OGH 8Ob300/01b

OGH8Ob300/01b21.2.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der Antragsteller 1. Ing. Reinhard Wolfgang T*****, und 2. Mag. Renate T*****, wegen § 98 EheG, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Gläubigerin B***** AG, *****, vertreten durch Dr. Gertraud Fuchs, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg als Rekursgericht vom 25. September 2001, GZ 20 R 143/01x-6, mit dem der Rekurs der Gläubigerin gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Wolkersdorf vom 25. Juli 2001, GZ F 143/01f-2, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird, soweit damit der gegen Punkt 4 des erstgerichtlichen Beschlusses - betreffend das Darlehen der Gläubigerin Konto Nr 418691652-0 - gerichtete Rekurs der Gläubigerin zurückgewiesen wurde, behoben und dem Rekursgericht in diesem Umfang die Entscheidung über den Rekurs aufgetragen.

Die diesbezüglichen Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Im Übrigen, soweit er sich gegen die Zurückweisung des Rekurses der Gläubigerin gegen Punkt 2 des erstgerichtlichen Beschlusses - betreffend das Darlehen der Gläubigerin Konto Nr. 4909655 - richtet, wird der außerordentliche Revisionsrekurs mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 16 Abs 4 AußStrG iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Anlässlich der einvernehmlichen Ehescheidung vereinbarten die Antragsteller zu C 440/01 f des Erstgerichtes unter anderem, dass die Zweitantragstellerin vier verschiedene Darlehensverpflichtungen zur alleinigen Rückzahlung übernehme und den Erstantragsteller, der dafür lediglich als Ausfallsbürge hafte, für jede Inanspruchnahme schad- und klaglos halte (Punkt 6 des Vergleiches). Unter diesen vier Darlehen befinden sich zwei der nunmehr rekurswerbenden Gläubigerin und zwar Konto Nr. 4909655(0-4) mit einem aushaftenden Betrag von ca S 70.000,-- sowie Konto Nr. 418691652-0 mit einem aushaftenden Betrag von ca S 210.000,--.

Mit Beschluss ON 2 stellte das Erstgericht fest, dass für die vier im Scheidungsvergleich genannten Darlehen die Zweitantragstellerin Hauptschuldnerin sei, während der Erstantragsteller Ausfallsbürge werde.

Die rekurswerbende Gläubigerin beantragt unter gleichzeitiger Vorlage der diesbezüglichen Darlehensurkunden in ihrem Rekurs, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass für die bei der Rekurswerberin bestehenden Verbindlichkeiten aus dem Darlehenskonto Nr. 418891652-0 keine Haftungsbeschränkung gemäß § 98 EheG festgestellt werde und für das Darlehenskonto Nr. 49096550-4 eine zusätzliche Ausfallsbürgschaft des Erstantragstellers nicht bestehe. Für den in Punkt 2 genannten Kredit hafte die Zweitantragstellerin allein, für den in Punkt 4 genannten Kredit hafte der Erstantragsteller allein, sodass für die Anwendung des § 98 EheG kein Raum sei.

Das Rekursgericht wies diesen Rekurs als unzulässig zurück und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu, weil eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht vorliege.

Hinsichtlich des unter Punkt 2 genannten Kredits sei die Rekurswerberin in ihrer Rechtsstellung nicht beschwert, weil sie durch den Beschluss höchstens einen zusätzlichen (Ausfalls-)Bürgen erhalte.

