OGH 1Ob66/02s

OGH1Ob66/02s13.8.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Kuno S*****, vertreten durch Dr. Hubert Fitz, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagte Partei Mag. Dr. Hatto F*****, vertreten durch Achammer, Mennel, Welte & Partner, Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen EUR 52.567,75 sA infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den in die Ausfertigung des Teilurteils des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 4. Dezember 2001, GZ 1 R 185/01t-75, aufgenommenen Beschluss, mit dem das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 27. Mai 2001, GZ 9 Cg 223/96w-67, im Umfang eines Teilbegehrens von ATS 150.635,98 sA, sowie das dem vorangegangene Verfahren für nichtig erklärt und das Klagebegehren in diesem Umfang zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss (Punkt 1. des Spruchs der Entscheidung des Berufungsgerichts) wird aufgehoben. Die Rechtssache wird im Umfang der Aufhebung zur Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei an das Gericht zweiter Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit seiner am 30. 8. 1996 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger, den Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes zur Zahlung von ATS 550.000 sA zu verhalten. Die Beklagte habe anlässlich des Ausscheidens des Klägers aus einer bürgerlich-rechtlichen Erwerbsgesellschaft ein Gutachten über das diesem zustehende Abfindungsguthaben erstellt, das in mehreren Punkten fehlerhaft gewesen sei und zu einer um ATS 1,078.774 zu geringen Auszahlung an die Kläger geführt habe. Aus Gründen prozessualer Vorsicht werde lediglich ein Teilbetrag des Schadens geltend gemacht. In der Verhandlungstagsatzung vom 3. 6. 1997 (ON 12) brachte der Kläger vor, er habe, da ihm der auf Grund des Gutachtens des Beklagten ausgezahlte Betrag zu gering erschienen sei, einen Steuerberater mit der Kontrolle der Abrechnung beauftragt. Dieser sei zum Schluss gekommen, die Abrechnung sei falsch. Dem Kläger stehe ein weiterer Betrag von rund ATS 800.000 zu. Für diese Kontrollarbeit habe der Steuerberater ein Honorar von ATS 150.635,98 in Rechnung gestellt, das der Kläger bezahlt habe. Das Klagebegehren werde deshalb um diesem Betrag samt 4 % Zinsen seit 1. 1. 1997 ausgedehnt. Der Beklagte sprach sich gegen die Klagsausdehnung aus, weil dadurch eine erhebliche Verzögerung und Erschwerung des Verfahrens bewirkt werde. Die Gutachtenskosten seien nach Klagseinbringung entstanden und somit als Prozesskosten bzw als vorprozessuale Kosten zu beurteilen.

Das Erstgericht ließ die Klagsänderung nicht zu. Die Ausdehnung des Klagebegehrens eröffne ein vollständig neues Prozessthema und erfordere zwangsläufig die Einholung eines Gutachtens. Es sei zu befürchten, dass die Zulassung der Klagsausdehnung weitere Versuche des Klägers nach sich ziehen würde, den Prozessstoff in einer späteren Phase des Verfahrens abermals auszuweiten. Das Gericht zweiter Instanz ließ die Klagsänderung zu. Nach ständiger Rechtsprechung seien Klagsänderungen tunlichst zuzulassen. Auch könne das neue Beweisthema vom ursprünglichen nicht völlig losgelöst betrachtet werden. Bei falscher Berechnung der Gewinnanteile des Klägers habe dieser möglicherweise einen Anspruch gegen seine ehemaligen Geschäftspartner, der mit gesonderter Klage geltend zu machen wäre. Verfahrensgegenstand sei jedoch ein Schadenersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten aus seiner Tätigkeit als Steuerberater, wobei auch der Anspruch auf Ersatz des Honorars im Betrag von ATS 150.635,98 als Anspruch auf Ersatz des Schadens auf Grund der Tätigkeit des Beklagten im Sinn des § 1299 ABGB zu beurteilen sei. Es lägen somit sämtliche Voraussetzungen für die Klagsänderung vor, weshalb diese zuzulassen sei. Dieser Beschluss ist in Rechtskraft erwachsen.

