OGH 6Ob120/02v

OGH6Ob120/02v20.6.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Außerstreitsache der im Firmenbuch des Landesgerichtes Klagenfurt zu FN 141354z eingetragenen Rosa S***** Privatstiftung mit dem Sitz in Klagenfurt-Viktring, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Stifterin Rosa S*****, vertreten durch die Sachwalterin Mag. Ingeborg Haller, Rechtsanwältin in Salzburg, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 21. März 2002, GZ 4 R 50/02h-12, womit über den Rekurs der Stifterin der Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom 8. Februar 2002, GZ 5 Fr 5338/01s-9, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Unterbrechungsantrag der Privatstiftung abgewiesen wird.

Text

Begründung

Die Stifterin der am 4. 10. 1995 errichteten Privatstiftung hat ein eingeschränktes Widerrufsrecht für den Fall, dass alle Vorstandsmitglieder der Stiftung vom Gericht abberufen werden. Der Stifterin wurde am 8. 1. 1999 eine Sachwalterin bestellt, deren Aufgabenkreis die Einkommens- und Vermögensverwaltung, die Vertretung vor Ämtern, Behörden und Gerichten sowie die Sicherstellung der notwendigen Personensorge und die Besorgung sämtlicher Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Privatstiftung umfasst. Die drei Vorstandsmitglieder des Stiftungsvorstandes wurden wegen einer Interessenkollision mit dem Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 14. 12. 2000, 6 Ob 278/00a, abberufen. Dieser Beschluss wurde der Sachwalterin der Stifterin am 14. 2. 2001 zugestellt. Der Stiftungsrat bestellte am 10. 2. 2001 einen neuen, aus drei Personen bestehenden Stiftungsvorstand. Dieser wurde im Firmenbuch eingetragen. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel der Stifterin blieben erfolglos. Mit Notariatsakt vom 1. 3. 2001 widerrief die durch ihre Sachwalterin vertretene Stifterin die Stiftung gemäß § 34 PSG und beauftragte den Stiftungsvorstand mit der Auflösung, Abwicklung und Löschung der Privatstiftung. Der Widerruf wurde den im Firmenbuch eingetragenen Vorstandsmitgliedern bekannt gegeben. Diese fassten keinen Auflösungsbeschluss.

Die Stiftung brachte am 12. 4. 2001 gegen die Stifterin eine auf die Feststellung gerichtete Klage ein, dass der im Notariatsakt vom 1. 3. 2001 erklärte Widerruf der Stiftung unzulässig und rechtlich unwirksam sei. Die Stifterin sei zum Zeitpunkt des Widerrufs geschäftsunfähig gewesen. Der Widerruf sei ein höchstpersönliches Recht. Zum Widerrufszeitpunkt sei bereits ein neuer Vorstand bestellt gewesen, sodass keine Voraussetzung für einen rechtswirksamen Widerruf der Stiftung gegeben sei. Der Widerruf widerspreche auch dem Stifterwillen, das Stiftungsvermögen armen, kranken und notleidenden Kindern zukommen zu lassen.

Mit dem am 19. 7. 2001 beim Erstgericht eingelangten Antrag beantragte die Stifterin, die Stiftung aufzulösen "und zur Eintragung in das Firmenbuch anzumelden". Der Stiftungsvorstand habe entgegen der Bestimmung des § 35 Abs 2 PSG keinen Auflösungsbeschluss gefasst, obwohl ihm ein zulässiger Widerruf zugegangen sei. Das Sachwaltergericht genehmigte diesen Antrag der Stifterin mit Beschluss vom 11. 7. 2001.

