OGH 1Ob106/02y

OGH1Ob106/02y11.6.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Kosch & Partner, Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, wider die beklagte Partei Dr. Peter P*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Gottfried und der Johanna P*****, beide ***** wegen Aufkündigung infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 18. Februar 2002, GZ 17 R 448/01f-16, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 6. September 2001, GZ 8 C 177/01i-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen; die Entscheidung über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung der klagenden Partei bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Begründung

Am 19. 5. 1999 wurde über das Vermögen des Gottfried P***** der Konkurs eröffnet. Die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens über das Vermögen der Johanna P***** und der Entzug der Eigenverwaltung erfolgten mit Beschluss vom 20. 5. 1999. In beiden Verfahren wurde der Beklagte zum Masseverwalter bestellt. Am 22. 8. 2001 kündigte die klagende Partei mit einer gegen die Gemeinschuldner gerichteten Aufkündigung den mit diesen über ein Geschäftslokal geschlossenen Mietvertrag zum 31. 12. 2001 auf und beantragte, ihnen aufzutragen, das Bestandobjekt binnen 14 Tagen zu übernehmen. Auftragsgemäß trug das Erstgericht den Gemeinschuldnern mit Beschluss vom 27. 8. 2001 die begehrte Übernahme auf. Die Aufkündigung wurde - wegen der Postsperre gemäß § 78 KO - dem Masseverwalter und nicht den Gemeinschuldnern zugestellt. Mit Schriftsatz vom 29. 8. 2001 teilte der Beklagte mit, dass über das Vermögen der Gemeinschuldner der Konkurs eröffnet worden sei; der Beschluss vom 27. 8. 2001 sei daher als nichtig aufzuheben und die Aufkündigung zurückzuweisen.

Das Erstgericht erklärte das bisherige Verfahren für nichtig und wies die gerichtliche Aufkündigung zurück. Es berief sich auf § 6 Abs 1 KO und führte aus, dass die Aufkündigung des Mietvertrags gegen den Masseverwalter hätte gerichtet werden müssen.

Das Rekursgericht stellte die Bezeichnung der beklagten Partei auf den Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der beiden Gemeinschuldner richtig, hob die Entscheidung des Erstgerichts auf und trug diesem die Fortsetzung des gesetzlichen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf; es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Konkurseröffnung berühre grundsätzlich Bestandverträge nicht; der Masseverwalter trete mit der Konkurseröffnung ipso iure in einen Bestandvertrag ein. Ein gegen den Gemeinschuldner in einer Aufkündigung erhobenes Begehren auf Übernahme eines Bestandobjekts sei als Konkursforderung zu qualifizieren, weil sie das zur Konkursmasse gehörige Vermögen betreffe. Gemäß § 6 Abs 1 KO könnten Rechtsstreitigkeiten, die die Geltendmachung von Ansprüchen auf das zur Konkursmasse gehörige Vermögen bezwecken, nach der Konkurseröffnung gegen den Gemeinschuldner weder anhängig gemacht noch fortgesetzt werden. Eine entgegen § 6 Abs 1 KO vom Gemeinschuldner oder gegen ihn eingebrachte Klage sei nach überwiegender Rechtsprechung zurückzuweisen. In den Fällen, in welchen ein Aussonderungs- oder Absonderungsanspruch oder eine nicht der Anmeldung unterliegende Konkursforderung geltend gemacht werde, sollte aber eine Berichtigung der Parteienbezeichnung vom Gemeinschuldner auf den Masseverwalter zulässig sein. Die Gemeinschuldner seien zum Zeitpunkt der Einbringung der Aufkündigung nicht mehr Bestandgeber gewesen; vielmehr sei der Masseverwalter kraft Gesetzes in den Bestandvertrag eingetreten. Die Aufkündigung habe sich daher nur gegen ihn richten können; daher sei die Berichtigung der Parteienbezeichnung auf den Masseverwalter - anstelle der Gemeinschuldner - zulässig.

