OGH 5Ob192/01y

OGH5Ob192/01y12.3.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragstellerin Stadt B*****, vertreten durch Piccolruaz & Müller, Anwaltspartnerschaft in Bludenz, wegen Löschung einer Dienstbarkeit, über die Rekurse der Antragstellerin gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes Feldkirch vom 5. Juni 2001, GZ 3 R 174/01p-21, und vom 27. April 2001, GZ 4 R 79/01z-10, als Rekursgericht, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Bludenz vom 3. August 2000, TZ 2533/00, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Den Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionsrekursbeantwortungen werden zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Antragstellerin ist durch Ersitzung Eigentümerin der Liegenschaften EZ ***** und EZ ***** des Grundbuchs *****. Auf beiden Liegenschaften ist die Dienstbarkeit der Weide für Fraktion A***** der Stadt B***** auf Grund der Ersitzung (dies ergibt sich aus der Grundbuchseintragung aus dem Jahr 1928) seit 1928 einverleibt. Die Antragstellerin begehrt nun auf Grund des Beschlusses des Stadtrates der Stadt B***** vom 6. 7. 2000 Punkt 15 die Bewilligung der Einverleibung der Löschung der Dienstbarkeit der Weide. Die Antragstellerin sei Eigentümerin der Liegenschaften der “B***** Allmein", auf die seit Jahrhunderten alle Landwirte der Fraktion A***** ihr Vieh, welches sie mit eigenen Futtermitteln überwintern, aufgetrieben haben. Bereits im Jahr 1912 habe der Gemeindeausschuss der Stadt B***** eine Allmeinordnung beschlossen, die bis heute noch die rechtliche Grundlage für die Regelung des Weidebetriebes und der Verwaltung der B***** Allmeingründe darstelle. Das Gemeindegutgesetz LGBl 1998/Nr. 49 definiere nun die auf dem Gemeindegut nach Maßgabe der bisherigen rechtmäßigen Übung bestehenden gemeinschaftlichen Nutzungsrechte als öffentlich-rechtliche Ansprüche auf eine Teilnahme an der Nutzung des Gemeindegutes. Somit fänden die Bestimmungen des Privatrechtes auf diese Nutzungsrechte keine Anwendung. Im Irrtum der wirklichen Rechtsnatur dieser Nutzungsrechte und um den Kreis der Nutzungsberechtigten einzuschränken, sei im Jahr 1928 veranlasst worden, die Dienstbarkeit der Weide auf den Liegenschaften grundbücherlich einzutragen. Die Stadtvertretung habe gemäß § 8 des Gemeindegutgesetzes durch Verordnung Satzungen über die Nutzung des Gemeindegutes zu erlassen. Durch die Erlassung einer neuen Allmeinordnung über die B***** Allmein, die im Wesentlichen den bisherigen Regelungen entspreche, werden die rechtmäßig bestehenden Weiderechte endgültig im Sinne des Gemeindegutgesetzes geregelt. Da ein öffentlich-rechtlicher Anspruch auf die Teilnahme an der Nutzung der B***** Allmein bestehe und diese Weiderechte somit keine Dienstbarkeiten darstellen, habe die Antragstellerin die Einverleibung der Löschung der Dienstbarkeiten der Weide am 6. 7. 2000 (Punkt 15 der 6. Sitzung des Stadtrates B*****) zugestimmt. Das Erstgericht bewilligte die beantragten Eintragungen. Das Rekursgericht gab den dagegen erhobenen Rekursen der ortsansässigen Personen, die Nutzungsberechtigte der Allmein A***** sind und deren bücherliche Rechte damit aufgehoben würden, Folge und wies den Antrag ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000 nicht überschreite, der ordentliche Revisionsrekurs aber zulässig sei. Die Berichtigung nach § 136 Abs 1 GBG komme nur dann in Betracht, wenn das Grundbuch die wirkliche Rechtslage nicht wiedergebe, d.h. dass eine Rechtsänderung zwar außerbücherlich eingetreten, bücherlich aber noch nicht durchgeführt worden sei, sodass der zur Berichtigung erforderlichen Eintragung lediglich deklarative Bedeutung zukomme. Offenkundig sei die Unrichtigkeit, wenn sie sich unmittelbar aus dem Gesetz oder aus dem Nachweis gewisser Tatsachen in Verbindung mit dem Gesetz ergebe. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Das Gesetz über das Gemeindegut beinhalte keine Bestimmung über das Schicksal grundbücherlich eingetragener Dienstbarkeiten, sodass aus diesem Grund eine Löschung nicht gerechtfertigt sei. Der Ursprung der Wald- und Weidenutzungsrechte auf fremdem Grund und Boden gehe auf die Gemeinnützung der Wälder und Almen im Mittelalter zurück. Die Bestimmungen über die Regulierung und Ablösung von Weiderechten auf fremdem Grund und Boden enthalten Anordnungen über deren Ablöse, Regelung und Neuregelung sowie Sicherung der geregelten Nutzungsrechte. Ob diese Dienstbarkeiten Gegenstand eines Servitutenregulierungsverfahrens und Ergebnis eines Regulierungserkenntnisses sei, sei deshalb nicht von Bedeutung, weil das Servituten-Ablösungsgesetz LGBl 1921/Nr. 120 für solche ins öffentliche Recht transformierte Rechte im § 28 Abs 1 leg cit eine von Amts wegen wahrzunehmende grundbücherliche Einverleibung vorsehe. Nach den Behauptungen der Antragstellerin seien die Liegenschaften seit Jahrhunderten von den Landwirten der Fraktion A***** genutzt worden. Daraus ergebe sich, dass die Dienstbarkeiten im Privatrecht wurzeln. Ein stichhaltiges Argument dazu, dass die grundbücherliche Eintragung der Dienstbarkeiten im Jahr 1928 irrtümlich veranlasst worden sei, lasse der Antrag vermissen.

