OGH 9ObA76/98m

OGH9ObA76/98m19.8.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Steinbauer und Dr.Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Franz Zörner und Norbert Bacher als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Druck- und Verlagsanstalt *****, vertreten durch Dr.Kurt Schneider und Dr.Rudolf Riedl, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Erich P*****, Arbeiter, ***** vertreten durch Dr.Georg Grießer und Dr.Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wegen Zustimmung zur Kündigung (§ 120 Abs 1 ArbVG), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26.November 1997, GZ 7 Ra 312/97x-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 31.Juli 1997, GZ 18 Cga 208/96f-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.086,40 (darin enthalten S 1.014,40 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat das Vorliegen von Kündigungsgründen im Sinne des § 121 ArbVG genauso zutreffend verneint wie die Frage, ob eine "Massenänderungskündigung" auch ohne das Vorhandensein der im § 121 ArbVG genannten Kündigungsgründe ausreicht, um die Zustimmung des Gerichtes zur Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes zu bewirken. Es reicht daher insofern aus, auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Ausführungen der Klägerin in der Revision entgegenzuhalten:

In der jüngst ergangenen Entscheidung vom 25.6.1998, 8 ObA 266/97v, wurde ausgesprochen, daß Betriebsratsmitglieder nicht verpflichtet sind, einer vom Dienstgeber vorgeschlagenen Verschlechterungsvereinbarung zuzustimmen. Richtig sei wohl, daß die Betriebsräte aus ihrer Betriebsratsfunktion keine materiellen Vorteile erzielen dürfen (Arb 11.005 und SZ 67/15), doch dürfe Migliedern des Betriebsrates auch kein Verhalten abverlangt werden, welches zu deren Schlechterstellung führe. Während nicht kündigungsgeschützte Arbeitnehmer das Wahlrecht hätten, durch Eingehen einer Änderungsvereinbarung gegen gekürztes Geld weiterzuarbeiten und sich so ihren Arbeitsplatz zu erhalten oder aber sich im Falle des Nichteinverständnisses für die Kündigung durch den Arbeitgeber zu entscheiden, die für sie - insbesondere bei bereits längerer Beschäftigungsdauer - auch erhebliche Vorteile (Abfertigung) bringen könne, bestehe eine solche Wahlmöglichkeit für Betriebsratsmitglieder nicht. Sie müßten die Kürzung hinnehmen oder ihrerseits kündigen, wodurch sie insofern schlechter gestellt wären als die nicht kündigungsgeschützten Arbeitnehmer. Mit der überwiegenden und überzeugenden Lehre (B.Schwarz in Cerny/Haas-Laßnigg/Schwarz, Arbeitsverfassungsrecht III Erl 6 zu § 121 ArbVG; Spielbüchler DRdA 1971, 231, 236; Floretta/Strasser, ArbVG Handkomm Erl 7 zu §§ 120 bis 122 - Heinz, Der besondere Kündigungs- und Entlassungsschutz für Betriebsratsmitglieder und ihnen gleichgestellte Personen, 118) ist die Ansicht abzulehnen, daß Betriebsratsmitglieder bezüglich einer Pflichtverletzung im Sinne des § 121 Z 3 ArbVG strenger zu beurteilen seien als andere Arbeitnehmer. In der Weigerung des Beklagten, einer ihn benachteiligenden Änderungsvereinbarung die Zustimmung zu erteilen, obwohl der Betriebsrat als Kollektivorgan die Annahme derselben empfohlen hat, liegt demnach keine beharrliche Pflichtenverletzung im Sinne des § 121 Z 3 ArbVG, sodaß eine Zustimmung zur Kündigung des Beklagten aus diesem Grunde nicht in Frage kommt.

Im übrigen weist der Beklagte in seiner Revisionsbeantwortung zutreffend darauf hin, daß sich die Klägerin im Verfahren erster Instanz auf den Kündigungsgrund der Betriebseinschränkung im Sinne des § 121 Z 1 ArbVG nicht gestützt hat.

Die in den Z 1 bis 3 des § 121 ArbVG angeführten Gründe, aus denen das Gericht der Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes oder eines gleichgestellten Arbeitnehmers zustimmen und der Klage des Arbeitgebers stattgeben kann, sind taxativ aufgezählt. Das bedeutet, daß andere Gründe die Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes oder eines gleichgestellten Arbeitnehmers nicht rechtfertigen können (Schwarz aaO Erl 1). Schon der klare Gesetzestext des § 121 ArbVG "das Gericht darf einer Kündigung unter Bedachtnahme auf die Bestimmung des § 120 nur zustimmen, wenn ...." steht der Ansicht der Revisionswerberin entgegen, schon im Wege der Interpretation bei "Massenänderungskündigungen" ergebe sich die Zulässigkeit der Änderungskündigung auch von Betriebsratsmitgliedern. Darüber hinaus vermag aber auch eine ungewollte Regelungslücke als Voraussetzung für eine Analogie im Sinne der Auffassung der Revisionswerberin nicht erkannt zu werden. Soweit sich die Klägerin auf eine Lehrmeinung (Dungl, Zur Änderungskündigung, in FS Floretta 1983, 357, 363) beruft, sind ihr einerseits obiger Erwägungen entgegenzuhalten, zum anderen räumt dieser Autor selbst ein, daß einer unmittelbaren Anwendung der einem Teil der deutschen Lehre entnommenen Argumente Unterschiede in der Konstruktion des Sonderschutzes von Betriebsratsmitgliedern in Österreich einerseits und der Bundesrepublik Deutschland andererseits entgegenstehen (Dungl aaO 364). Insbesondere kennt § 15 des deutschen KSchG keine taxative Aufzählung von Kündigungsgründen, sondern nur den Generaltatbestand des wichtigen Grundes. Zum anderen unterliegen auch nach der in Deutschland herrschenden Meinung ordentliche Gruppen- oder Massenänderungskündigungen ebenfalls dem Schutz des § 15 KSchG und sind daher unzulässig (Hueck/von Hoyningen-Huene, Kündigungsschutzgesetz11 Rz 60 zu § 15 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Zusammenfassend ist dem Gesetzgeber, dem die Möglichkeit von Massenkündigungen bewußt ist - es sei zB auf das im AMFG enthaltene Frühwarnsystem hingewiesen -, nicht zu unterstellen, im Falle einer "Massenänderungskündigung" eine Durchbrechung des Bestandschutzes nach §§ 120 ff ArbVG gewollt, eine entsprechende gesetzliche Regelung aber nicht getroffen zu haben, sodaß kein Analogiefall vorliegt.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO begründet.

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