OGH 8Ob58/02s

OGH8Ob58/02s8.8.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*****, vertreten durch Wolf Theiss & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Natalie St*****, vertreten durch Dr. Gunter Granner, Rechtsanwalt in Wien, und 2.) Wolfgang H*****, vertreten durch Dr. Wilhelm Frysak, Rechtsanwalt in Wien, sowie den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Parteien Dr. Werner Stanek als Masseverwalter im Konkurs der N***** GesmbH, ***** wegen EUR 36.336,42 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 8. November 2001, GZ 3 R 92/01f-49, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 2. November 2000, GZ 40 Cg 1/99v-38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen. Die erstbeklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Im Jahre 1995 verdiente die damals 22jährige Erstbeklagte S 7.000 netto monatlich; ihr Lebensgefährte, der damals 46 jährige Zweitbeklagte, hatte eine variables Einkommen auf Provisionsbasis zwischen 10.000 S und 15.000 S monatlich, verfügte aber sonst über keine Vermögenswerte und war auch nicht kreditwürdig. Er brachte die Erstbeklagte mit dem Geschäftsführer eines Lokals - einem langjährigen Bekannten des Zweitbeklagten - zusammen. Der Zweitbeklagte wollte von diesem Geschäftsführer das Lokal übernehmen, um sich mit der Erstbeklagten eine gemeinsame Zukunft aufzubauen. Der Zweitbeklagte sollte 80 % einer GesmbH von diesem Geschäftsführer zu einem Preis von S 200.000 übernehmen. Diese GesmbH sollte dann das Lokal pachten. Deren damaliger Geschäftsführer und Gesellschafter sollte neben dem Übernahmepreis von S 200.000 auch noch eine Kaution von S 1,000.000 in Form eines Sparbuches erhalten.

Der Geschäftsführer führte die beiden Beklagten dann in eine Filiale der klagenden Bank zu einem von deren Bediensteten, den der Geschäftsführer schon 20 Jahre kannte und dem die wirtschaftlichen Zusammenhänge erläutert wurden. Dort wurde der Erstbeklagten, die später in dem Lokal als Kellerin arbeiten, aber sonst keine Funktion haben sollte, nicht nur von ihrem Lebensgefährten und dem Geschäftsführer, sondern auch von dem Mitarbeiter der Klägerin versichert, dass sie im Zusammenhang mit der Finanzierung nur einen Kreditvertrag unterschreiben müsse, damit das "Kind einen Namen " habe, aber den Kredit nicht zurückzahlen brauche; dies sollte die GesmbH übernehmen. Eine Überprüfung der Vermögensverhältnisse der Erstbeklagten erfolgte nicht, wohl aber jener der GesmbH. Um dem kreditunwürdigen Zweitbeklagten einen Kredit einzuräumen und die Zahlung der Kaution zu ermöglichen wurde dann in einem Kreditvertrag der Erstbeklagten ein Kredit in Höhe von S 1,000.000 mit einem Auszahlungsbetrag von S 992.000 zu Konto Nr. 300462-85142 eingeräumt, für den der Zweitbeklagte und die GesmbH als Bürge und Zahler haften. Den zur Besicherung dieses Kredites ausgestellten Blankowechsel unterschrieben die Erstbeklagte als Annehmerin, der Zweitbeklagte und die GesmbH als Bürgen. In diesem Zusammenhang unterschrieb die Erstbeklagte auch einen Auszahlungsbeleg. Die Erstbeklagte erhielt die Kreditsumme jedoch weder bar noch durch Überweisung auf ein ihr zugehöriges Konto zugezählt, was sie auch gar nicht erwartete, da der Kreditvertrag und der Wechsel für sie nur eine Formsache waren. Mit der auszubezahlenden Kreditsumme wurde ein Sparbuch eröffnet und dieses dem Geschäftsführer übergeben, wobei nicht festgestellt werden konnte durch wen. Dieses Sparbuch wurde bereits wenige Tage später geschlossen. Die Kreditraten wurden von der GesmbH bis März 1998 bezahlt. Am 3. 9. 1998 wurde über ihr Vermögen das Konkursverfahren eröffnet. Der Zweitbeklagte, der 1995 die Geschäftsführung übernommen hatte, wurde gemäß §§ 159 Abs 1 Z 1 und 2 , 161 Abs 1 StGB sowie § 114 Abs 1 und 2 ASVG zu 4 Monaten bedingter Freiheitsstrafe verurteilt.

Die klagende Bank begehrt nunmehr aus dem vereinbarungsgemäß in Höhe von S 1.043.995,97 ausgefüllten Wechsel einen Teilbetrag von S 500.000,-. Die Darlehensvaluta sei an die Erstbeklagte ausgeschüttet worden. Diese sie auch wirtschaftlich beteiligt gewesen. Ein Verletzung von Aufklärungpflichten durch die Klägerin ist nicht erfolgt.

Die Erstbeklagte wendete zusammengefasst ein, dass ihr die Darlehensvaluta überhaupt nicht zugezählt worden sei. Sie sei nur formal als Kreditnehmerin vorgeschoben worden. Es handle sich um ein Scheingeschäft. Die Kaution sei auch gar nicht der Verpächterin zugutegekommen. Die Klägerin habe auch ihre Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten mehrfach verletzt. Die Inanspruchnahme der Beklagten sei sittenwidrig. Der Nebenintervenient brachte auch noch vor, dass der Darlehensbetrag im Wesentlichen der Klägerin selbst zur Abdeckung offener Forderungen gegen den früheren Geschäftsführer der GesmbH zugute gekommen sei.

