OGH 2Ob72/02f

OGH2Ob72/02f21.3.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Burgstaller & Preyer Partnerschaft von Rechtsanwälten in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Herbert Z*****, 2. Anton P*****, beide Schifffahrtsunternehmer, p/A *****, 3. Franz K***** und 4. Nikolaus G*****, alle vertreten durch Dr. Hans Böck, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 4.932,01 sA, infolge Revision der erst- bis drittbeklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Schifffahrtsobergericht vom 3. Oktober 2001, GZ 15 R 120/01d-77, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien als Schifffahrtsgericht vom 2. April 2001, GZ 1 C 187/98-73, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die erst- bis drittbeklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 459,71 (darin enthalten Umsatzsteuer von EUR 76,62, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Erst- und der Zweitbeklagte betreiben unter der Bezeichnung "Donauschifffahrt P*****-Z*****" ein Schifffahrtsunternehmen in der Form, dass der Erstbeklagte seine Konzession zur Verfügung stellt und als Betriebsleiter beim Zweitbeklagten angestellt ist. Der Zweitbeklagte ist Mieter des Fahrgastschiffes "MS S*****", dessen Eigentümer seit 1993 der Viertbeklagte war. Dieser veräußerte es noch vor Klagseinbringung an eine GmbH.

Seit Ende März 1997 war der Drittbeklagte auf der "S*****" als Schiffsführer tätig. Bei der "S*****" handelt es sich um ein Fahrgastschiff für 250 Personen.

Am 26. 7. 1997 fuhr dieses Schiff mit dem Drittbeklagten als Schiffsführer im Zuge einer Rundfahrt die Donau flussabwärts in Richtung Donaukraftwerk Freudenau. Der Drittbeklagte meldete das mit 50 Passagieren besetzte Schiff für die Schleusung an. Es wurde ihm mitgeteilt, dass er gemeinsam mit dem Tankschiff "E***** 8" und dem Passagierschiff "MS V*****" geschleust werden würde. Diese Schiffe waren bereits zur Talschleusung verheftet. Bei der "E***** 8" handelte es sich um ein ca 85 m langes und 9,25 m breites Tankschiff, das 1200 Tonnen Superbenzin geladen hatte und durch zwei blaue Kegel als Tankschiff gekennzeichnet war. Die klagende Partei hat aufgrund eines mit dem Schiffseigner abgeschlossenen Chartervertrages die Verpflichtung, Schäden an diesem Schiff auf eigene Kosten zu beheben.

Aufgrund eines Maschinengebrechens konnte der Drittbeklagte nach dem Einfahren in die Schleuse das geplante Bremsmanöver nicht durchführen, worauf sich das Heck des Schiffes von der Schleusenwand wegbewegte und an das Heckschanzkleid des Tankschiffs "E***** 8" stieß.

Die Reparaturkosten beliefen sich auf S 49.452, weiters fielen Bugsergebühren von S 2.400 an. Mit Rechnung vom 23. 9. 1997 begehrte die klagende Partei gegenüber dem Erst- und dem Zweitbeklagten den Ersatz dieser Kosten. Weiters machte sie Verdienstentgang von S 20.400 geltend und stellte für das Umpumpen der Ladung S 2.550, für den Einsatz des Landdienstmitarbeiters S 110 und für das dem Landdienstmitarbeiter gebührende Kilometergeld S 196 in Rechnung; die Beträge sind angemessen und entsprechen den üblichen Tarifen.

Die klagende Partei begehrt von den Beklagten die Zahlung von S 67.866 sA mit der Begründung, den Drittbeklagten habe das Verschulden an der Kollision getroffen, weil er auf ein Gebrechen an der Steuerung der Steuerbordmaschine nicht richtig reagiert habe. Auch die übrigen Beklagten treffe ein Verschulden, weil sie den Defekt an der Steuerung der Backbordmachine nicht sachgerecht Instandsetzen hätten lassen. Erst- und Zweitbeklagter seien Schiffseigner gemäß § 2 BinnSchG, weil sie das Schiff zum Unfallszeitpunkt zur Personenschifffahrt auf der Donau in Form eines gemeinsamen Unternehmens verwendet hätten und noch verwendeten. Das Verschulden des Drittbeklagten liege auch darin, dass er beim Zurückziehen des Schiffes nicht die nötige Sorgfalt aufgewendet habe. Das Tankschiff sei durch die beiden Kegel als solches erkennenbar gewesen, weshalb der Drittbeklagte verpflichtet gewesen wäre, einen Abstand von mindestens 10 m zu diesem einzuhalten.