Die Stiftung äußerte sich zum Antrag dahin, dass kein zulässiger Widerruf der Stifterin vorliege und begründete dies im Wesentlichen mit den in der Klage angeführten Gründen. Die Stiftung stellte hilsfweise den Antrag, das Firmenbuchverfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung des anhängigen Prozesses zu unterbrechen. Das Erstgericht unterbrach das Verfahren auf Eintragung der Auflösung der Privatstiftung gemäß § 19 Abs 1 FBG bis zur rechtskräftigen Entscheidung des nunmehr beim Landesgericht Klagenfurt anhängigen Prozesses. Für die Eintragung der Auflösung der Privatstiftung sei die Vorfrage wesentlich, ob der Widerruf der Stiftung zulässig oder unzulässig gewesen sei. Die im Firmenbuchverfahren zu treffende Entscheidung hänge von der Entscheidung im Zivilprozess über die Zulässigkeit des Widerrufs ab.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Stifterin nicht Folge. Die Bestimmung des § 19 Abs 1 FBG sei eine Kann-Bestimmung. Das Gericht habe von einer Unterbrechung abzusehen, wenn das rechtliche oder wirtschaftliche Interesse an einer raschen Erledigung erheblich überwiege. Im Fall einer Unterbrechung nach § 190 Abs 1 ZPO habe das Gericht nach freiem Ermessen zu entscheiden und im Rahmen einer Interessensabwägung die Zweckmäßigkeitsgründe zu prüfen. Für die Unterbrechung eines Eintragungsverfahrens sei die Präjudizialität einer in einem anderen anhängigen Gerichtsverfahren zu entscheidenden wesentlichen Vorfrage Voraussetzung. Gemäß § 34 PSG könne ein Stifter eine Privatstiftung nur dann widerrufen, wenn er sich den Widerruf in der Stiftungserklärung vorbehalten habe. Sobald dem Stiftungsvorstand ein zulässiger Widerruf zugegangen sei, habe er einen einstimmigen Auflösungsbeschluss zu fassen, wodurch die Privatstiftung aufgelöst werde. Wenn ein einstimmiger Auflösungsbeschluss nicht zustandekomme, könne der Stifter nach § 35 Abs 3 PSG die Auflösung durch den Gerichtshof erster Instanz beantragen, der darüber gemäß § 40 PSG im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden habe. Vorfrage für die gemäß § 35 Abs 3 PSG im außerstreitigen Verfahren zu treffende Entscheidung des Firmenbuchgerichts über die Auflösung der Privatstiftung sei das Vorliegen eines zulässigen Widerrufs. Diese Frage sei Hauptfrage des anhängigen Prozesses. § 19 Abs 1 FBG sei im Verfahren nach § 35 Abs 3 PSG direkt anwendbar. Selbst wenn man dies verneinte, käme eine Unterbrechung analog § 190 ZPO in Frage. Ob auch über den Feststellungsanspruch im außerstreitigen Verfahren abzusprechen sei, müsse das Prozessgericht entscheiden. Bei der hier vorzunehmenden Interessenabwägung in der Frage der Unterbrechung des außerstreitigen Verfahrens könne von vorneherein noch nicht von einer Unzulässigkeit des Rechtswegs ausgegangen werden.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt die Stifterin die Abänderung dahin, dass der Unterbrechungsantrag der Stiftung abgewiesen werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist mangels einschlägiger Rechtsprechung zulässig und auch berechtigt.

Die Revisionsrekurswerberin steht zusammengefasst auf dem Standpunkt, dass über den Auflösungsgrund (zulässiger Widerruf der Stifterin und Nichtfassung eines Auflösungsbeschlusses durch den Stiftungsvorstand) im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden sei. Das Verfahren nach § 35 Abs 3 PSG sei kein Eintragungsverfahren, sodass die Unterbrechungsbestimmung des § 19 FBG nicht anzuwenden sei. Für die Beurteilung der Frage, ob ein zulässiger Widerruf der Stiftung vorliege, sei das streitige Verfahren unzulässig.

Klarzustellen ist, dass die Vorinstanzen das gesamte Verfahren über den Antrag der Stifterin auf Auflösung der Privatstiftung unterbrochen haben und nicht etwa nur das Verfahren über den Antrag, die Auflösung "zur Eintragung in das Firmenbuch anzumelden". Auch wenn der Wortlaut des Unterbrechungsbeschlusses des Erstgerichtes in die gegenteilige Richtung weist, geht doch aus seiner Begründung hervor, dass es über den Auflösungsantrag der Stifterin erst nach der Rechtskraft der Entscheidung im anhängigen Prozess entscheiden will. Die antragstellende Stifterin gründet ihren Auflösungsantrag auf den Widerruf der Privatstiftung (§ 34 PSG) und die Nichtfassung eines einstimmigen Auflösungsbeschlusses durch den Stiftungsvorstand (§ 35 Abs 2 Z 1 PSG). Darüber hat das Gericht (§ 35 Abs 3 PSG) grundsätzlich im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden:

§ 40 PSG verweist alle im PSG dem Gericht zugewiesenen Angelegenheiten in das außerstreitige Verfahren, soferne sie nicht (vom Gesetz) dem Prozessgericht zugewiesen sind. Dieser Auffangtatbestand zu Gunsten der außerstreitigen Gerichtsbarkeit ist nach den Gesetzesmaterialien zu § 40 PSG den Bestimmungen des § 14 AktG und § 276 HGB nachgebildet (RV 1132 BlgNR 18. GP). Die RV erwähnt ausdrücklich die Auflösung der Privatstiftung als eine in das außerstreitige Verfahren verwiesene Angelegenheit. Eine gesetzliche Zuweisung dieser Angelegenheit an das Prozessgericht existiert nicht.

