Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Text
Begründung
Die am 10. 2. 1999 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung verstorbene Ernestine L***** war die Lebensgefährtin des am 3. 10. 1998 verstorbenen Richard P*****. Dieser hat Ernestine L***** mit Testament zur Alleinerbin eingesetzt; er hinterließ zwei leibliche Kinder, nämlich Heinz P***** und Karin S*****. Diese meldeten in der Verlassenschaft nach Ernestine L***** eine Forderung in der Höhe von 1/4 des Reinnachlasses als Pflichtteilsforderung, die ihnen in der Verlassenschaft nach Richard P***** zustehe, an. Sie brachten dazu vor, die Erblasserin und ihr Vater hätten seit Jahrzehnten gemeinsam gelebt und gemeinsam Vermögenswerte angespart. Sie seien in der Verlassenschaft nach ihrem Vater als erblasserische Kinder pflichtteilsberechtigt, der diesbezügliche Anspruch betrage die Hälfte des Reinnachlasses. Da in der Verlassenschaft nach Ernestine L***** beträchtliche Vermögenswerte vorhanden seien, die diese allein nie hätte ansparen können, werde eine Forderung in der Höhe von 1/4 des Reinnachlasses geltend gemacht. Weiters beantragten sie die Nachlassseperation und Bestellung eines Separationskurators mit der Begründung, es seien in der Verlassenschaft nach ihrem Vater für die Auszahlung der Pflichtteilsansprüche keine Vorkehrungen getroffen worden. Sie liefen bei der Vermischung des Vermögens der Verlassenschaft nach ihrem Vater mit der Verlassenschaft nach Ernestine L***** sowie nach Einantwortung an die zu einem erheblichen Teil im Ausland lebenden Erben in Gefahr, dass ihr unstrittiger Anspruch nicht berichtigt werde.
Mit Beschluss vom 7. 6. 1999 wurde für die nicht vertretene Verlassenschaft nach Ernestine L***** ein Verlassenschaftskurator gemäß § 78 AußStrG bestellt. Sieben Personen (davon sechs im Ausland wohnhaft) haben aufgrund des Gesetzes nach Ernestine L***** bedingte Erbserklärungen abgegeben. Vier weitere im Ausland wohnhafte Personen haben ebenfalls aufgrund des Gesetzes unbedingte Erbserklärungen abgegeben.
Das Erstgericht wies den Antrag auf Separation des Nachlasses und Bestellung eines Separationskurators ab.
In rechtlicher Hinsicht führte es aus, das Vorbringen der Verlassenschaftsgläubiger sei grundsätzlich als hinreichend konkretisierte Behauptung der für eine Separation erforderlichen subjektiven Besorgnis anzusehen. Allerdings sei in der Verlassenschaft nach Ernestine L***** ein Kurator bestellt worden, weshalb die Erben nicht verwaltungsberechtigt seien. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt könnten sie über den Nachlass nicht verfügen. Es sei daher keine drohende Gefahr gegeben und würde sich durch die Separation keine größere Sicherheit für die Ansprüche der Pflichtteilsberechtigten nach Richard P***** ergeben. Was die Zeit nach Einantwortung betreffe, so sei zumindest ein Erbe in Österreich wohnhaft. Etwa die Hälfte der Übrigen lebe im europäischen Ausland. Im Hinblick auf die durch geltende Vollstreckungsabkommen erleichterte exekutive Durchsetzung der Ansprüche in den Mitgliedstaaten der EU liege eine ernstliche Gefährdung der Pflichtteilsberechtigten nach Richard P***** nicht vor.
Das von den Verlassenschaftsgläubigern angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, es sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteige S 260.000, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig.
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Rekursgericht die Ansicht, es seien die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Nachlassseparation und Bestellung eines Nachlasskurators grundsätzlich gegeben. Ob die Ansicht des Erstgerichtes, es liege keine ernstliche Gefährdung der Pflichtteilsberechtigten nach Richard P***** vor, zutreffend sei, könne dahingestellt bleiben; maßgeblich sei lediglich, dass auf das derzeitige Verfahrensstadium abzustellen sei und bei Vorhandensein eines Verlassenschaftskurators eine Gefährdung der Ansprüche der Verlassenschaftsgläubiger nicht gegeben sei. Derzeit könne nur der Nachlasskurator Verfügungen über den Nachlass treffen. Solange dieser bestellt sei, seien die Voraussetzungen des § 812 ABGB nicht gegeben.
Den ordentlichen Revisionsrekurs erachtete das Rekursgericht für zulässig, weil zur Frage der Vorbeugung einer künftigen Gefährdung der Ansprüche der Verlassenschaftsgläubiger bei Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens und Wegfall des Verlassenschaftskurators keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Verlassenschaftsgläubiger mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass die Nachlassseparation bewilligt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Rekurs ist zulässig und im Sinne seines Aufhebungsantrages auch berechtigt.
