgeschützten Betriebsratsmitgliedern und nicht kündigungsgeschützten Arbeitnehmern ergibt nämlich, daß dann, wenn man dem vorliegenden Klagebegehren stattgäbe, dies zu einer Schlechterstellung der Betriebsratsmitgliedern führen würde. Die nicht kündigungsgeschützten Arbeitnehmer haben nämlich das Wahlrecht, gegen das gekürzte Entgelt weiter zu arbeiten und sich so ihren Arbeitsplatz zu erhalten, oder sich im Falle ihres Nichteinverständnisses für die Kündigung durch den Arbeitgeber zu entscheiden, die für sie - insbesondere bei bereits längerer Beschäftigungsdauer - auch erhebliche Vorteile (Abfertigung) bringen kann. Erwarten Arbeitnehmer, einen geeigneten besser bezahlten Arbeitsplatz zu finden, als den, den sie nach der Änderungskündigung bei der klagenden Partei hatten, liegt es nahe, daß sie sich für die Kündigungsvariante entscheiden, was - wie der vorliegende Fall zeigt - durchaus nicht unrealistisch ist, haben doch etwa ein Drittel der Arbeitnehmer diese Variante gewählt. Diese Wahlmöglichkeit hätten die beklagten Betriebsratsmitglieder nicht. Sie müßten die Kürzung hinnehmen oder ihrerseits kündigen, wodurch sie insofern schlechter als die nicht kündigungsgeschützten Arbeitnehmer gestellt wären. ... Die Betriebsratsmitglieder genießen den besonderen Kündigungsschutz nach den §§ 120 bis 122 ArbVG nicht um ihrer selbst willen, sondern zur Sicherstellung der ihnen vom Gesetzgeber im Interesse des Betriebes und dessen Belegschaft übertragenen Aufgaben (Kuderna, Einige Probleme des besonderen Kündigungsschutzes, DRdA 1990, 1; Arb 11.180; SZ 68/140). Weiters dürfen Betriebsratsmitglieder aus ihrer Funktion keine materiellen Vorteile erzielen. Trifft somit eine arbeitsvertraglich zulässige Herabsetzung des Entgelts sämtliche vergleichbaren, nicht besonderen Kündigungsschutz genießenden Belegschaftsmitglieder, wäre es, wie E. Rotter (Betriebsrat, Ehrenamt und Änderungskündigung, ASoK 1996, 4 f) zutreffend darlegt, sowohl mit dem Zweck des besonderen Kündigungsschutz als auch mit dem Verbot der materiellen Besserstellung des Betriebsratsmitgliedes nach den §§ 115 ff ArbVG unvereinbar, wäre der besondere Kündigungsschutz ein Hindernis für die Gleichbehandlung der Betriebsratsmitglieder mit der übrigen Belegschaft. In diesem Sinne hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung Arb 10.761 ausgesprochen, dass sich eine zulässige Kürzung des Entgelts (Anmerkung: bei betriebseinheitlicher Kurzarbeit!) der übrigen Belegschaft auch auf den Verdienst der Betriebsratsmitglieder auswirkt. Berücksichtigt man den Zweck des besonderen Kündigungsschutzes und die Ausgestaltung des Amtes des Betriebsrats als Ehrenamt (mit striktem Benachteilungs- und Bevorzugsverbot), dann gelangt man zum Ergebnis, dass dem Betriebsratsmitglied das Verbleiben mit reduziertem Entgelt mit einer zwar formell als Leistungsklage auf Abgabe einer Willenserklärung gefassten, in Wahrheit auf eine im Gesetz nicht vorgesehene, nur ausnahmsweise zulässige Rechtsgestaltung ... gerichteten Klage nicht aufgezwungen werden kann, sondern daß eine Angleichung an das den übrigen, verbliebenen Belegschaftsmitgliedern zulässigerweise gezahlte Entgelt erst nach Einräumung der zuvor den anderen Arbeitnehmern mit der Arbeitgeberkündigung gebotenen Alternative zulässig ist.