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mit der Begründung zu, dass oberstgerichtliche Rechtsprechung dazu fehle, welche Auswirkungen die Bestimmung des § 2 Abs 2 des Gesetzes über das Gemeindegut LGBl 1998/Nr. 49, auf einverleibten Dienstbarkeiten habe.

Gegen diese Beschlüsse richten sich die Revisionsrekurse jeweils der Antragstellerin mit dem Antrag, die angefochtenen Beschlüsse des Rekursgerichtes aufzuheben und die Rekurse gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Bludenz zurückzuweisen, in eventu, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und “den Beschluss des Bezirksgerichtes Bludenz und den Rekurs der Antragsgegner zurückzuweisen", in eventu, die angefochtenen Beschlüsse abzuändern, in eventu aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, er ist aber nicht berechtigt. Das Rechtsmittelverfahren in Grundbuchsachen ist einseitig, weshalb die Revisionsrekursbeantwortungen zurückzuweisen waren (§ 124 GBG; 5 Ob 81/00y).

Einleitend ist auf die zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichtes zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Gibt das Grundbuch die wirkliche Rechtslage nicht richtig wieder, so ist auf Ansuchen die zur Berichtigung erforderliche Eintragung vorzunehmen, ohne dass die sonst für eine solche Eintragung von diesem Bundesgesetz geforderten Voraussetzungen erfüllt sein müssen, wenn die Unrichtigkeit offenkundig oder durch öffentliche Urkunde nachgewiesen ist (§ 136 Abs 1 GBG). Die Anwendung des § 136 GBG setzt voraus, dass nachträglich eine Rechtsänderung außerbücherlich eingetreten und grundbücherlich noch nicht durchgeführt ist (RIS-Justiz RS0060992). Der Löschung kommt nur mehr deklarative Bedeutung zu (RIS-Justiz RS0061071, 5 Ob 129/01h; vgl RIS-Justiz RS0079847 ua). Als offenkundig kann nur gelten, was sich unmittelbar aus dem Gesetz oder aus dem Nachweis gewisser Tatsachen in Verbindung mit dem Gesetz ergibt (RIS-Justiz RS0040040). § 136 GBG ist nicht anzuwenden, wenn sich nach Rechtskraft des die Eintragung bewilligenden Beschlusses herausstellt, dass der Beschluss auf fehlerhafter Grundlage beruht (5 Ob 3/92; RIS Justiz RS0060992). Die Antragstellerin beruft sich darauf, dass die Eintragung des Weiderechts als öffentliches Recht im Grundbuch nicht konstitutiv sei, sondern lediglich deklarativen Charakter habe. Sie übersieht dabei aber, dass sich die von ihr zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes auf in Regulierungsurkunden verbriefte Rechte beziehen. Regulierungsurkunden aber wurzeln im öffentlichen Recht, ihr Inhalt ist also öffentlich-rechtlicher Natur (VwSlg 14280 A/1995 mwN).