Die Beklagten bestritten ein Verschulden der Schiffsbesatzung. Insbesondere habe der Drittbeklagte nicht mit einem Ausfall der Kupplung rechnen können. Auch die Einhaltung eines vorgeschriebenen Mindestabstandes sei ihm nicht vorwerfbar, weil er sich beim Einfahren in die Schleuse an die Anweisungen des Schleusenpersonals gehalten habe. Den Viertbeklagten treffe keine Haftung, weil er nicht Schiffseigner sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei über den eingangs wiedergegebenen unstrittigen Sachverhalt im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen wurden:

In den letzten 13 Monaten vor dem Unfall wurden an der "S*****" verschiedene Reparatur- und Wartungsarbeiten vorgenommen; insbesondere wurde eine defekte Steuerbordkupplung am 17. 6. 1996 ausgebaut und erneuert; die übrigen Arbeiten bezogen sich auf die Backbordkupplung.

Nach dem Einfahren in die Schleuse leitete der Drittbeklagte das Bremsmanöver dadurch ein, dass er die Backbordmaschine auf Leerlauf stellte und auf der Steuerbordmaschine Gas gab. Die Geschwindigkeit des Schiffes verringert sich aber trotz Vollgasgebens bei umgedrehtem Schottelpropeller nicht. Nachdem der Drittbeklagte festgestellt hatte, dass die Kontrollleuchte der Schottelkupplung erloschen war, versuchte er abermals vergeblich, die Steuerbordmaschine einzukuppeln und begann gleichzeitig den Backbordpropeller umzudrehen, um ein Auffahren auf die "V*****" durch einen Gegenschub zu verhindern. Gleichzeitig gab er über Gegensprechanlage einem Matrosen den Befehl, durch Auswerfen eines Seiles an einem auf der Schleusenmauer befindlichen Poller ein Abbremsen herbeizuführen. Dieses Manöver misslang, weil der Mitarbeiter das Seil nicht anbringen konnte. Nach der Kollision mit der "V*****" in einer leichten Schrägstellung bewirkte das Retourfahren mit der Backbordmaschine ein linksseitiges Versetzen des Hecks der "S*****", das mit dem Schanzkleid der "E***** 8" kollidierte.

Das Versagen der Kupplung trat am Unfallstag erstmalig auf. Nach dem Einschalten der Sicherung funktionierte die Kupplung wieder ordnungsgemäß. Nach mehreren Kupplungsversuchen, bei denen sich der Ausfall nicht wiederholte, konnte die "S*****" ihre Fahrt fortsetzen. Nach dem Unfall wurde die üblicherweise mit der Wartung der elektrischen Anlage befasste Unternehmung beauftragt, den Steuerungsdefekt zu überprüfen, doch konnte die Ursache nicht festgestellt werden. Auch im Zuge der Winterarbeiten 1997/98 fielen keine Defekte an der Steuerungsanlage auf. Erst nach einem neuerlichen Ausfall der Steuerbordkupplung im April 1999 konnte ein Isolationsschaden am Anschlusskabel als Ursache für den Kupplungsausfall festgestellt werden. Die Fehlerquelle befand sich ca 8 cm innerhalb eines Rohres, weshalb die schadhafte Stelle für die Beklagten im Rahmen der regelmäßig durchzuführenden Wartungsarbeiten nicht erkennbar war.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, es hätte mit einem Kupplungsausfall nicht gerechnet werden müssen. Es hieße die einem Schiffsführer obliegende Sorgfaltspflicht überspannen, wollte man von ihm verlangen, dass er auch für das Versagen der Verrichtungen des Schiffes vorsorgen müsse. Durch den Kupplungsausfall habe der Drittbeklagte keine Möglichkeit gehabt, einen Zusammenstoß zu verhindern. Es sei ihm auch nicht vorzuwerfen, zur "E***** 8" entgegen § 6.28 Z 8 WVO keinen seitlichen Abstand von 10 m eingehalten zu haben, weil ein solcher aufgrund der Schiffsbreiten gar nicht möglich gewesen wäre. Der Drittbeklagte habe bei seiner Schleuseneinfahrt im Sinne des § 1.0.4 WVO alle erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen getroffen, um Schäden zu vermeiden.

Das von der klagenden Partei angerufene Berufungsgericht bestätigte die Klagsabweisung gegenüber dem Viertbeklagten in der Hauptsache; im Übrigen änderte es das angefochtene Urteil dahin ab, dass es die erst-, zweit und drittbeklagte Partei zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 67.866 samt Zinsen verurteilte. Es sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig.

