OGH 7Ob69/02a

OGH7Ob69/02a29.4.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Harald K*****, geboren am 5. April 1987, über den Revisionsrekurs des Magistrats der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie-Rechtsfürsorge, 1120 Wien, Schönbrunner Straße 259, als Vertreter des Minderjährigen in Unterhaltsangelegenheiten, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. Februar 2002, GZ 43 R 10/02t-151, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Favoriten vom 21. November 2001, GZ 2 P 2631/95x-148, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Unterhaltsverpflichtung des Vaters Harald K***** sen. für seinen mj. Sohn, der sich in Pflege und Erziehung der Mutter befindet, war zuletzt mit Beschluss des Bezirksgerichtes Favoriten vom 27. 1. 1999 - davon ausgehend, dass der Vater als Verkaufsberater durchschnittlich monatlich netto rund S 16.000,-- verdienen könnte - ab 1. 4. 1997 mit monatlich S 3.200,-- festgesetzt worden. Am 28. 2. 2001 wurde über das Vermögen des Vaters, der keine weiteren Unterhaltspflichten hat, das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Es wurden Forderungen von insgesamt S 2,928.148,64 angemeldet, wovon S 2,555.191,26 aus vorangegangener selbständiger Tätigkeit des Vaters stammten. Mit Beschluss vom 31. 7. 2001 wurde der am 26. 7. 2001 angenommene Zahlungsplan bestätigt, wonach der Vater beginnend ab 1. 11. 2001 eine Quote von 12,1 % der angemeldeten Summe in 28 1/4-jährlichen Raten zu zahlen hat.

Mit der Begründung, als Ergebnis des Schuldenregulierungsverfahrens monatlich S 4.500,-- an seinen Gläubiger zahlen zu müssen, beantragte der Vater am 12. 9. 2001 seine monatliche Unterhaltsverpflichtung rückwirkend ab 1. 4. 2001 auf S 2.200,-- herabzusetzen. Der Jugendwohlfahrtsträger Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie-Rechtsfürsorge (im Folgenden nur mehr Jugendwohlfahrtsträger genannt) als Vertreter des Minderjährigen in Unterhaltsangelegenheiten sprach sich gegen eine über EUR 190 (= S 2.614,46) hinausgehende Herabsetzung aus. Schulden des Vaters könnten nicht zu Lasten des Kindes gehen.