§ 35 Abs 2 PSG normiert eine Verpflichtung des Stiftungsvorstands zur Fassung eines einstimmigen Auflösungsbeschlusses (arg.: "hat" ...), wenn ihm ein zulässiger Widerruf des Stifters zugegangen ist. Dass im Verfahren nach § 35 Abs 3 PSG die Frage der Zulässigkeit des Widerrufs im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden ist, ergibt sich schon aus der Anführung in der genannten Gesetzesstelle als Auflösungsgrund. Die Ansicht, darüber sei im ordentlichen Rechtsweg zu entscheiden, machte das außerstreitige Verfahren zu einem bloßen Beurkundungsakt über unstrittige Tatsachen und Rechtsfragen. Für den Vorrang des außerstreitigen Verfahrens spricht die nachvollziehbare gesetzgeberische Absicht:

Zu § 14 AktG nimmt der Oberste Gerichtshof an, dass damit der gegenteiligen Verweisungsregel des § 1 AußStrG (die einen Vorrang des streitigen Verfahrens normiert) derogiert wurde (EvBl 1990/47; Riel in Doralt/Nowotny/Kalss PSG Rz 5 zu § 14). Gleiches muss für die nachgebildete Vorschrift des § 40 PSG gelten. Auch wenn die Abgrenzung im Einzelfall schwierig sein mag und es auch Fälle einer echten Entscheidungskonkurrenz zwischen dem Prozessgericht und dem Außerstreitgericht gibt (vgl Jabornegg in Schiemer/Jabornegg/Strasser, AktG3 Rz 18 zu § 14), kann es hier nicht zweifelhaft sein, dass das Außerstreitgericht zur Entscheidung über die Auflösung der Privatstiftung berufen und zur Prüfung der Frage der Zulässigkeit des Widerrufs der Stiftung legitimiert ist. Diese Prüfung hat zunächst der Stiftungsvorstand selbst vorzunehmen (Berger in Doralt/Nowotny/Kalss, PSG Rz 6 zu § 34 und Riel, ebendort Rz 19 zu § 35) und danach zu entscheiden, ob er einen einstimmigen Auflösungsbeschluss fasst oder nicht. Ob der Stiftungsvorstand richtig entschieden hat, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle in dem auf Antrag (§ 35 Abs 3 PSG) eingeleiteten Verfahren nach § 40 PSG (Riel aaO). Das Außerstreitgericht entscheidet sowohl über Auflösungsbeschlüsse des Stiftungsvorstandes als auch über die Auflösung wegen Nichtfassung eines Auflösungsbeschlusses. Die Regierungsvorlage erwähnt zu § 35 Abs 3 PSG ausdrücklich, dass ein zu Unrecht gefasster Beschluss des Stiftungsvorstandes im außerstreitigen Verfahren angefochten werden kann. Ob neben dem außerstreitigen Verfahren auch ein streitiger Prozess über dieselben Rechtsfragen zulässig ist, braucht in der hier allein strittigen Frage der Unterbrechung des außerstreitigen Verfahrens nicht beurteilt zu werden.

§ 40 PSG normiert die Zuständigkeit des für den Sitz der Privatstiftung in Handelssachen zuständigen Gerichtshofs, der mit dem Firmenbuchgericht identisch ist. Damit ist noch nichts über die Anwendbarkeit der Verfahrensbestimmungen des FBG ausgesagt. Das Verfahren über die Auflösung der Stiftung ist kein Eintragungsverfahren. Ob die Bestimmungen des FBG oder nur die Bestimmungen des AußStrG anzuwenden sind, ist in der Lehre strittig (Riel aaO Rz 4 zu § 40 mwN). Hier ist es aber gar nicht entscheidend, ob § 19 FBG, der die Unterbrechung eines Eintragungs- oder Löschungsverfahrens regelt, oder aber (im Sinne der vom Rekursgericht zitierten Entscheidung 6 Ob 2016/96f) § 190 ZPO analog anwendbar ist. Wesentlich ist, dass in beiden Fällen für eine Unterbrechung triftige Zweckmäßigkeitsgründe sprechen müssen und dass die Abwägung der Interessen des Antragstellers im außerstreitigen Verfahren gegenüber denjenigen des Prozessgegners zu dessen Gunsten ausschlägt. Schon die Prüfung dieser Frage verbietet hier ein Zuwarten mit dem außerstreitigen Verfahren nach § 40 PSG:

Die Zulässigkeit des Widerrufs der Privatstiftung ist eine im Auflösungsverfahren zu entscheidende Hauptfrage, nämlich die Frage nach dem Auflösungsgrund. Im Feststellungsprozess wurden von der Privatstiftung dieselben Rechtsfragen releviert. Die von der Stiftung ins Treffen geführten Rechtsfragen zur Höchstpersönlichkeit des Widerrufsrechts, zur "Vertretungsfeindlichkeit" der Widerrufserklärung, zur Auslegung des Stifterwillens und zum Wegfall des Widerrufsgrundes wegen der schon erfolgten Bestellung eines neuen Stiftungsvorstandes können auf der Basis eines nach der Aktenlage ohnehin schon weitgehend feststehenden und unstrittigen Sachverhalts entschieden werden. Für eine Verfahrensunterbrechung besteht daher kein Anlass.

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