Zur Rechtsfrage führte das Berufungsgericht aus, dass, entgegen der Ansicht des Erstgerichtes, dem Drittbeklagten ein haftungsbegründendes Verschulden anzulasten sei. Rechtsgrundlage für eine allfällige Schadenersatzpflicht sei das Gesetz betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschifffahrt vom 20. 5. 1898 idFd Gesetzes vom 29. 7. 1936, dRGBl I 581 sowie GBlÖ 1939/1454 (Binnenschaftsfahrtsgesetz), das auch im Zuge der Bundesrechtsbereinigung ausdrücklich in Geltung belassen worden sei. Gemäß § 3 Abs 1 dieses Gesetzes sei der Schiffseigner für den Schaden verantwortlich, welchen eine Person der Schiffsbesatzung einem Dritten durch ihr Verschulden in Ausführung ihrer Dienstverrichtung zufüge. Schiffseigner sei der Eigentümer eines zur Schifffahrt auf Flüssen oder sonstigen Binnengewässern bestimmten und hiezu von ihm verwendeten Schiffes (§ 1 leg cit). Gemäß § 2 Abs 1 leg cit werde dem Dritten gegenüber derjenige als Schiffseigner angesehen, der ein ihm nicht gehöriges Schiff zur Binnenschifffahrt verwende und es entweder selbst führe oder die Führung einem Schiffer anvertraue. Den Schiffsführer selbst treffe gegenüber Dritten eine Schadenersatzpflicht, wenn er entgegen § 7 Abs 1 BinnSchG bei seinen Dienstverrichtungen die Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers nicht anwende (SZ 56/52). Es sei daher zu prüfen, ob dem Schiffsführer (Drittbeklagten) ein Verschulden an dem der klagenden Partei zugefügten Schaden vorzuwerfen sei.

Dazu vertrete die klagende Partei die Ansicht, dass § 6.28 WVO zu beachten sei, der die besonderen Verhaltens- und Sorgfaltspflichten beim Durchfahren von Schleusen regle. Dabei sei ein "erhöhter Sorgfaltsmaßstab" einzuhalten, der es gebiete, so in eine Schleuse einzufahren, dass ein Stoppen des Schiffes auch dann gewährleistet werden könne, wenn die Maschinen nicht funktionierten. Dazu verweise die klagende Partei auf die "gefestigte deutsche Rechtsprechung". Der Sorgfaltsmaßstab wäre weiters dadurch erhöht gewesen, dass das Schiff "E***** 8" durch zwei blaube Kegel als Tankschiff gekennzeichnet gewesen sei.