Hinsichtlich des unter Punkt 4 genannten Kredits 418691652-0 habe die Rechtsmittelwerberin keinen Rekurs erhoben; sie habe nur hinsichtlich eines Kontos Nr. 418891652-0 Rekurs erhoben. Die Entscheidung des Erstgerichts betreffe jedenfalls nicht das Darlehen zum letztgenannten Konto. Auf die Rechtsverhältnisse betreffend dieses Konto könne der Beschluss daher keine Auswirkung haben. Sollte das im Scheidungsvergleich genannte Konto ebenfalls existieren, sei diesbezüglich kein Rechtsmittel erhoben worden. Falls es aber nicht existiere, betreffe der angefochtene Beschluss ein nichtexistentes Konto und könne daher keinerlei Rechtswirkungen entfalten. Somit liege die im Rekurs behauptete Beschwer der Rechtsmittelwerberin nicht vor.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der genannten Gläubigerin mit dem Antrag, den Revisionsrekurs als zulässig zu erachten, ihm stattzugeben und den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass für die bei ihr bestehenden Verbindlichkeiten der beiden Antragsteller keine Haftungsbeschränkung gemäß § 98 EheG festgestellt werde, sodass diese beiden Darlehen in den Beschluss des Erstgerichtes nicht aufzunehmen seien; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Der Erstantragsteller beantragt in der ihm freigestellten Revisionsrekursbeantwortung dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Revisionsrekurs ist hinsichtlich Punkt 2 des erstgerichtlichen Beschlusses (Konto Nr. 4909655 bzw 49096550-4) mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, weil die Entscheidung des Rekursgerichtes, dass die rekurswerbende Gläubigerin durch diesen Punkt des Beschlusses nicht beschwert und deshalb der Rekurs als unzulässig zurückzuweisen sei (JBl 1961, 605 uva), im Rahmen der oberstgerichtlichen Rechtsprechung liegt und dem Rekursgericht hiebei keine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen ist: Die Rekurswerberin hat diesbezüglich kein Rechtschutzinteresse (SZ 39/179 uva), weil ihre Rechtsstellung dadurch nicht beeinträchtigt wird. Mag auch der erstgerichtliche Beschluss objektiv unrichtig sein, weil nur die Zweitantragstellerin Darlehensnehmerin ist und daher § 98 EheG gar nicht anzuwenden gewesen wäre, weil Voraussetzung für dessen Anwendung die Haftung beider Ehegatten ist (näheres siehe unten), bleibt die Zweitantragstellerin ihre (Haupt-)Schuldnerin. Da sie von der Ausfallsbürgschaft des Erstantragstellers keinen Gebrauch machen muss, ist sie durch die objektiv unrichtige Entscheidung nicht beschwert (siehe Gamerith, Die Kreditmithaftung geschiedener Ehegatten nach § 98 EheG, RdW 1987, 183 [190]).

2. Hinsichtlich des Punktes 4 des erstgerichtlichen Beschlusses (Konto Nr. 418691652-0 bzw 418891652-0) ist der Revisionsrekurs jedoch zulässig und im Sinn der Aufhebung und Rückverweisung an das Rekursgericht auch berechtigt.

Die Vorschrift des § 98 EheG bezieht sich ausdrücklich nur auf Vereinbarungen über die Rückzahlungspflicht im Innenverhältnis nach den §§ 55a oder 97 Abs 2 EheG. Nur die dort bezeichneten Vereinbarungen können Grundlage einer Entscheidung nach § 98 EheG sein; für eine ausdehnende Auslegung des § 98 EheG besteht kein Raum (6 Ob 531/88 = SZ 61/54 = RdW 1988, 351).

Haften nicht beide Ehegatten persönlich im Außenverhältnis, kann nach

dem klaren Wortlaut des Gesetzes § 98 EheG keine Anwendung finden (AB

729 BlgNR 16. GP 4, zu Art II Z 2; 8 Ob 22/88 = RZ 1989/14 = RdW

1989, 98 = EF 57.447; Pichler in Rummel Komm ABGB II2 Rz 5 zu § 98

EheG mwN, insb Gamerith, aaO 187 mwN in FN 26).

Gemäß § 229 Abs 1 zweiter Satz AußStrG ist der Kreditgeber im ersten Rechtsgang in erster Instanz dem Verfahren nicht beizuziehen; ihm ist jedoch die Entscheidung erster Instanz zuzustellen (8 Ob 406/97y); in diesem Stadium ist ihm rechtliches Gehör einschließlich Rechtsmittellegitimation zu gewähren und kann gegen die erstinstanzliche Entscheidung gegebenenfalls - bei Vorliegen eines Rechtschutzinteresses - ein Rechtsmittel ergreifen, für das nicht einmal das eingeschränkte Neuerungsverbot des § 10 AußStrG gilt, weshalb die Regelung auch nicht verfassungsrechtlich bedenklich ist (5 Ob 571/87 = RZ 1988/1; Pichler aaO Rz 11 mwN, insb Gamerith aaO 191 f; M. Bydlinski, ÖBA 1988, 468 f).

