OGH 3Ob512/94

OGH3Ob512/9419.10.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Gerstenecker und Dr.Pimmer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Georg H*****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr.Giger, Dr.Ruggenthaler & Dr.Simon Partnerschaft, in Wien, wider die beklagte Partei Anais Araksi H*****, vertreten durch Dr.Alfred Fürst, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 1,000.000,- sA, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 20. Jänner 1994, GZ 1 R 238,239/93-36, womit das angefochtene Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 22.August 1993, GZ 11 Cg 57/93-27, in der Abweisung des auf § 27 Abs 1 Z 1 MRG gestützten Begehrens als nichtig aufgehoben und die Klage insoweit zurückgewiesen wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 20.419,20 (darin enthalten S 3.403,20 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger brachte zuerst am 27.2.1990 beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien (zu 48 C 123/90) gegen die Beklagte eine Klage auf Zahlung von S 1,000.000,- sA ein; er brachte vor, die Beklagte habe diesen Betrag für die Aufgabe der Mietrechte an einem Lokal gefordert, das der Kläger für ein gastronomisches Unternehmen anmieten wollte. Es sei zwar ein Notariatsakt über den Erwerb der Geschäftsanteile an der S***** GmbH durch den Kläger errichtet worden; ausschließlicher Zweck der Vereinbarung sei jedoch der Erwerb der Mietrechte gewesen. Der Kläger stütze sein Klagebegehren auf jeden erdenklichen Rechtsgrund, insbesondere auf § 27 Abs 1 Z 1 MRG.

Die Beklagte erhob die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit; es handle sich um eine Streitigkeit aus der Übertragung von Geschäftsanteilen, somit aus einem Handelsgeschäft; nach § 51 JN sei die Zuständigkeit des Handelsgerichtes gegeben.

Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien wies diese Klage mit Beschluß vom 10.4.1991 wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück; es vertrat die Rechtsansicht, daß es zur Begründung der ausschließlichen Zuständigkeit des Bezirksgerichtes nicht ausreiche, wenn § 27 MRG nur "insbesondere" herangezogen werde. In erster Linie fechte der Kläger die Rechtswirksamkeit des Notariatsaktes an, "um dadurch zu der von ihm behaupteten verbotenen Ablöse zu gelangen".

Den dagegen erhobenen Rekurs des Klägers wies bereits das Erstgericht mit Beschluß vom 2.5.1991 als gemäß § 45 JN unzulässig zurück.

Hierauf brachte der Kläger am 4.7.1991 eine weitere Klage mit im wesentlichen gleicher Klagserzählung und dem gleichen Klagebegehren auf Zahlung von S 1,000.000,- sA zu 16 Cg 188/91 beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien ein. Zur Zuständigkeit wies er auf den rechtskräftigen Zurückweisungsbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien hin. Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien habe zwar nicht ausgesprochen, welches Gericht seiner Meinung nach zuständig sei; es habe jedoch die Meinung vertreten, daß die Zuständigkeit für die Rückabwicklung des Kaufes von GmbH-Anteilen maßgebend sei. Für solche Rückabwicklungen sei das allgemeine Gericht zuständig; auf Grund der Bindung an die Unzuständigkeitsentscheidung sei die Zuständigkeit des Landesgerichtes für ZRS Wien gegeben. Da die Zuständigkeit der Schlichtungsstelle lediglich an die Stelle der Zuständigkeit des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien getreten sei, erstrecke sich die Unzuständigkeitsentscheidung des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien auch auf die Schlichtungsstelle.

Das Landesgericht für ZRS Wien wies die Klage mit Beschluß vom 9.7.1991, ON 2, wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück; zuständig sei das Bezirksgericht; die Zurückweisung einer gleichlautenden Klage durch das Bezirksgericht Innere Stadt Wien sei nicht bindend.