Dieser Rechtsauffassung sei im Ergebnis zu folgen, auch wenn die Vorschriften der deutschen Binnenschifffahrtsstraßenordnung mit jener der österreichischen WVO nicht vollständig übereinstimme. Auch aus der WVO ergebe sich nämlich, dass in einem Fall wie dem vorliegenden ganz besondere Sorgfalt geboten gewesen sei. Es könne dahingestellt bleiben, ob die von deutschen Gerichten vertretene Auffassung, dass ein Schiffsführer ganz allgemein bei der Einfahrt in eine Schleuse dafür zu sorgen habe, dass das Fahrzeug durch Belegen der Poller oder Haltekreuze der Kammer mit Tauen oder Trossen auch ohne Maschinen rechtzeitig anhalten könne (so etwa OLG Hamm ZfB 2000, 73) der österreichischen Rechtslage entspreche. Wegen der besonderen Gefährdung im Zusammenhang mit Schiffen, die bestimmte gefährliche Güter transportierten, sehe § 6.28 WVO vor, dass zu Fahrzeugen, die einen blauen Kegel führen, in Schleusen ein seitlicher Abstand von mindestens 10 m eingehalten werden müsse (Z 8), dass Fahrzeuge, die einen blauen Kegel führen, nicht zusammen mit Fahrgastschiffen geschleust werden dürften (Z 10) und dass Fahrzeuge, die zwei oder gar drei blaue Kegel führen, überhaupt einzeln geschleust werden müssten (Z 9). Auch wenn in Z 11 angeordnet werde, dass die Schleusenaufsicht zur Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs, zur Beschleunigung der Durchfahrt oder zur vollen Ausnützung der Schleuse Anordnungen erteilen könne, die von diesen Bestimmungen abwichen, so sei doch für den Drittbeklagten klar ersichtlich gewesen, dass - gerade wegen der Abweichungen von den allgemeinen Sicherheitsvorschriften durch die Schleusenaufsicht - eine ganz besondere Risikosituation vorgelegen sei, der durch erheblich erhöhte Sorgfalt Rechnung zu tragen gewesen wäre, zumal es angesichts der örtlichen Gegebenheiten nicht einmal möglich gewesen sei, den vorgeschriebenen Mindestseitenabstand zum in der Schleuse festgemachten Tankschiff einzuhalten. Dass es allgemeiner nautischer Erfahrungen entspreche, dass derartige Maschinenversager nicht auszuschließen und daher nicht als völlig ungewöhnlich zu betrachten seien, führe nicht nur das OLG Hamm (als Binnenschifffahrtsobergericht) in der zitierten Entscheidung aus; auch der gerichtlich bestellte Sachverständige habe dies bestätigt. Da dem Drittbeklagten bewusst sein hätte müssen, dass er eine ganz besondere Risikosituation, die an sich nach den Vorschriften der WVO ausgeschlossen werden solle und nur dadurch zustande gekommen sei, dass die Schleusenaufsicht zur Beschleunigung des Verkehrs von ihnen abgewichen sei, vorgelegen sei, wäre er zu ganz besonderer Sorgfalt verpflichtet gewesen. Dazu hätte es etwa gehört, dafür Sorge zu tragen, dass die in die Schleuse einfahrende "S*****" im Bedarfsfall ohne die Verwendung von Maschinenkraft durch Taue oder Seile gestoppt werden könne, was auch keine aufwändigen Vorkehrungen erfordert hätte. Die erst nach dem Maschinenausfall getroffene Anordnung des Drittbeklagten, durch Auswerfen eines Seiles an einen auf der Schleusenmauer befindlichen Poller ein Abbremsen herbeizuführen, genüge diesen Sorgfaltsanforderungen nicht. Dass ein derartiges Bremsmanöver gelungen wäre, wenn es von vornherein entsprechend angeordnet und vorbereitet gewesen wäre, erscheine nicht zweifelhaft, sodass gerade die Unterlassung einer derartigen (ohne weiteres zumutbaren) Vorsichtsmaßnahme zum eingetretenen Schaden geführt habe. Da der Drittbeklagte entgegen § 7 Abs 1 BinnSchG die Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers in der gegebenen Situation nicht angewendet habe, sei er der Klägerin zum Schadenersatz verpflichtet.

Da die erstgerichtlichen Feststellungen über die Art und Höhe des Schadens in der Berufungsbeantwortung nicht bekämpft worden seien, erweise sich das Klagebegehren ihm gegenüber als berechtigt.

Zutreffend habe allerdings das Erstgericht die Haftung des Viertbeklagten verneint, wohl aber hafteten der Erst- und Zweitbeklagte solidarisch mit dem Drittbeklagten (diese Fragen sind nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens, weshalb die diesbezüglichen Ausführungen des Berufungsgerichtes nicht wiedergegeben werden).

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil zu den maßgeblichen Rechtsfragen des Binnenschifffahrtsrechtes eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht vorliege.

Gegen den klagsstattgebenden Teil dieser Entscheidung richtet sich die Revision der erst- bis drittbeklagten Parteien mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

Die klagende Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der beklagten Parteien nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die erst- bis drittbeklagten Parteien machen in ihrem Rechtsmittel geltend, es sei im vorliegenden Fall österreichisches Recht anzuwenden, weshalb die vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen deutscher Gerichte nicht maßgeblich seien.

Gemäß § 6.28 Z 6 der WVO müssten Fahrzeuge bei der Einfahrt in die Schleusen ihre Geschwindigkeit so vermindern, dass ein Anprall an Schleusentore, Schutzvorrichtungen, andere Fahrzeuge, Schwimmkörper oder schwimmende Anlagen vermieden werde. Diese Bestimmung sei vom Drittbeklagten eingehalten worden. Er hätte sein Schiff bei funktionierender technischer Einrichtungen mit genügend Abstand zur MS "V*****" rechtzeitig zum Stillstand bringen können. Die Bestimmung des § 6.28 Z 8 WVO, wonach in Schleusen zu Fahrzeugen, die das blaue Licht gemäß § 3.14 Z 1 oder den blauen Kegel gemäß § 3.32 Z 1 führten, ein seitlicher Abstand von mindestens 10 m eingehalten werden müsse, habe vom Drittbeklagten aufgrund der nach § 6.28 Z 11 WVO erteilten Anweisung der Schleusenaufsicht nicht eingehalten werden können. Da er durch die von ihm gewählte Fahrlinie den größtmöglichen Sicherheitsabstand eingehalten habe, könne ihm auch kein Verstoß gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht des § 1.0.1 WVO angelastet werden. Die von deutschen Gerichten vertretene Rechtsauffassung, dass ein Schiffsführer ganz allgemein bei der Einfahrt in eine Schleuse dafür zu sorgen habe, dass das Fahrzeug auch ohne Maschinen rechtzeitig anhalten könne, entspreche nicht der österreichischen Rechtslage. Eine derartige Bestimmung sei den österreichischen Gesetzesbestimmungen nicht zu entnehmen. Wenn auch ein Maschinenversager grundsätzlich nicht auszuschließen und nicht als völlig ungewöhnlich anzusehen sei, würde es die dem Schiffsführer obliegende Sorgfaltspflicht überspannen, verlangte man von ihm, dass er auch ständig für das Versagen der Vorrichtungen seines Schiffes vorsorgen müsse. Das Schiff sei ständig ordnungsgemäß gewartet worden und sei das Versagen der Kupplung zuvor niemals aufgetreten. Durch den Kupplungsausfall habe der Drittbeklagte auch keine Möglichkeit mehr gehabt, den Zusammenstoß zu verhindern.

