OGH 2Ob333/01m

OGH2Ob333/01m10.1.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon.-Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Margot M*****, vertreten durch Dr. Michael Kinberger und Dr. Alexander Schuberth, Rechtsanwälte in Zell am See, wider die beklagte Partei ***** I***** AG *****, vertreten durch Dr. Sieglinde Lindmayr, Dr. Michael Bauer, Dr. Günter Secklehner, Kommandit-Partnerschaft in Liezen, wegen Zahlung von S 268.988,34 sA und einer Rente, über die Rekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 13. September 2001, GZ 2 R 107/01z-49, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 27. März 2001, GZ 4 Cg 134/98g-42, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Rekurse werden zurückgewiesen.

Die Parteien haben die Kosten ihrer Rekursbeantwortungen selbst zu tragen.

Text

Begründung

Gemäß §§ 528a, 510 Abs 3 ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof bei der Zurückweisung eines Rekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Die Klägerin wurde bei einem Verkehrsunfall am 2. 8. 1993 verletzt; die beklagte Partei haftet ihr für die Unfallsfolgen, insbesondere einen allfälligen Verdienstentgang, als KFZ-Haftpflichtversicherer des Unfallgegners.

Die Klägerin begehrt von der beklagten Partei den Ersatz ihres Verdienstentganges.

Das Berufungsgericht hob die Entscheidung des Erstgerichtes im Umfange der Anfechtung auf und sprach aus, der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig.

Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes vertrat es die Meinung, der Klägerin sei es zumutbar, in einem anderen Betrieb tätig zu sein. Natürlich sei es für sie angenehmer, im Betrieb ihres Lebensgefährten (weiter) zu arbeiten, damit sie auch ihre Haushaltspflichten leichter erfüllen könne. Dies könne aber nicht entscheidend sein, käme es doch einem Anspruch der Klägerin auf einen ganz bestimmten Arbeitsplatz gleich, was dem Interesse der beklagten Partei sowie dem Grundsatz des redlichen Verkehrs zuwiderliefe, müssten sich doch unselbständig Erwerbstätige durchaus auf einen zumutbaren anderen Arbeitsplatz verweisen lassen und sei ein gewisses "Pendeln" im ländlichen Raum geradezu die Regel. Der Klägerin sei daher grundsätzlich eine Verletzung der Schadensminderungspflicht anzulasten.

Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil eine Rechtsprechung zu der hier wesentlichen Frage, ob darin grundsätzlich eine Verletzung der Schadensminderungspflicht liege, dass sich ein Lebensgefährte weigere, außerhalb des Familienbetriebes des anderen einer Ersatzbeschäftigung nachzugehen und welche Kriterien für deren Zumutbarkeit maßgeblich seien, fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von beiden Parteien erhobenen Rekurse sind wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage - der gegenteilige Ausspruch des Berufungsgerichtes ist nicht bindend - unzulässig.

Was dem Geschädigten im Rahmen der Schadensminderungspflicht zumutbar ist, bestimmt sich nach den Interessen beider Teile und den Grundsätzen des redlichen Verkehrs, wobei es wesentlich auf die Umstände des Einzelfalles ankommt (RIS-Justiz RS0027787; SZ 70/108). Eine Verletzung der dem Geschädigten obliegenden Schadensminderungspflicht liegt auch dann vor, wenn es der Geschädigte schuldhaft unterlässt, einem ihm nach den Umständen zumutbaren Erwerb nachzugehen (RIS-Justiz RS0027143; zuletzt 2 Ob 324/00m). Wegen der Einzelfallbezogenheit kommt daher der Frage, inwieweit der Geschädigte einen anderen Arbeitsplatz annehmen hätte müssen, keine Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu. Eine grobe Fehlbeurteilung, die aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit wahrzunehmen wäre, kann in der Ansicht des Berufungsgerichtes, unter Umständen müsse der Geschädigte seinen Beschäftigungsort wechseln, nicht erblickt werden (vgl Rixecker in Geigel, Der Haftpflichtprozess23, 52).

Die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage erfüllt sohin nicht die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO.

Aber auch in den Rekursen der Streitteile werden keine erheblichen Rechtsfragen dargetan.

Die Klägerin meint, ihr Verdienstentgang hätte objektiv-abstrakt nach § 273 ZPO geschätzt werden müssen. Richtig ist zwar, dass die Rechtsprechung in bestimmten Fällen ausgesprochen hat, die wirtschaftlich eingesetzte Arbeitskraft stelle einen selbständigen Wert dar, der bei Vernichtung dieser Arbeitskraft vom Schädiger zu ersetzen sei (RIS-Justiz RS0030658; RS0030621; JBl 1999, 185). Allerdings dürfen konkrete und abstrakte Berechnungsmethode nicht miteinander verquickt werden (ZVR 1985/11), es besteht kein Wahlrecht des Geschädigten (2 Ob 177/99i). Die auf eine rein konkrete Berechnung des Verdienstentgangsanspruchs der Klägerin abstellende Entscheidung des Berufungsgerichtes entspricht dieser Rechtsprechung, weshalb auch insoweit die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht gegeben sind. Dass es - entgegen der im Rekurs vertretenen Ansicht - bei der Frage der Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit nicht auf die medizinisch pyhsiologische Arbeitsfähigkeit ankommt, entspricht ebenfalls der Judikatur (2 Ob 324/00m mwN).

Auch im Rekurs der beklagten Partei wird keine erhebliche Rechtsfrage dargetan. Wie schon oben ausgeführt, kommt der Frage der Zumutbarkeit einer anderen Erwerbsfähigkeit keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Insoweit im Rekurs der beklagten Partei von den Feststellungen der Vorinstanzen abgewichen wird, ist darauf nicht einzugehen.

Beide Rechtsmittel waren deshalb zurückzuweisen.

Beide Parteien haben die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen, weil sie auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der anderen Partei nicht hingewiesen haben.

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