Dem Gläubiger sollte aber im Allgemeinen - von sittenwidrigen Regelungen abgesehen - kein Einfluss auf die Entscheidung zukommen, welcher Ehegatte Ausfallsbürge wird (4 Ob 589/95 = SZ 68/219). Nach dem Willen des Gesetzgebers (AB 729 BlgNR 16. GP 3 f) soll dem Gläubiger nur ausnahmsweise ein für eine Bekämpfung der Entscheidung nach § 98 EheG erforderliches Rechtschutzinteresse zustehen (8 Ob 604/90 = EvBl 1990/154 = ecolex 1990, 606 = ÖBA 1991, 130 = JBl 1991, 319 ua). Die Erläuterungen nennen als Beispiel hiefür den Fall, dass überhaupt nur ein Ehegatte haftet, der nun durch die Vereinbarung zum bloßen Ausfallsbürgen gemacht wurde (AB 4). Gerade ein solcher Fall liegt hier vor. Der Rechtsmittelwerberin ist daher ein Rekursrecht zuzubilligen (siehe auch Gamerith aaO 189 f).

Zu Recht macht die Rechtsmittelwerberin geltend, dass das Rekursgericht eine erhebliche Rechtsfrage des Verfahrens rechtsunrichtig - und zwar in einer unvertretbaren Weise - gelöst hat. Gemäß § 2 Abs 2 Z 5 AußStrG ist dem Gericht die Verpflichtung auferlegt, alle wesentlichen Umstände und Verhältnisse von Amts wegen zu prüfen und zu berücksichtigen. Das Rekursgericht hat die an ihn erstmals im Rekursverfahren herangetragenen und herantragbaren Umstände einer kritischen Prüfung zu unterziehen, um so das Zustandekommen einer sachlich richtigen Entscheidung zu gewährleisten. Unterbleibt eine solche Prüfung, ist das Rekursgericht mit einem Mangel behaftet, der gemäß § 15 Z 2 AußStrG im Revisionsrekurs geltend gemacht werden kann (1 Ob 2292/96g = RZ 1997/57 = EvBl 1997/103 ua).

Im vorliegenden Fall liegt insbesondere im Hinblick auf den beigelegten Kreditvertrag nahe, dass dem Rekurswerber ein Schreibfehler unterlaufen ist. Hätte die Rekurswerberin nicht - wie sie nunmehr in ihrem Revisionsrekurs ausführt - irrtümlich die Konto Nr. 418891652-0 anstatt 418691652-0 genannt, hätte das Rekursgericht den Rekurs diesbezüglich nicht mangels Beschwer als unzulässig zurückweisen können: Nach dem Vorbringen der Rekurswerberin, das durch die beiliegende Darlehensurkunde bescheinigt war, war Alleinschuldner dieses Kredits der Zweitantragsteller; wurde durch den erstgerichtlichen Beschluss dessen Stellung auf die eines Ausfallsbürgen beschränkt, wäre die Gläubigerin in ihren Rechten unzulässiger Weise beschränkt worden und durch den erstgerichtlichen Beschluss beschwert (siehe oben).

Das Rekursgericht wäre zur Aufklärung der Differenz bezüglich der Kontonummern verpflichtet gewesen und hätte den Rekurs nicht ohne weiteres aus dem formellen Grund, dass in diesem ein anderes Konto als im Beschluss genannt ist (es unterscheidet sich nur durch eine Ziffer!) "mangels Beschwer" zurückweisen dürfen. Der Zurückweisungsbeschluss ist daher insoweit zu beheben und dem Rekursgericht die Entscheidung über den Rekurs aufzutragen. Der Kostenvorbehalt hinsichtlich dieses Teils des Rechtsmittels beruht auf § 52 Abs 1 ZPO iVm § 234 AußStrG.

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