Das Erstgericht gab dem Herabsetzungsantrag statt. Der Vater, dessen Leistungsfähigkeit nun ausgeschöpft sei, verdiene monatlich durchschnittlich rund S 13.095,-- netto. Einen Abzugsposten bilde die vom Vater laut Zahlungsplan zu leistende Quote, soweit es sich hiebei um Schulden aus der ehemaligen selbständigen Erwerbstätigkeit handle. Vom Einkommen sei daher eine monatliche Teilquote von S 3.680,-- in Abzug zu bringen, weshalb der Herabsetzungsantrag berechtigt sei. Das Rekursgericht gab dem vom Jugendwohlfahrtsträger dagegen erhobenen Rechtsmittel teilweise dahin Folge, dass es den Unterhalt für den Zeitraum 1. 4. 2001 bis 31. 10. 2001 (nur) auf monatlich EUR 190,-- herabsetzte und die Herabsetzung auf monatlich S 2.200,-- = EUR 159,88 ab 1. 4. 2001 bestätigte. Die Ausführungen des Rekursgerichtes, das ausgesprochen hat, dass der ordentliche Revisionsrekurs zugelassen werde, lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Nach ständiger Rechtsprechung erfahre durch die Konkurseröffnung, der die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens gleichzuhalten sei, die Unterhaltsbemessungsgrundlage keine Änderung. Allerdings sei von der oberstgerichtlichen Judikatur eingeräumt worden, dass die Konkursauswirkungen die Leistungsfähigkeit des Gemeinschuldners zur Erbringung bestimmter Unterhaltsbeträge, vor allem bei selbständiger Erwerbstätigkeit, herabsetzen oder gar aufheben könnten. Verbindlichkeiten des Unterhaltsschuldners bildeten nur ausnahmsweise einen Abzugsposten von der Unterhaltsbemessungsgrundlage, wenn die Schuld zur Erhaltung der Arbeitskraft oder wirtschaftlichen Existenz des Unterhaltspflichtigen begründet worden oder auch dem Unterhaltsberechtigten zugutegekommen sei. Konkursschulden bildeten nach herrschender Rechtsprechung ebenfalls nur dann eine Abzugspost, wenn es sich um Verbindlichkeiten handle, die auch außerhalb eines Konkurses nach den allgemeinen, im vorstehenden dargelegten Kriterien bei der Unterhaltsbemessung als mindernd zu berücksichtigen wären. Konkursschulden seien somit dann abzugsfähig, wenn die Verbindlichkeiten seinerzeit zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit begründet worden seien. Hingegen könnten Privatschulden des Vaters betreffende Ratenzahlungen die Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht schmälern. Die erstmals im Konkurs vorgebrachte Behauptung, die Schulden des Vaters seien dadurch entstanden, dass dieser "auf Grund seiner selbständigen Tätigkeit in unverantwortlicher Weise risikohaft agiert" habe, stelle eine unbeachtliche Neuerung dar. Die Berechnungsweise des Erstgerichtes, nur die Rückzahlungsrate betreffend aus der vorangegangenen selbständigen Tätigkeit resultierende Schulden verhältnismäßig als Abzugsposten heranzuziehen, sei nicht zu beanstanden. Dies ergebe eine zu berücksichtigende monatliche Rückzahlung von S 3.680,57 = EUR 267,48. Im Hinblick auf das Durchschnittsnettoeinkommen des Vaters von monatlich rund S 13.095,--

= EUR 951,65 sei ab 1. 11. 2001 von einer Bemessungsgrundlage von

rund S 9.415,-- = EUR 684,21 auszugehen, welche die begehrte

Unterhaltsherabsetzung zur Gänze rechtfertige. Da den Vater vor dem 1. 11. 2001 keine Rückzahlungsverpflichtung treffe, habe sich die Herabsetzung für die Zeit von 1. 4. 2001 bis 31. 10. 2001 auf den vom Jugendwohlfahrtsträger eingeräumten Betrag von EUR 190,-- zu beschränken.

Seinen Zulassungsausspruch begründete das Rekursgericht damit, es liege keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vor, ob bzw inwieweit Zahlungsverbindlichkeiten des Unterhaltspflichtigen, die aus seiner selbständigen Erwerbstätigkeit resultieren, im Rahmen eines im Schuldenregulierungsverfahren erstellten Zahlungsplanes als Abzugsposten von der Unterhaltsbemessungsgrundlage zu berücksichtigen seien.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Jugendwohlfahrtsträgers mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass die monatliche Unterhaltsverpflichtung des Vaters ab 1. 11. 2001 auf EUR 171,30 (= S 2.357,20) herabgesetzt und das weitergehende Herabsetzungsbegehren abgewiesen werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG unzulässig.