Eine Gleichbehandlung mit den Entgeltansprüchen der übrigen Belegschaft im Sinne der Herabsetzung auf das nunmehrige Entgeltniveau käme daher nur in Frage, nachdem den Betriebsratsmitgliedern als Alternative die Möglichkeit der freiwilligen Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Zubilligung sämtlicher Ansprüche wie bei einer Arbeitgeberkündigung angeboten würde."

Insbesondere die letztgenannte Konsequenz ist im Schrifttum auf Kritik gestoßen. Risak (ZAS 1999/13), weist zu Recht darauf hin, dass die Anpassung des Arbeitsvertrages des Betriebsratsmitgliedes durch den Arbeitgeber an das "neue" Entgeltniveau im Betrieb als Ausübung eines Gestaltungsrechtes zu qualifizieren sei. Gestaltungsrechte verliehen ihrem Inhaber die Rechtsmacht, durch einseitige Erklärung - ohne Mitwirkung eines anderen - eine Veränderung der bestehenden Rechtsverhältnisse herbeizuführen (Rechte zum Entstehen oder Erlöschen zu bringen oder zu ändern; Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I10, 41). Dieses Gestaltungsrecht sei im vorliegenden Fall als Ausübung eines Widerrufs bzw einer Teilkündigung zu qualifzieren. Zur Annahme eines solchen Rechts bedürfe es grundsätzlich einer entsprechenden Parteienabrede, weil dem anderen Teil sonst ein Arbeitsverhältnis aufgezwungen werden könne, das er so nie gewollt und vereinbart habe (ZAS 1982, 217 [Mayr-Maly] = Arb 10.038 ua). Da im vorliegenden Fall ein derartiges Gestaltungsrecht vertraglich nicht eingeräumt worden sei, bleibe nur die Möglichkeit einer gesetzlichen Begründung (Rummel in Rummel² Rz 10 zu § 859). Eine solche dürfte der OGH annehmen, leite er doch das Recht des Arbeitgebers zur Entgeltherabsetzung aus der Notwendigkeit der Gleichbehandlung der Betriebsratsmitglieder mit der übrigen Belegschaft im Falle einer Massenänderungskündigung ab. Dies ergebe sich aus dem Bevorzugungsverbot der Betriebsratsmitglieder, welches wiederum aus der gesetzlichen Ausgestaltung des Betriebsratsmandats als Ehrenamt hergeleitet werde. Ein solches gesetzliches Gestaltungsrecht, welches erst im Wege mehrerer Interpretationsschritte begründet werden könne, werfe Probleme der Rechtssicherheit auf. Außerdem könnten ihm die Argumente, mit denen ein vertraglich nicht begründetes Teilkündigungs- und Widerrufsrecht abgelehnt werde, entgegengesetzt werden. Als zweiten Kritikpunkt sieht Risak die Voraussetzungen eines Anbots, dem Betriebsratsmitglied im Falle einer Arbeitnehmerkündigung alle Ansprüche wie bei einer Arbeitgeberkündigung zu gewähren. Zur Begründung dieser Voraussetzung sei ein weiterer Interpretationsschritt unter Heranziehung des Benachteiligungsverbotes erforderlich. Diese verhältnismäßig komplizierte Konstruktion werde dazu führen, dass es in der Praxis nur äußerst selten zu einem solchen Anbot des Arbeitgebers kommen werde. Als eigenen Lösungsweg sieht Risak den einer teleologischen Reduktion des besonderen Kündigungsschutzes für Betriebsratsmitglieder bei Massenänderungskündigungen. Bei Änderungskündigungen, welche die gesamte Belegschaft bzw alle vergleichbaren Arbeitnehmer beträfen (Massenänderungskündigungen), habe der besondere Kündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder keine Anwendung zu finden. Das Betriebsratsmitglied habe die Wahl, sich mit der Änderung einverstanden zu erklären oder die Arbeitgeberkündigung gegen sich wirken zu lassen. Damit sei die Gleichbehandlung zwischen den Betriebsratsmitgliedern und den sonstigen Belegschaftsangehörigen sichergestellt, es komme dabei weder zu einer Besserstellung noch zu einer Benachteiligung.