Das Erstgericht hielt den Wechselszahlungsauftrag zwar gegen den Zweitbeklagten aufrecht, hob ihn aber gegenüber der Erstbeklagten auf. Es begründete dies hinsichtlich der Erstbeklagten rechtlich im Wesentlichen damit, dass zwar kein Scheingeschäft vorliege. Die von der Judikatur für die Sittenwidrigkeit von Haftungsübernahmen von Angehörigen entwickelten Grundsätze seien aber auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Auch die nahezu vermögens- und einkommenslose Erstbeklagte haben sich gegenüber ihrem wesentlich älteren Lebensgefährten in einer psychischen Zwangslage befunden und sei überdies auch noch durch die Bezeichnung als bloße "Formalsache" zur Unterschrift angehalten worden. Ein materielles Eigeninteresse an dem Kredit habe sie schon deshalb nicht gehabt, da sie weder an der Gesellschaft beteiligt gewesen sie, noch über das Geld habe verfügen können.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Klägerin nicht Folge. Es schloss sich im Wesentlichen der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes an. Wollte man die Judikatur zur Sittenwidrigkeit bestimmter Angehörigenbürgschaften nicht auch auf einen Fall wie den vorliegenden übertragen, so könnte diese leicht umgangen werden. Konkret sei hier von einem krassen Missverhältnis zwischen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Erstbeklagten und dem Kreditvolumen auszugehen. Auch mangle es an einem wirtschaftlichen Eigeninteressse der Erstbeklagten, da ihr der Vorteil aus dem Kredit nicht unmittelbar zugutegekommen sei. Durch das Herunterspielen des Risikos als bloße "Formsache" durch die wesentlich älteren Gesprächspartner sei die Erstbeklagte auch in eine psychische Zwangslage versetzt worden.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht mangels Vorliegens einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, inwieweit die Grundsätze der Sittenwidrigkeit von Angehörigenbürgschaften auch auf die Verbindlichkeiten des Hauptschuldners übertragen werden können, als zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Klägerin ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichtes mangels Vorliegens einer Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Die von der Klägerin als Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO relevierte Frage, inwieweit auch auf Verbindlichkeiten von Hauptschuldnern die Grundsätze der Judikatur zur Sittenwidrigkeit von Angehörigen - Interzessionsgeschäften - (vgl dazu allgemein RIS-Justiz RS0048312; RS0110302, RS0048300, RS0048309 jeweils mit zahlreichen wN insb aber auch auf die grundsätzliche E SZ 68/64) anwendbar ist, bedarf hier gar keiner Beantwortung. Voraussetzung der Forderungen der Klägerin aus dem Kreditvertrag ist die Zuzählung der Valuta aus dem Kreditvertrag an die Erstbeklagte. Die Zuzählung eines in einem Geldkreditvertrag zugesagten Betrags erfolgt nicht schon durch die Gutschrift des kreditierten Betrages auf einem Konto des Kreditnehmers bei der Bank (vgl OGH 16. 2. 2000 7 Ob 335/99m = ÖBA 2000/913 mwN = Koziol in Avancini/Iro/Koziol Bankvertragsrecht II Rz 1/9). Alleine durch die Eröffnung des Kreditkontos ist also eine Zuzählung nicht erfolgt. Diese sollte nach dem Kreditvertrag (vgl Beil ./D) durch Barzahlung erfolgen. Genau diese Barzahlung an die Beklagte wurde aber von ihr bestritten und konnte von der Klägerin nicht nachgewiesen werden. Das in der Quittung liegende Geständnis des Gläubigers über die Zahlung kann nach ständiger Judikatur durch den Nachweis entkräftet werden, dass die Schuld zur Zeit der Quittungserteilung noch bestanden hat (vgl RIS Justiz RS0033779 mwN; ebenso Reischauer in Rummel ABGB2 § 1426 Rz 9; Harrer/Heidinger in Schwimann ABGB2 § 1426 Rz 5). Dieser Beweis des Gegenteils ist der Erstbeklagten hier gelungen. Damit mangelt es aber schon an der Zuzählung des im Kreditvertrag vereinbarten Betrages an die Erstbeklagte. Die von der Klägerin relevierte Frage, inwieweit die Erstbeklagte gegen einen auf den Kreditvertrag gestützten Forderungsanspruch die Sittenwidrigkeit des Kreditvertrages nach den Grundsätzen der Judikatur zur Sittenwidrigkeit von Angehörigen - Interzessionsgeschäften einwenden könnte, stellt sich also gar nicht.

Die in der Revision aufgeworfene Frage muss aber, um als Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO gelten zu können, zur Lösung des konkreten Falles erforderlich sein (vgl etwa MGA ZPO15 § 502 E 9 mwN = EFSlg 88.155, EFSlg 91.021).

Insgesamt gelingt es daher der Klägerin bezogen auf den konkret festgestellten Sachverhalt nicht, eine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO darzustellen.

Die Revision war daher ungeachtet des den Obersten Gerichtshofes nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichtes zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 50 und 40 ZPO. Die Erstbeklagte hat weder auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen noch einen Antrag auf Zurückweisung der Revision gestellt.

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