Die Nachlassgläubiger machen in ihrem Rechtsmittel geltend, würde man die Zulässigkeit der Nachlassseparation verweigern, hätte dies zur Folge, dass die Gläubiger zumindest 14tägig in den Verlassenschaftsakt Einblick nehmen müssten, um zu vermeiden, dass allenfalls der Nachlass rechtskräftig eingeantwortet werde und sie ihre Ansprüche mühevollst und trotz Vorliegens der Vollstreckungsabkommen äußerst schwierig, falls überhaupt, unter der Anwendung fremden Rechtes im Ausland geltend machen müssten.
Rechtliche Beurteilung
Hiezu wurde erwogen:
Besorgt ua ein Erbschaftsgläubiger, dass er durch Vermengung der Verlassenschaft mit dem Vermögen des Erben für seine Forderung Gefahr laufen könne, so kann er vor der Einantwortung verlangen, dass die Erbschaft von dem Vermögen des Erben abgesondert, vom Gerichte verwahrt, oder von einem Kurator verwaltet, sein Anspruch darauf vorgemerkt und berichtigt werde (§ 812 erster Satz ABGB). Die Bewilligung der Nachlassseparation setzt zunächst eine Bescheinigung der Forderung der Antragsteller voraus, welche hier nicht strittig ist. Weiters sind konkrete Umstände zu behaupten, die bei vernünftiger Überlegung eine subjektive Besorgnis begründen können, die Forderung werde für den Gläubiger nicht einbringlich sein; einer Bescheinigung der Gefährdung bedarf es nicht, die Besorgnis muss aber schlüssig behauptet werden (RIS-Justiz RS0013068; 6 Ob 32/01a). Die Nachlassseparation ist aber nicht an strenge Bedingungen zu knüpfen, es genügt jede hinreichend motivierte Besorgnis des Antragstellers, dass der Erbe den Nachlass und damit den Befriedigungsfonds für die Nachlassforderung schmälern könnte. Die Absonderung soll allen denkbaren Gefahren vorbeugen, die Gefahr der Vermengung des Nachlasses mit dem Vermögen des Erben ist nur als Beispiel einer Gefahr genannt. Die Möglichkeit der Verbringung des Nachlassvermögens durch im Ausland wohnhafte Erben begründet eine solche Besorgnis, weil damit eine Erschwerung der Verfolgung und Vollstreckung der Ansprüche des Nachlassgläubigers verbunden ist (RIS-Justiz RS0013087; RZ 1997/30).
Dass sich der Nachlass in gerichtlicher Verwahrung befindet oder letztwillig ein Verwalter bestellt wurde, ist nach Lehre und Rechtsprechung kein Hindernis für eine Nachlassabsonderung (RZ 1997/30; Welser in Rummel³, ABGB, Rz 4 zu § 812 mwN), weil die Absonderung auch nach der Einantwortung fortdauert (RZ 1997/30). Es stellt daher auch die im vorliegenden Fall erfolgte Bestellung eines Nachlasskurators kein Hindernis für die Nachlassseparation dar, weil auch seine Vertretungsmacht mit dem Eintritt der durch die Einantwortung bewirkten Gesamtrechtsnachfolge erlischt (EvBl 1981/199). Es sind somit im vorliegenden Fall grundsätzlich die Voraussetzungen für eine Nachlassseparation gegeben. Etwas Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der vom Rekursgericht zitierten Entscheidung SZ 61/131. Richtig ist zwar, dass in dieser Entscheidung ausgeführt wurde, dass bei der Entscheidung grundsätzlich vom derzeitigen Stand auszugehen sei. Allerdings wurde in der Entscheidung die Nachlassseparation letztlich deshalb abgelehnt, weil die Sicherung durch den Nachlasskurator nach Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens durch jene Maßnahmen ersetzt wurde, die das Gesetz zugunsten Substitutionsberechtigter vorschreibt. Der Oberste Gerichtshof hat daher in dieser Entscheidung letztlich nicht nur auf den gegenwärtigen Stand abgestellt, sondern auch berücksichtigt, dass die Rechte der Substitutionsberechtigten auch nach Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens gesichert waren.
Da das Erstgericht aber die erbserklärten Erben als materielle Beteiligte zum Absonderungsantrag nicht gehört hat, eine solche Anordnung jedoch - sofern dem Antrag nicht offenbar keine Berechtigung zukommt - schon dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs zufolge geboten ist (RZ 1997/30) sind die vorinstanzlichen Entscheidungen aufzuheben.
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