Spruch:
Die Akten werden dem Erstgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, die Frage der Prozessfähigkeit der klagenden Partei im Zeitpunkt der der Klagsführung zugrundeliegenden Vollmachtserteilung zu klären und erforderlichenfalls gemäß § 6 Abs 2 ZPO vorzugehen.
Text
Begründung
Mit seiner durch den bevollmächtigten Klagevertreter am 28. 5. 1999 bei Gericht eingebrachten Klage nahm der Kläger die Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes auf Zahlung von Schmerzengeld und auf Feststellung in Anspruch. Er sei am 4. 6. 1997 von einem Baugerüst 12 Meter in die Tiefe gestürzt und habe schwere Verletzungen, unter anderem im Kopfbereich erlitten. Der Zweitbeklagte habe dem Kläger den Auftrag gegeben, das Gerüst zu besteigen, obwohl ihm bekannt gewesen sei, oder zumindest hätte bekannt sein müssen, dass das Gerüst noch nicht freigegeben war und dass zur Absicherung dienende Verstrebungen fehlten. Die Erstbeklagte habe für ihren Repräsentanten einzustehen.
Die Beklagten bestritten und wendeten im Wesentlichen ein, der Kläger sei bei einem auf der Baustelle selbständig agierenden Unternehmen beschäftigt gewesen und infolge eigener Entscheidung in den Gefahrenbereich gelangt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil dem Kläger - als mit auf Baustellen möglichen Gefahren vertrautem Handwerker - das Fehlen der zur Absicherung dienenden Querstangen erkennbar gewesen sei. Er hätte seine Arbeiten entweder einstellen oder den Gefahrenbereich meiden müssen. Ein Verschulden des Zweitbeklagten, der den Kläger zur Arbeit auf dem unfertigen Gerüst aufgefordert habe, trete demgegenüber zurück.
Das Berufungsgericht hob die Abweisung des Feststellungsbegehrens gegenüber der Erstbeklagten - infolge zwischenzeitig über deren Vermögen erfolgter Konkurseröffnung und mangels Anmeldung des Anspruchs im Konkurs - wegen Rechtswegunzulässigkeit als nichtig auf und stellte mit Teilzwischenurteil unter Abweisung des Mehrbegehrens die darüberhinausgehenden Ansprüche des Klägers - in Ansehung der Erstbeklagten als Konkursforderung - mit zwei Drittel als zu Recht bestehend fest. Hinsichtlich des gegen den Zweitbeklagten gerichteten zu zwei Drittel als berechtigt erkannten Feststellungsbegehrens hob es das erstinstanzliche Urteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, dass Revision und Revisionsrekurs zulässig seien. Der Zweitbeklagte habe gegen Bestimmungen der Bauarbeiterschutzverordnung (BV) und damit gegen Schutzgesetze im Sinne des § 1311 ABGB verstoßen, weil er dem Kläger den Auftrag zum Besteigen des nicht fertig montierten Gerüstes erteilt habe. Die Erstbeklagte habe für das Fehlverhalten ihres Repräsentanten einzustehen. Der Kläger habe allerdings ein nicht unerhebliches Mitverschulden zu vertreten, das mit einem Drittel zu bewerten sei. Das Erstgericht werde im fortgesetzten Verfahren Feststellungen zur Höhe des angemessenen Schmerzengeldes und zur Berechtigung des gegen den Zweitbeklagten verbliebenen Feststellungsbegehrens zu treffen haben.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen haben beide Beklagte Revision erhoben, über die allerdings noch nicht entschieden werden kann:
Mit seinem am 29. 9. 2000 beim Erstgericht eingelangten Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe (ON 21) gab der Kläger unter anderem bekannt, seine Lebensgefährtin sei für ihn zum einstweiligen Sachwalter bestellt worden. Er legte gleichzeitig einen Beschluss des Pflegschaftsgerichtes vom 14. 7. 2000 vor, mit dem unter anderem dem einstweiligen Sachwalter gemäß § 238 Abs 2 AußStrG auch die Besorgung der Einkommens- und Vermögensverwaltung und die Vertretung vor Ämtern und Behörden übertragen wurde. Aus der Begründung ergibt sich, dass nach den Angaben der Lebensgefährtin der Betroffene wegen eines Schädel-Hirn-Traumas nicht mehr in der Lage sei, seine Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen. Aufgrund der persönlichen Anhörung durch das Gericht lägen konkrete Hinweise dafür vor, dass der Betroffene wegen einer psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung nicht in der Lage sei, seine Angelegenheiten selbst zu besorgen.
Gemäß § 6 Abs 1 ZPO ist der Mangel der Prozessfähigkeit in jeder Lage des Rechtsstreites, somit auch noch im Rechtsmittelverfahren, von Amts wegen zu berücksichtigen. Zwar muss die Prozessfähigkeit einer Partei nur im Zeitpunkt der Erteilung der Vollmacht an den Rechtsanwalt gegeben gewesen sein, ihr späterer Verlust während des Rechtsstreits ist ohne Belang (RIS-Justiz RS0035154), jedoch ist es hier nach der Aktenlage naheliegend, das die Bestellung des einstweiligen Sachwalters begründende Schädel-Hirn-Trauma auf den klagsgegenständlichen Unfall zurückzuführen. Es bestehen daher erhebliche Zweifel, ob die Prozessfähigkeit des Klägers im Zeitpunkt der Erteilung der Vollmacht an den Klagevertreter gegeben war. Das Erstgericht wird die Frage der Prozessfähigkeit des Klägers im mehrfach beschriebenen Zeitpunkt zu klären und erforderlichenfalls das Sanierungsverfahren gemäß § 6 Abs 2 ZPO durchzuführen haben. Schon jetzt ist darauf zu verweisen, dass eine allfällige Genehmigung der Prozessführung durch den einstweiligen Sachwalter gemäß §§ 282, 228, 154 Abs 3 ABGB der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedürfte (6 Ob 708/89; RIS-Justiz RS0048203; RS0048207; Fasching LB2 Rz 355).
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