Servituten sind dingliche, auf Privatrechtstitel beruhende (§ 480 ABGB) oder durch Richterspruch oder Enteignung eingeräumte Rechte auf beschränkte Nutzung einer fremden Sache (Petrasch in Rummel I3 § 472 ABGB, Rz 1). Rechtstitel für die Servitut ist auch die Ersitzung (Petrasch aaO § 480 ABGB, Rz 3).

Die vorliegenden Servituten des Weiderechtes wurden laut Grundbuchseintragung im Jahr 1928 durch Ersitzung, also auf Grund eines Privatrechtstitels erworben. Die Antragstellerin gibt auch in ihrem Antrag an, dass die Übung des Weidens seit Jahrhunderten besteht. Die Ersitzung selbständiger Weiderechte ist durch das Servitutenregulierungspatent vom 5. 7. 1853, RGBl 1853/130 nicht ausgeschlossen (RIS-Justiz RS0038437). Im vorliegenden Fall kann auf Grund der jahrhundertelangen Übung aber kein Zweifel bestehen, dass bereits vor Inkrafttreten des Servitutenpatents die Ersitzungszeit vollendet war, sodass § 43 des Kaiserlichen Patentes vom 5. 7. 1853 die bereits erfolgte Ersitzung nicht aufhebt (vgl 6 Ob 129/62). Die - auch nicht bescheinigte - Satzung vom 9. 12. 1912, die in verbindlicher Form die Zugehörigkeit der Nutzungsberechtigten regeln soll, stünde dem im Hinblick auf die jahrhundertelange tatsächliche Nutzung und Ersitzung während des davorliegenden Zeitraums nicht entgegen. Das im Grundbuch einverleibte Weiderecht ist daher schon auf Grund der dort genannten Erwerbsart ein Privatrecht. Die Regulierung der Servituten wurde von der Antragstellerin weder behauptet noch liegen diesbezüglich öffentliche Urkunden vor. Zutreffend hat das Rekursgericht erkannt, dass es sich hier um eine unregelmäßige Servitut handelt, d.h. dem Normaltyp nach eine Grunddienstbarkeit, die aber ausnahmsweise nicht zu Gunsten und zum Vorteil eines Grundstücks, sondern einer bestimmten Person eingeräumt werden kann (Petrasch aaO § 479 ABGB, Rz 1). Unter den im Grundbuch eingetragenen Fraktionen sind nunmehr die jeweiligen Ortsansässigen, die nach der bisherigen Übung zur Ausübung des Weiderechts berufen sind, zu verstehen. Durch die beantragte Löschung würde in ihre bücherlichen Rechte eingegriffen werden.

Die Revisionsrekurswerberin übersieht mit ihren Anträgen auf “Zurückweisung der Rekurse der Antragsgegner", dass der Revisionsrekurs gegen den Beschluss des Rekursgerichtes, mit dem der Beschluss auf Zurückweisung des Rekurses der Ortsansässigen ersatzlos behoben wurde, mangels Zulassung jedenfalls unzulässig ist (2 R 102/01t des Rekursgerichtes). Darauf ist nicht weiter einzugehen. Dem unberechtigten Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

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