Der Revisionsrekurs des Beklagten ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Gemeinschuldner hatten der klagenden Partei ein Geschäftslokal in Bestand gegeben. Gemäß § 24 Abs 1 KO trat der Masseverwalter mit der Konkurseröffnung kraft Gesetzes in diesen Bestandvertrag ein (immolex 2000, 73; 4 Ob 555/90; SZ 56/112; RZ 1976/80). Die Rechte an einem Bestandobjekt fallen - wie schon das Rekursgericht zutreffend ausführte - in die Konkursmasse, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Rechte des Bestandnehmers oder solche des Bestandgebers handelt. Demgemäß ist mit der hier vorliegenden Aufkündigung zur Konkursmasse gehöriges Vermögen im Sinne des § 6 Abs 1 KO streitverfangen (vgl 4 Ob 555/90), weshalb die Aufkündigung nicht an die Gemeinschuldner zu richten war, sondern an den Masseverwalter (SZ 69/70 uva), dem sie schließlich (infolge der Postsperre) auch zugestellt wurde.

Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob die gegen die Gemeinschuldner gerichtete Aufkündigung zurückzuweisen ist oder ob der klagenden Partei die Möglichkeit zur Berichtigung der Parteienbezeichnung offensteht. Hiezu ist auszuführen:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 6 Abs 1 KO können Rechtsstreitigkeiten, die die Geltendmachung oder Sicherstellung von Ansprüchen auf das zur Konkursmasse gehörige Vermögen bezwecken, nach der Konkurseröffnung gegen den Gemeinschuldner nicht anhängig gemacht werden. Die Rechtsprechung geht in der Regel davon aus, dass die mangelnde Fähigkeit des Gemeinschuldners zur Verfügung über die Konkursmasse ebenso wie der Mangel der Prozessfähigkeit in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen und gemäß § 477 Abs 1 Z 5 ZPO die Nichtigkeit des vom Mangel betroffenen Verfahrens durch Beschluss auszusprechen ist (EvBl 2002/16; SZ 69/70; SZ 66/52 ua).

In mehreren Entscheidungen (ZIK 1999, 196; SZ 68/210) hat der Oberste Gerichtshof in sehr verallgemeinernder Form auch ausgesprochen, dass die Berichtigung der Parteienbezeichnung einer entgegen § 6 Abs 1 KO nach Konkurseröffnung gegen den Gemeinschuldner eingebrachten Klage auf den Masseverwalter im Konkurs des Gemeinschuldners nicht zulässig sei. Das Höchstgericht hielt aber auch dafür, dass eine im Sinne des § 6 Abs 2 KO unrichtig gegen den Gemeinschuldner anhängig gemachte Klage auf den Masseverwalter als Partei - auf Antrag oder von Amts wegen - richtiggestellt werden könne, weil Aus- und Absonderungsansprüche im streitigen Verfahren nach § 6 Abs 2 KO gegen den Masseverwalter als gesetzlichen Vertreter der Masse zu richten seien und auf solche Ansprüche der Schutzzweck der Prozesssperre des § 6 Abs 1 KO nicht zutreffe (7 Ob 640/95 = RdW 1996, 314).

Der erkennende Senat pflichtet dieser Ansicht bei und vertritt darüber hinaus die Auffassung, dass eine Berichtigung der Parteibezeichnung vom Gemeinschuldner auf den Masseverwalter auch dann zulässig ist, wenn eine nicht der Anmeldung unterliegende Konkursforderung geltend gemacht wird. In einem solchen Fall mangelt es - ebenso wie bei der Geltendmachung von Aus- und Absonderungsansprüchen - zwar an der Prozessfähigkeit des Gemeinschuldners, es liegt aber nicht auch Unzulässigkeit des Rechtswegs vor (Schubert in Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen Rz 19 zu § 6 KO). Bereits in der Entscheidung SZ 68/210 hat der Oberste Gerichtshof ausgeführt, die Berichtigung der Parteibezeichnung auf den Masseverwalter könne dann nicht Platz greifen, wenn die Erhebung des Anspruchs im streitigen Verfahren unzulässig (der Anspruch vielmehr nur im "außerstreitigen Konkursverfahren" geltend zu machen) sei, wenngleich sich der Klagsanspruch offensichtlich nur gegen die Masse richte. Das legt den Schluss nahe, dass im Falle der zulässigen Erhebung eines Anspruchs im streitigen Verfahren einer Berichtigung der Parteibezeichnung nichts im Wege steht.

Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang auch der dem § 6 Abs 1 KO zu Grunde liegende Zweck der gemeinschaftlichen und gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger aus der Konkursmasse (Schubert aaO Rz 1 zu § 6 KO) und ferner, dass nicht durch Abführung verschiedener Rechtsstreitigkeiten außerhalb des Konkursverfahrens die einzelnen Anspruchsberechtigten einander den Vorrang ablaufen und ihre Lage gegenüber der Gesamtheit und zu deren Schaden zu verbessern trachten. Wo dieser Zweck - die gemeinschaftliche und gemeinsame Befriedigung - von vornherein ausgeschlossen ist, liegt kein Grund vor, die Austragung von Rechtsstreitigkeiten zu versagen (Lehmann, Kommentar zur österreichischen Konkurs-, Ausgleichs- und Anfechtungsordnung 64 f), ist also der Rechtsweg - wenn auch die Klage gegen den Masseverwalter zu richten ist - zulässig. Unter den im § 6 Abs 1 KO genannten Ansprüchen auf das zur Konkursmasse gehörige Vermögen, zu deren Durchsetzung Rechtsstreitigkeiten gegen den Gemeinschuldner - bei sonstiger Klagszurückweisung - nicht anhängig gemacht werden dürfen, sind somit nur solche zu verstehen, zu deren Verfolgung der Rechtsweg unzulässig wäre, die also der Anmeldung unterliegen (Denkschrift zur Einführung einer Konkursordnung, einer Ausgleichsordnung und einer Anfechtungsordnung, 16; Schubert aaO). Diese Ansicht dürfte übrigens auch der Entscheidung SZ 61/50 zu Grunde gelegen sein: Auch dort war ein Anspruch streitverfangen, der der Anmeldung im Konkurs nicht bedurfte, ermangelte der dort Beklagte infolge Konkurseröffnung der Prozessfähigkeit und war der Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des dortigen Beklagten zur Vertretung im anhängig gemachten Verfahren berufen; der Oberste Gerichtshof führte angesichts dieser Sachlage aus, es hätte "eine Richtigstellung der Parteienbezeichnung unter Anführung des Masseverwalters als Vertreter der Konkursmasse erfolgen müssen", er ging somit ohne jeden Zweifel von der Möglichkeit, ja dem Erfordernis der Berichtigung der Parteienbezeichnung - vom Gemeinschuldner auf den Masseverwalter - aus.

Dass der hier geltend gemachte Anspruch zwar die Konkursmasse betrifft, aber nicht der Anmeldungspflicht unterliegt (so schon SZ 69/70), ist nicht weiter strittig. Die vom Rekursgericht vorgenommene Berichtigung der Bezeichnung der beklagten Partei erweist sich daher als frei von Rechtsirrtum. Die zulässige und gebotene Richtigstellung der Parteienbezeichnung hat zur Folge, dass die Aufkündigung schon ab deren Einbringung als gegen den Masseverwalter gerichtet anzusehen ist - liegt doch darin kein Parteiwechsel -, weshalb der Einwand des Beklagten, die klagende Partei habe die Frist des § 20c AO nicht gewahrt, ins Leere geht.

Dem Revisionsrekurs ist ein Erfolg zu versagen.

Der Beklagte hat die Kosten seines erfolglosen Revisionsrekurses selbst zu tragen, weil er in dem zur Frage der Berichtigungsmöglichkeit abgeführten Zwischenstreit unterlegen ist. Der Vorbehalt der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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