Zur Höhe des Klagebegehrens machen die Beklagten in ihrem Rechtsmittel geltend, dass sie nicht dazu verhalten gewesen wären, in der Berufungsbeantwortung Art und Höhe des Schadens zu bekämpfen, zumal auch in der Berufung keine Ausführungen dazu erstattet worden seien.

Da den Drittbeklagten kein Verschulden treffe, bestehe auch keine Haftung des Erst- und Zweitbeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Grundsätzlich kann gemäß § 510 Abs 3 Satz 2 ZPO auf die richtigen Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden. Das Berufungsgericht hat nicht etwa deutsches Recht angewendet oder sich auf Entscheidungen deutscher Gerichte zu einer anderen Rechtslage gestützt, sondern vielmehr ausdrücklich ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob die von den deutschen Gerichten vertretene Auffassung, dass ein Schiffsführer ganz allgemein bei der Einfahrt in eine Schleuse dafür zu sorgen habe, dass das Fahrzeug durch Belegen der Poller oder Haltekreuze auch ohne Maschinen rechtzeitig angehalten werden könne, für Österreich zutreffend sei. Das Berufungsgericht hat dem Drittbeklagten auch nicht einen Verstoß gegen eine konkrete Bestimmung der WVO (oder gegen eine andere konkrete Verhaltensnorm) vorgeworfen, sondern die Ansicht vertreten, er hätte wegen der besonderen Gefährlichkeit der Situation (Schleuse, in dieser befindliches und gekennzeichnetes Tankschiff, von der WVO abweichende Anordnung der Schleusenaufsicht), dafür Sorge tragen müssen, dass sein Schiff auch ohne die Verwendung von Maschinenkraft durch Taue oder Seile gestoppt werden könne. Gegen diese Ansicht bestehen wegen der gegebenen besonderen Gefährlichkeit der Situation keine Bedenken. Entgegen den Ausführungen in der Revision wurde vom Drittbeklagten nicht verlangt, dass er ständig für das Versagen der Vorrichtungen seines Schiffes vorsorgen müsse, sondern wurde ihm nur eine derartige Sorgfaltspflicht in der konkreten Situation zugemutet. Dass auch ein Maschinenversager grundsätzlich nicht auszuschließen und nicht als völlig ungewöhnlich anzusehen ist, wird auch in der Revision zugestanden.

Zutreffend sind auch die Ausführungen des Berufungsgerichtes betreffend die Höhe des Klagebegehrens. Im Falle einer Rechtsrüge beruft sich der Rechtsmittelwerber nach deren prozessualem Wesen auf alle Feststellungen, die ausdrücklich als solche im so bezeichneten Abschnitt des Ersturteils zusammengefasst wurden. Ausschließlich dann, wenn der Berufungswerber seine Rechtsrüge auf allenfalls in anderen Urteilsabschnitten "verborgene" Feststellungen stützen will, müsste er sich darauf ausdrücklich beziehen, um damit eine Rügepflicht des Berufungsgegners in der Rechtsmittelbeantwortung nach § 468 Abs 2 Satz 2 iVm § 473a Abs 1 ZPO auszulösen (SZ 72/75; RIS-Justiz RS0112020). Auch wenn das erstinstanzliche Urteil im Sinne der Beklagten erging, waren sie gemäß § 468 Abs 2 ZPO gehalten, die für sie nachteiligen Feststellungen zum Thema der Höhe des Klagebegehrens mit der Berufungsbeantwortung zu bekämpfen.

Der unberechtigten Revision war deshalb keine Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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