Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 812,52 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin EUR 132,42 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Am 21. 6. 1987 ereignete sich auf einem Betriebsgrundstück der Wiener Stadtwerke ein Verkehrsunfall, bei dem ein von Erika P***** gelenktes Moped mit einem Gelenkautobus der Wiener Stadtwerke kollidierte. Hermann H*****, der als Beifahrer am Moped mitgefahren war, wurde bei diesem Unfall schwer verletzt.
In einem Vorprozess klagte der Verletzte den Lenker des Gelenkautobusses und die Wiener Stadtwerke auf Schadenersatz. Dieses Verfahren endete mit einem Vergleich, dem eine Schadensteilung von 1 : 2 - beim Schmerzengeld von 1 : 3 (Verletzung der Sturzhelmpflicht) - zu Lasten des Klägers zugrunde gelegt wurde. Zum Zeitpunkt des Vergleiches wurde der Verletzte von der beklagten Rechtsanwältin vertreten.
Im hier zu beurteilenden Verfahren macht die Klägerin ihr überwiesene Schadenersatzansprüche des Verletzten gegen die Beklagte geltend. Diese habe einen anwaltlichen Kunstfehler zu vertreten, weil sie nicht bedacht habe, dass alle Unfallbeteiligten dem verletzten Beifahrer gegenüber für den gesamten Schaden zur ungeteilten Hand hafteten. Sie hätte daher den Vergleich nicht schließen dürfen, sondern auf dem Ersatz des gesamten Schadens des Verletzten bestehen müssen.
Dem hält die Beklagte - soweit für diese Entscheidung von Interesse - entgegen, dass der Verletzte - obwohl er nur Beifahrer gewesen sei - ein Eigenverschulden zu vertreten habe. In einem weiteren Vorprozess sei der Oberste Gerichtshof im Verhältnis zwischen der Mopedlenkerin und den Wiener Stadtwerken allein deshalb von einer Verschuldensteilung von 1 : 2 zu Lasten der Mopedlenkerin ausgegangen, weil sich diese unbefugt auf dem Betriebsgelände der Wiener Stadtwerke aufgehalten habe. Dieser Vorwurf treffe aber in gleichem Maße den Verletzten. Da die Erstrichterin im vom Verletzten geführten Vorprozess erklärt habe, sie werde sich an der zuletzt genannten Entscheidung orientieren, sei der Vergleichsabschluss richtig gewesen und auch vom Verletzten befürwortet worden. Beide Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Sie vertraten ebenfalls die Auffassung, dass der gegen die Mopedlenkerin erhobene Vorwurf, sie habe unbefugt auf dem Betriebsgelände der Wiener Stadtwerke ein Moped ausprobiert, auch auf den verletzten Beifahrer zutreffe. Auch diesem habe auf Grund der deutlich ersichtlichen Beschilderung bewusst sein müssen, dass er sich in verbotener Weise auf einem Betriebsgelände aufhalte. Der Kläger müsse sich daher im Verhältnis zum Lenker des Gelenkbusses bzw. zu Halter und Versicherung dieses Fahrzeuges ein Mitverschulden von zwei Drittel anrechnen lassen. Die Mopedlenkerin hafte mit einer höheren Quote. Die verschiedenen Schädiger seien als unabhängig handelnde Nebentäter anzusehen, die dem Verletzten zu verschiedenen Quoten hafteten. Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Klägerin ist nicht zulässig.
Der Oberste Gerichtshof ist gemäß § 508a Abs 1 ZPO an den Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulässigkeit der Revision nicht gebunden. Es ist daher aufzugreifen, dass die im Zulassungsausspruch des Berufungsgerichtes umschriebene Rechtsfrage die in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Voraussetzungen nicht erfüllt.