Nach Durchführung eines umfangreichen Beweisverfahrens wies das Erstgericht das Klagebegehren ab. Es kam zu dem Ergebnis, der Beklagte habe gemäß seinem Auftrag und den ihm erteilten Informationen gehandelt. Obwohl der Ersatzanspruch des Klägers für das von ihm aufgewendete Honorar zur Überprüfung der Tätigkeit des Beklagten an sich im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit gegen die übrigen Gesellschafter stehe, erscheine es grundsätzlich nicht unzulässig, den entstandenen Aufwand auch gegenüber dem Verursacher als Schadenersatzanspruch geltend zu machen. Dieser Anspruch bestehe allerdings nicht zu Recht, weil die Tätigkeit des vom Kläger beigezogenen Steuerberaters keinen Hinweis auf auftragswidriges schadenverursachendes Verhalten des Beklagten erbracht habe. Mit dem in die Ausfertigung des Teilurteils aufgenommenen Beschluss (Punkt 1. des Spruchs) sprach das Berufungsgericht aus Anlass der Berufung aus, das über das Teilbegehren von ATS 150.635,98 sA abgeführte Verfahren sei nichtig, und wies insoweit das Klagebegehren wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Nach den Feststellungen habe der Kläger dem Steuerberater am 14. 8. 1996 den Prüfungsauftrag erteilt, der in der Folge nach und nach ausgeweitet worden sei. Die Auftragserteilung sei im zeitlichen Zusammenhang mit der Einbringung der Klage am 30. 8. 1996 gestanden. Der als Hauptsache geltend gemachte Honorarbetrag von ATS 150.635,98 habe somit der außergerichtlichen Sammlung des Beweismaterials und des Prozessstoffs gedient. Solche vor- bzw außerprozessuale Kosten teilten grundsätzlich das Schicksal der Prozesskosten, seien also in die Kostennote aufzunehmen und nach den allgemeinen Regeln über den Prozesskostenersatz zu behandeln. Wurden sie dennoch als Teil der Hauptforderung geltend gemacht, so sei der Rechtsweg unzulässig. Nach der Rechtsprechung ziehe der Zuspruch vor- oder außerprozessualer Kosten in Urteilsform dessen Nichtigkeit nach sich.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Rekurs des Klägers ist berechtigt. Gemäß § 42 Abs 1 JN hat das angerufene Gericht in jeder Lage des Verfahrens seine Unzuständigkeit und gegebenenfalls die Nichtigkeit des vorangegangenen Verfahrens sofort durch Beschluss auszusprechen, wenn die anhängig gewordene Rechtssache der inländischen Gerichtsbarkeit oder doch den ordentlichen Gerichten entzogen ist. Gemäß Abs 3 dieser Gesetzesstelle kann ein Ausspruch im Sinn des Abs 1 nicht erfolgen, wenn diesem in Ansehung des Grundes der Nichtigkeit eine von demselben oder von einem anderen Gericht gefällte, noch bindende Entscheidung entgegensteht. Nach ständiger Rechtsprechung können somit in diesem Fall Prozesshindernisse in höherer Instanz auch von Amts wegen nicht mehr wahrgenommen werden (RIS-Justiz RS0035572). Dieser Ausschluss der Wahrnehmbarkeit unter anderem auch der Unzulässigkeit des Rechtswegs wurde in der Rechtsprechung jedenfalls auch dann bejaht, wenn die Gerichte zwar nicht spruchgemäß, aber doch in eindeutiger Form über die Einrede des Beklagten erkannt haben (Mayr in Rechberger ZPO2 § 42 JN Rz 11 mwN; SZ 68/204; 9 ObA 169/94; 2 Ob 232/98a u.a.).

Im hier zu beurteilenden Fall hat der Beklagte nach Ausdehnung des Klagebegehrens durch den Kläger in der Verhandlungstagsatzung vom 3. 6. 1997 ausdrücklich vorgebracht, mit dem Klagebegehren würden vorprozessuale Kosten geltend gemacht. Er hat damit ausreichend deutlich die Unzulässigkeit des Rechtswegs eingewendet. Das Erstgericht und mit besonderer Deutlichkeit das Rekursgericht haben demgegenüber ihre Rechtsansicht verdeutlicht, auch der Anspruch auf Ersatz des gezahlten Honorars fuße auf dem Titel des Schadenersatzes. Mit dem Beschluss des Rekursgerichts (ON 16) wurde somit zwar implizit, jedoch ausreichend deutlich die erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs verworfen. Damit entfaltet diese Entscheidung die in § 42 Abs 3 JN angeordnete Bindungswirkung. Die im Revisionsrekurs zitierte Entscheidung 3 Ob 512/94 ist nicht einschlägig, weil dort eine a-limine Zurückweisung zu beurteilen war. In einem derartigen Fall kann die Bindungswirkung schon deshalb nicht eintreten, weil es dem Beklagten verwehrt war, sich am Prüfungsverfahren zu beteiligen (RIS-Justiz RS0039200). Dem Rekurs ist Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung ist gemäß § 52 Abs 1 ZPO vorzubehalten, weil zur Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs keine widerstreitenden Anträge gestellt worden waren (vgl M. Bydlinski, Prozesskostenersatz, 357), sondern das Berufungsgericht die von ihm angenommene Rechtswegunzulässigkeit amtswegig aufgegriffen hat (vgl 3 Ob 27/95).

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