Dem dagegen erhobenen Rekurs des Klägers gab das Oberlandesgericht Wien als Rekursgericht mit Beschluß vom 8.10.1991, 18 R 159/91-5, Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über die Klage auf. Die Entscheidung des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien über seine sachliche Unzuständigkeit sei gemäß § 46 Abs 1 JN bindend. Zwar seien seit 1.3.1991 gemäß § 37 MRG Rückforderungsansprüche in das Außerstreitverfahren verwiesen; nur für an diesem Tag gerichtsanhängige Verfahren sei weiterhin der Rechtsweg zulässig. Der Wahrnehmung der Nichtigkeit stehe aber die rechtskräftige Entscheidung des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 10.4.1991 entgegen, das zwar lediglich ausdrücklich über seine Zuständigkeit abgesprochen habe, darin aber auch implicite den Rechtsweg für zulässig erachtet habe.

Die Beklagte beantragte in der Klagebeantwortung die Entscheidung durch den Senat und erhob die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit; nach § 51 JN sei das Handelsgericht Wien zuständig; der Kläger sei als Kaufmann aufgetreten, sodaß es sich bei dem notariellen Abtretungsvertrag um ein Handelsgeschäft handle. Weiters bestritt die Beklagte das Klagsvorbringen und beantragte Klagsabweisung.

In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 23.3.1992 beantragte der Kläger "für den Fall, daß das Gericht seine sachliche Unzuständigkeit ausspricht und die Klage zurückweist", die Überweisung der Rechtssache an das Handelsgericht Wien. Das Landesgericht für ZRS Wien faßte den Beschluß auf abgesonderte Verhandlung über die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit. Mit Beschluß vom 4.9.1992 (ON 13) erklärte sich das Landesgericht für ZRS Wien für sachlich unzuständig und überwies die Rechtssache gemäß § 261 Abs 6 ZPO an das Handelsgericht Wien.

Das Handelsgericht Wien wies mit Urteil vom 22.8.1993 die Klage ab; es vertrat die Rechtsansicht, daß keine verbotene Vereinbarung im Sinn des § 27 MRG vorliege.

Der Kläger erhob gegen dieses Urteil Berufung.

Das Berufungsgericht hob aus Anlaß dieser Berufung das Urteil, insoweit sich die Berufung gegen die Abweisung des auf § 27 Abs 1 Z 1 MRG gestützten Begehrens wendet, als nichtig auf und wies die Klage zurück. Nach § 27 Abs 1 Z 1 MRG idF des 2.WÄG seien Vereinbarungen, wonach der neue Mieter dafür, daß der frühere Mieter den Mietgegenstand aufgibt oder sonst ohne gleichwertige Gegenleistung dem Vermieter, früheren Mieter oder einem anderen etwas zu leisten hat, ungültig und verboten. Rückforderungsansprüche seien gemäß § 37 Abs 1 Z 14 MRG ausschließlich im außerstreitigen Verfahren geltend zu machen. Diese Rechtslage gelte gemäß Art V Abs 3 Z 3 des 2.WÄG für alle nach dem 1.3.1991 anhängig gemachten Verfahren. Für die erst im Juli 1991 eingebrachte Klage sei der Rechtsweg unzulässig.

Dagegen richtet sich der Rekurs des Klägers, der gemäß § 519 Abs 1 ZPO jedenfalls zulässig ist. In diesem Fall ist ein Ausspruch des Berufungsgerichtes entgegen der Ansicht des Klägers im Gesetz nicht vorgesehen (§ 500 Abs 3, § 526 Abs 3 ZPO).

Die Beklagte hat eine Rekursbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Das Prozeßhindernis der Unzulässigkeit des Rechtsweges kann gemäß § 42 Abs 3 JN in höherer Instanz nicht mehr wahrgenommen werden, wenn eine noch bindende Entscheidung entgegensteht. Es ist hier daher zu prüfen, ob eine solche bindende Entscheidung vorliegt.