Das Schuldenregulierungsverfahren gemäß §§ 181 ff KO ist ein Konkursverfahren (2 Ob 215/98a, ZIK 1999, 160; 3 Ob 25/98t, ÖA 1999, 294 = ZIK 2000/124 = EFSlg 89.103). Nach ständiger Rechtsprechung erfährt die Unterhaltsbemessungsgrundlage durch die Konkurseröffnung keine Änderung. Bei weiterem Bezug von Einkünften aus unselbständiger Arbeit wird die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen nicht eingeschränkt (7 Ob 299/01y ua). Eine konkrete Minderung der Leistungsfähigkeit, die beim selbständig Erwerbstätigen wohl eher zu erwarten ist, muss vom Gemeinschuldner behauptet und bewiesen werden (1 Ob 139/01z ua). Es kommt nicht darauf an, was dem Gemeinschuldner vom Masseverwalter überlassen wurde; konkursrechtliche Maßnahmen gemäß § 5 Abs 1 und 2 KO haben auf die Festsetzung der Unterhaltsverpflichtung keinen Einfluss. Auf die Einbringlichkeit des Unterhalts kommt es bei der Unterhaltsbemessung nicht an (EvBl 1991/64; ZIK 1999, 32; ÖA 1999, 54; ÖA 1999, 294; ZIK 2001, 30 ua). Da der Konkurseröffnung, wie bereits erwähnt, die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens gleichzuhalten ist, ist die Unterhaltsbemessungsgrundlage nach den gleichen Kriterien zu ermitteln wie bei der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen eines Unterhaltspflichtigen. Somit ist für die Zeit nach Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens im Allgemeinen von einer unveränderten Bemessungsgrundlage auszugehen und es kommt auf die Einbringlichkeit des festgesetzten Unterhaltes ebensowenig an wie darauf, welcher Betrag dem Unterhaltspflichtigen zur Deckung seiner Bedürfnisse auf Grund eines bestimmten Zahlungsplanes verbleibt (3 Ob 25/98t; 1 Ob 139/01z).

Es entspricht allerdings auch ständiger Rechtsprechung, dass Schulden ausnahmsweise doch als Abzugsposten zu berücksichtigen sind, wenn sie - was der Unterhaltspflichtige zu behaupten und zu beweisen hat (EvBl 1998/175 uva) - zur Finanzierung existenznotwendiger Bedürfnisse bzw unabwendbarer außergewöhnlicher Belastungen oder zur Erhaltung der Arbeitskraft des Unterhaltsschuldners eingegangen wurden (RZ 1991/70; JBl 1991, 220; EvBl 73.205; 5 Ob 520/95, ZIK 1996, 35 [betreffend die Finanzierung eines gerichtlichen Finanzausgleiches]; 1 Ob 2121/96k; 1 Ob 217/99i mwN; RIS-Justiz RS0007202).

Mit diesen Grundsätzen steht die Entscheidung des Rekursgerichtes im Einklang. Dass die hier vom Vater im Rahmen des Zahlungsplanes zu leistenden Beträge "zur Erhaltung der Arbeitskraft bzw der wirtschaftlichen Existenz des Unterhaltspflichtigen" vom Kind "in Kauf genommen werden" müssen, räumt der Revisionsrekurswerber selbst ein; er meint aber, dass lediglich eine Schmälerung der Bemessungsgrundlage um 10 % angemessen sei, während die Vorinstanzen 16 % in Abzug gebracht hätten (wobei 28,1 % abzuziehen gewesen wären, wenn man den gesamten Quotenanteil für Verbindlichkeiten aus der selbständigen Erwerbstätigkeit des Vaters in Höhe von S 3.680,57 = EUR 267,48 berücksichtigt hätte). Der Revisionsrekurswerber wendet sich also allein gegen die Höhe des Abzuges, die aber von den Umständen des Einzelfalles abhängt. Zufolge dieser Einzelfallbezogenheit der Ermessensentscheidung des Rekursgerichtes könnte nur eine erhebliche Fehlbeurteilung die Zulassung des Revisionsrekurses rechtfertigen. Davon, dass dem Rekursgericht eine solche "grobe Fehlbeurteilung" im Sinne einer Verkennung der Rechtslage, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte, unterlaufen wäre, kann aber im Hinblick auf die festgestellten Einkommensverhältnisse des Vaters keine Rede sein. Mangels eines tauglichen Zulassungsgrundes war das Rechtsmittel des Jugendwohlfahrtsträgers daher zurückzuweisen. Dabei konnte sich der Oberste Gerichtshof gemäß § 16 Abs 4 AußStrG iVm § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO im Wesentlichen auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

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