C. Klein bemängelt in seiner Glosse zu DRdA 1999/60 (= 9 ObA 76/98m), dass die in der vorerwähnten Entscheidung angebotene Wahlmöglichkeit in vielen Fallkonstellationen moralisch richtig erscheinen mag, aber der gesetzlichen Grundlage entbehre. Es werde zur Begründung auf ein angeblich dem Arbeitsverfassungsgesetz zu entnehmendes Verbot der Bevorzugung von Betriebsratsmitgliedern gegenüber den anderen Arbeitnehmern verwiesen. Dabei vermöge der Oberste Gerichtshof aber keinen Gesetzestext zu zitieren, sondern berufe sich nur auf seine Vorjudikatur. Diese postuliere allerdings keineswegs ein allgemeines Bevorzugungsverbot von Betriebsratsmitgliedern, sondern befasse sich ausschließlich mit der gesetzlichen Höhe der Entgeltfortzahlung für Betriebsratsmitglieder gemäß §§ 116 ff ArbVG. Danach dürfe für die gänzliche oder teilweise Freistellung eines Betriebsratsmitgliedes von der Arbeitsleistung zur Erfüllung seiner betriebsrätlichen Obliegenheiten vom Arbeitgeber kein höheres Entgelt als vereinbart (oder durch allfällige Mehrleistungen gedeckt) geleistet werden, weil dies der zweiseitig zwingenden gesetzlichen Anordnung der Fortzahlung des bisherigen Entgelts widerspreche. Der Arbeitgeber dürfe also kein höheres als das vertraglich vereinbarte - bzw sich aus allenfalls erforderlichen Mehrleistungen ergebende - Entgelt bezahlen, da der zweiseitig zwingende Charakter des Arbeitsverfassungsrechts das ansonsten im Arbeitsrecht vorliegende Günstigkeitsprinzip ausschließe und nur insofern eine "Bevorzugung" - nämlich nicht im Vergleich mit den übrigen Arbeitnehmern, sondern im Vergleich zum gesetzlich angeordneten Zustand! - verbiete. Das Verbot einer Begünstigung gegenüber der gesetzlich exakt definierten Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers sei also aus dem Arbeitsverfassungsgesetz abzulesen, nicht aber das Verbot einer sich aus der bloßen Einhaltung einer Vertragspflicht ergebenden relativen Besserstellung gegenüber anderen Arbeitnehmern. Auch in Arb 10.761, wo eine Arbeitsentgeltkürzung aufgrund des Wegfalls von Mehrleistungen bestätigt worden sei - sei lediglich die gesetzliche Regelung der Entgeltfortzahlung exakt umgesetzt, aber keineswegs in die Entgeltvereinbarungen eingegriffen worden. Das Verbot einer günstigeren Behandlung im Vergleich mit dem gesetzlichen Anspruch leuchte auch aus den Zwecken der Betriebsverfassung unmittelbar ein. Der Arbeitgeber solle Betriebsratsmitgliedern nicht durch die Zuwendung eines höheren Entgelts als vertraglich geschuldet "kaufen" können. Dass die Betriebsratsmitglieder in den gegenständlichen Fällen auf ihrer vereinbarten Entgelthöhe beharrten, geschehe hingegen im Konflikt mit dem Betriebsinhaber, der ihr Entgelt ebenso verringern möchte, wie ihm das bei der restlichen Belegschaft gelungen sei. Ein Seitenwechsel durch "gekaufte" Betriebsratsmitglieder sei hier in keiner Weise zu befürchten. Tatsächlich lägen hier zwei völlig eindeutige Rechtsgrundlagen vor: 1. Der Kündigungsschutz der Betriebsratsmitglieder, der nur den § 121 ArbVG taxativ aufgezählten Gründen weichen müsse, zu denen die Weigerung einem Veränderungsangebot zuzustimmen, nicht zähle (unter Zitat von 9 ObA 76/98m) und 2. der Anspruch auf Einhaltung einer vertraglich zugesagten Leistung. Eine Norm hingegen, die den