Der Kläger vertritt die Rechtsansicht, der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 10.4.1991, mit dem es die - zuerst eingebrachte - Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit zurückgewiesen habe und damit implicite den Rechtsweg für zulässig erachtet habe, sei bindend. Bei dieser Argumentation übersieht der Kläger, daß er diese Klage bereits am 27.2.1990 eingebracht hatte. § 37 Abs 1 Z 14 MRG ist jedoch gemäß Art V Abs 3 Z 3 des 2.WÄG erst für nach dem 1.3.1991 anhängig gemachte Verfahren anzuwenden, und zwar ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der begehrten Leistung (WoBl 1993/99; WoBl 1993/100).

Eine bindende Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien, auf die sich der Kläger beruft, liegt ebenfalls nicht vor.

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht seinen Beschluß vom 8.10.1991, 18 R 159/91-5, über Rekurs des Klägers gegen einen Beschluß, mit dem seine Klage a limine zurückgewiesen wurde, getroffen. Damit liegt aber noch keine bindende Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges vor. Da die Prüfung der Zulässigkeit des Rechtweges anläßlich der Entscheidung über den Rekurs des Klägers gegen die a limine-Zurückweisung der Klage von Amts wegen vorgenommen wurde, war es der Beklagten verwehrt, sich am Prüfungsverfahren zu beteiligen (SZ 27/335; JBl 1967, 90; MietSlg 24.538; 3 Ob 69/92 Rechberger, Komm Rz 2 zu § 230 ZPO). Der gegenteiligen Ansicht von Fasching, ZPR2 Rz 231 und Komm I 262 ist der Oberste Gerichtshof auch in seinen letzten Entscheidungen nicht gefolgt (7 Ob 1572/93, 3 Ob 69/92). Diesem Beschluß des Rekursgerichtes vom 8.10.1991 kam daher eine bindende Wirkung für die Beklagte mangels ihrer Beteiligung nicht zu (EvBl 1979/5 = JBl 1978, 609; Mayr in Rechberger, Komm Rz 3 zu § 41 JN).

Wie der Oberste Gerichtshof aber bereits in der Begründung seines Judikates 61 neu = SZ 27/290 ausführte, ist das positive Ergebnis der Prüfung der Prozeßvoraussetzungen durch das Rekursgericht nach Zurückweisung der Klage durch das Erstgericht jedenfalls in keiner Weise bindend, eine unheilbare Unzuständigkeit könne auch weiterhin ohne Einrede des Beklagten wahrgenommen werden. Die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien vom 8.10.1991, 18 R 159/91-5 konnte im anschließenden zweiseitigen Verfahren weder es selbst noch weniger den Obersten Gerichtshof binden. Diese Rechtslage ist durchaus vergleichbar mit der mangelnden Bindung des Obersten Gerichtshofes an seine im Provisorialverfahren ausgesprochene Rechtsansicht ungeachtet gleicher Sachverhaltsgrundlage bei Entscheidung über das Klagebegehren (vgl JBl 1977, 156).

Das Berufungsgericht hat somit zulässigerweise das Vorliegen der Zulässigkeit des Rechtsweges (nun in geänderter Senatsbesetzung) neuerlich geprüft und zutreffend verneint.

Unzutreffend ist die Rechtsansicht des Klägers, das Berufungsgericht hätte die Rechtssache an das zuständige Bezirksgericht Innere Stadt Wien "in das Außerstreitverfahren überweisen" müssen.

Die vorliegende Klage kann nicht als - beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien einzubringender - Antrag nach § 37 Abs 1 Z 14 MRG behandelt werden. Für Wien besteht nämlich eine Schlichtungsstelle im Sinn des § 39 Abs 1 MRG, bei der ein Verfahren über einen Antrag nach § 37 Abs 1 MRG bei sonstiger Unzulässigkeit auch des außerstreitigen Rechtsweges eingeleitet werden müßte (vgl WoBl 1993/100). Eine Umdeutung der Klage nach § 40a JN kommt hier nicht in Frage, weil eine Überweisung nach § 44 JN an die Schlichtungsstelle ausgeschlossen ist (Simotta, Das Vergreifen in der Verfahrensart und seine Folgen (§ 40aJN), FS-Fasching 463 [464 f]).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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