Eine wenn auch unrichtige aber vertretbare Rechtsansicht eines Rechtsanwaltes führt, auch wenn sie in der Folge von der Rechtsprechung nicht geteilt wird, nicht zur Haftung des Rechtsanwaltes wegen Verschulden (SZ 52/56; SZ 59/35; zuletzt etwa 9 Ob 363/97s). Eine Haftung der Beklagten käme daher nur dann in Betracht, wenn ihre Vorgangsweise im Zusammenhang mit dem Abschluss des Vergleiches über die Ansprüche des Verletzten als nicht mehr vertretbar bezeichnet werden müsste.
In diesem Zusammenhang ist im Revisionsverfahren nur mehr strittig, ob dem Verletzten - in gleicher Weise wie der Lenkerin des Mopeds - im Hinblick auf die deutliche Beschilderung des Betriebsgeländes aus dessen Benützung (also aus der Einwilligung, bei der Probefahrt am Betriebsgelände teilzunehmen) ein Eigenverschulden anzulasten ist. Diese Frage hat das Berufungsgericht in seiner auf den konkreten Einzelfall abgestellten Entscheidung in nicht unvertretbarer Weise bejaht, sodass die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Revision nicht gegeben sind. Der dagegen erhobene Einwand der Revisionswerberin, es stehe nicht fest, ob der Verletzte die Beschilderung des Betriebsgeländes überhaupt gesehen habe, überzeugt nicht. Entscheidend kann nämlich bei der Beurteilung des Verhaltens der Beklagten nur sein, wie sie im damals geführten Vorprozess die Prozessaussichten einschätzen musste. Angesichts der mehr als deutlichen Beschilderung (siehe S 6 des Berufungsurteils) kann aber der Beklagten aus der Einschätzung, man werde ein entsprechendes Verschulden des Beklagten annehmen, umso weniger ein Vorwurf gemacht werden, als die damals entscheidende Richterin bereits angekündigt hatte, sich an der Vorentscheidung des Obersten Gerichtshofs orientieren zu wollen, die von einem entsprechenden Verschulden der Mopedlenkerin ausgegangen war. Dass - wie die Revisionswerberin weiter meint - der Verletzte als "Nicht-Lenker" des Mopeds nicht verpflichtet gewesen wäre, die Bedeutung der Schilder zu erkennen, kann angesichts der Art der Beschilderung ("Privatgrund. Das Einfahren mit Kraftfahrzeugen ist nur mit schriftlicher Genehmigung durch die Wiener Stadtwerke-Verkehrsbetriebe gestattet"- "Fahrverbot (in beiden Richtungen) - Ausgenommen Fahrzeuge der Wiener Stadtwerke" in keiner Weise überzeugen. Damit ist aber die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, dem Beklagten sei aus der billigenden Teilnahme an der Probefahrt am Betriebsgelände ein Vorwurf zu machen, keineswegs unvertretbar.
Sonstige Rechtsfragen werden in der Revision nicht aufgezeigt. Vertretbare Einzelfallentscheidungen der zweiten Instanz erfüllen die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht. Demgemäß hat das Berufungsgericht die Zulassung der Revision auch nicht mit der Erheblichkeit der Rechtsfrage an sich, sondern damit begründet, dass die Entscheidung eines anderen Senates des Oberlandesgerichtes Wien "zum Teil im Widerspruch" zur hier vertretenen Rechtsauffassung stehe. Dies rechtfertigt aber die Revision gegen eine vertretbare Einzelfallentscheidung nicht, umso mehr, als die abweichende Vorentscheidung des Oberlandesgerichtes Wien insofern nur ein unbegründetes obiter dictum enthält.
Da die Revisionswerberin somit keine iS des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage aufzeigt, war die Revision als unzulässig zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründen sich auf die §§ 41, 50 ZPO; die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der von ihr verzeichnete dreifache Einheitssatz steht ihr im Revisionsverfahren aber nicht zu, sodass der von ihr verzeichneten Kostenbetrag wie im Spruch ersichtlich zu reduzieren war.
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