Arbeitgeber von der Einhaltung seiner Vertragspflicht entbinde und damit einen Eingriff des Gerichts in die Privatautonomie rechtfertige, sei nicht nachweisbar; hätte der Gesetzgeber die Änderungskündigung gegenüber Betriebsratsmitgliedern - nichts anderes stelle die vom OGH behauptete Wahlmöglichkeit in ihrem materiellen Gehalt dar - gewollt, hätte er sie auch gesetzlich verankert. Selbst wenn man dem Gesetzestext Moralvorstellungen unterlegen wollte, könne es wohl kaum der Arbeitgeber sein, dem daraus ein Anspruch auf Absenkung des Entgelts der Betriebsratsmitglieder erwachse. Wer hier allenfalls ungerecht behandelt werde, sei die Belegschaft, welche sich gegenüber Verschlechterungsangeboten des Arbeitgebers im Gegensatz zu den Betriebsratsmitgliedern in der Regel nicht auf einen besonderen Kündigungsschutz stützen könne. Dass der Arbeitgeber hingegen berechtigt sein sollte, zu behaupten, dass sich aus einem im Arbeitsverfassungsgesetz enthaltenen angeblichen Bevorzugungsverbot ein Recht für ihn ergebe, unzweifelhafte, von ihm selbst eingegangene vertragliche Verpflichtungen nicht mehr einzuhalten, sei eine die Grundprinzipien der Zivilrechtsordnung ignorierende Behauptung. Tatsächlich sei es Sache der Belegschaft, wenn sie ein Beharren der Betriebsratsmitglieder auf dem vereinbarten Entgelt als ungerecht und unmoralisch inakzeptabel empfinde, den Betriebsrat zu sanktionieren:

Dafür sei sie vom Gesetzgeber mit der Möglichkeit, dem amtierenden Betriebsrat bei der nächsten Betriebsratswahl das Vertrauen zu entziehen oder ihn gar schon in der nächsten Betriebsversammlung des Mandats zu entheben, ausgestattet worden. Klein weist auch auf die enormen Schwierigkeiten bei der praktischen Anwendung dieser Doktrin hin: Zunächst stelle sich die Frage nach der formalen Durchsetzung des behaupteten materiellrechtlichen Arbeitgeberanspruchs. Dürfe der Arbeitgeber einfach nach angebotener einvernehmlicher Auflösung, bei der das Betriebsratsmitglied wie bei einer Arbeitgeberkündigung gestellt werde, eigenmächtig das Entgelt herabsetzen und könne er dann in Ruhe die Klage des Betriebsratsmitgliedes abwarten, oder müsse er selbst eine Rechtsgestaltungsklage einbringen, auf die hin das Gericht die korrekte Entgelthöhe festzusetzen habe oder sei doch das Instrument der Klage auf Einwilligung der Betriebsmitglieder in die Entgeltherabsetzung das probate prozessuale Mittel?. Dieser Kritik ist insoweit zuzustimmen, als es tatsächlich an einer rechtlichen Grundlage dafür fehlt, dass sich Betriebsratsmitglieder, welche einer Änderungsvereinbarung im Zuge allgemeiner Lohnkürzungen (durch Änderungskündigungen) nicht zustimmen und auch das Anbot zu einer einvernehmlichen Auflösung mit den Folgen wie bei einer Arbeitgeberkündigung nicht annehmen, dann entweder einer einseitigen Kürzung der Löhne durch den Arbeitgeber oder aber einer Rechtsgestaltung durch das Gericht unterwerfen müssten. Zutreffend verweisen beide Autoren auf die Entgeltverpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag, welche mangels Änderungsvorbehalts zugunsten des Arbeitgebers nicht einseitig umgestaltet werden können. Der Senat sieht sich allerdings auch nicht veranlasst, von seiner in 9 ObA 76/98m geäußerten Rechtsaufassung abzugehen, wonach die Gründe, aus denen das Gericht der Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes oder eines gleichgestellten Arbeitnehmers zustimmen und der Klage des Arbeitgebers stattgeben kann, in den Z 1 bis 3 des § 121 ArbVG taxativ aufgezählt sind. Es ist daher auch der vorgeschlagenen teleologischen Reduktion nicht nahezutreten. Eine solche erfordert nämlich den klaren Nachweis des Gesetzeszweckes, an dem sich die (letztlich den Gesetzeswortlaut korrigierende) Auslegung orientieren soll (RIS-Justiz RS0106113). Es ist dem Gesetzgeber nicht zu unterstellen, dass er die Möglichkeit von Änderungskündigungen nicht ins Auge gefasst habe bzw im Falle von Massenänderungskündigungen auch den Kündigungsschutz der Betriebsratsmitglieder habe aufweichen wollen. Klein (aaO) weist dazu zutreffend darauf hin, dass dieser Schutz ein existentieller sein kann, zumal gerade Betriebsratsmitglieder, welche sich für die Belegschaft exponieren, selbst im Falle einer einvernehmlichen Lösung beim Auffinden eines anderen Arbeitsplatzes beachtliche Schwierigkeiten gewärtigen müssten. Dazu kommen noch die von Klein (aaO) aufgezeigten faktischen Schwierigkeiten, zumal keinerlei Parameter dafür bestehen, unter welchen Voraussetzungen und zu welcher Höhe Betriebsratsmitglieder Änderungsangebote annehmen müssten. Insgesamt vermag daher kein überschießender Gesetzeswortlaut (RdW 1995, 59 ua) erkannt zu werden, welcher eine teleologische Reduktion angezeigt sein ließe. Die vemeintliche Bevorzugung von Betriebsratsmitgliedern bei Massenänderungskündigungen ist daher nichts anderes als eine notwendige Auswirkung des gesetzlichen Kündigungsschutzes. Mag es auch unbillig oder unmoralisch sein, wenn sich Mitglieder des Betriebsrates einer die übrige Belegschaft treffenden Lohnreduzierung nicht unterwerfen, so liegt es, wie schon erwähnt, nicht am Arbeitgeber oder am Gericht, ohne besondere vertragliche bzw. gesetzliche Grundlage rechtsgestaltend einzugreifen. Vielmehr bleibt es der Belegschaft überlassen, ob sie dieses Verhalten sanktionieren will oder nicht.

Ausgehend von dieser Rechtsauffassung bedarf es des Vergleiches mit Lohnherabsetzungen bei anderen Belegschaftsmitgliedern nicht mehr, sodass die Rechtssache, so weit sie vom Teilurteil des Erstgerichtes umfasst war, im Sinne einer Klagestattgebung entscheidungsreif ist. Der Kläger hat sein gegenüber dem gesetzlichen Zinssatz von 4 % erhöhtes Zinsenbegehren nicht näher begründet. Sollte damit der Zinssatz nach § 49a erster Satz ASGG gemeint sein, steht einem solchen Zuspruch eine im Hinblick auf die Entscheidung 8 ObA 266/97v jedenfalls vertretbare Rechtsansicht der beklagten Partei entgegen. Entgegen der Auffassung des Kläges kann der Oberste Gerichtshof aber nicht auch über den vom Erstgericht nicht entschiedenen Teil des Klagebegehrens in der Sache selbst entscheiden, weil Gegenstand des Rechtsmittelverfahres nur der dem Teilurteil zugrunde gelegte Anspruch ist. Unzutreffend ist auch der Einwand, dass ein Teilurteil nicht gefällt werden dürfe. Im vorliegenden Fall handelt es sich nämlich um einen quantitativ teilbaren Streitgegenstand (ÖJZ-LSK 1997/167 uva).

Die beklagte Partei ist mit ihrem Rekurs auf die obigen Ausführungen zu verweisen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 2 ZPO.

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