Spruch:
Der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
Hingegen wird dem Revisionsrekurs der Antragsteller Folge gegeben.
Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Die Wohnrechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen.
Text
Begründung
Die von den Antragstellern am 17. 9. 1992 beantragte Überprüfung der Grund und Baukosten ihrer von der Antragsgegnerin - einer gemeinnützigen Bauvereinigung - erworbenen Reihenhäuser führte im erstinstanzlichen Verfahren zum Ergebnis, dass eine Überschreitung der angemessenen Preise in der Höhe von mehreren Mio Schilling festgestellt und die Antragsgegnerin verpflichtet wurde, den Antragstellern Beträge zwischen S 79.366,19 und S 239.522,37 zurückzuzahlen. Als berechtigt wurde hingegen der Einbehalt von Baukosten-Skonti und durch die Antragsgegnerin auf Grund der in Punkt VIII. der Anwartschaftsverträge enthaltenen Vereinbarung angesehen. Es geht dabei um Beträge von S 705.711,67 für den Bauabschnitt I (die Häuser 39 bis 52), S 343.482,31 für den Bauabschnitt II (die Häuser 53 bis 59) und S 348.679,38 für den Bauabschnitt III (die Häuser 60 bis 66). Begründet wurde dies vom Erstgericht wie folgt:
Nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 12. 2. 1985, 5 Ob 66/83 (MietSlg 37.690) stehe gemeinnützigen Bauvereinigungen das Recht zu, branchenüblichen Skonti zur Eigenkapitalisierung zu behalten. Die Antragsteller hätten selbst vorgebracht, dass die Antragsgegnerin von den beschäftigten Bauunternehmen Barzahlungsnachlässe von 3 % erhalten habe, was durchaus branchenüblich sei. Die Vereinbarung, die Skonti einzubehalten, die offenbar in Ablehnung an die erwähnte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes getroffen wurde, sei daher gemäß § 21 Abs 1 Z 1 WGG rechtswirksam.
Das sowohl von den Antragstellern als auch von der Antragsgegnerin angerufene Rekursgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung, und zwar den die Baukosten-Skonti betreffenden Teil aus folgenden Erwägungen:
Der Oberste Gerichtshof habe mittlerweile in einer zweiten Entscheidung - 5 Ob 288/99k - ausgesprochen, dass gemeinnützige Bauvereinigungen Baukosten-Skonti einbehalten dürfen, und zwar als Ersatz von Zwischenfinanzierungskosten. Skonti enthielten nämlich eine Finanzierungskomponente. Sie würden ua als üblicher Ersatz der Kosten einer kurzfristigen Fremdfinanzierung bzw des Zinsenentgangs bei einer Finanzierung aus Eigenmitteln gedeutet. So betrachtet dürften sie in der Höhe der tatsächlichen Aufwendungen für Fremdgelder oder - bei Einsatz von Eigenmitteln - nach Maßgabe des § 14 Abs 1 Z 3 WGG 1979 in der Höhe entgangener Zinsen einbehalten werden. Von einer Verletzung des Kostendeckungsprinzips und damit von einer Teilnichtigkeit einer diesem Prinzip widersprechenden Preisvereinbarung könne nur dann gesprochen werden, wenn insgesamt mehr verrechnet werde, als die Entgelts- bzw Preisbestimmungen des WGG zulassen. Andernfalls würde in Verletzung des auch die gemeinnützigen Bauvereinigungen bindenden Kostendeckungsprinzips jeder Kalkulations- oder Verrechnungsfehler zu Lasten der gemeinnützigen Bauvereinigung gehen. Mit dieser Entscheidung (so meinte das Rekursgericht, ohne über Verfahrensergebnisse zu verfügen, die über die Außerstreitstellung der gegenständlichen Baukosten-Skonti hinausgingen) sei klargestellt, dass die von der Antragsgegnerin lukrierten Skonti zulässiger Weise einbehalten wurden.
Diese Entscheidung enthält iVm dem rekursgerichtlichen Beschluss vom 22. 6. 2001 den Ausspruch, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes in Ansehung jeder einzelnen antragstellenden Partei S 130.000,-- übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs jeweils nicht zulässig sei. Rechtsfragen iSd § 528 Abs 1 ZPO hätten sich nämlich nicht gestellt.
Der rekursgerichtliche Sachbeschluss wurde neuerlich sowohl von den Antragstellern als auch von der Antragsgegnerin angefochten. Während die Antragsteller mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs die Feststellung der Überschreitung der angemessenen Kaufpreise für ihre Reihenhäuser auch in Ansehung der einbehaltenen Baukosten-Skonti anstreben und einen diesbezüglichen Abänderungs-, hilfsweise einen Aufhebungsantrag gestellt haben, will die Antragsgegnerin mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs erreichen, dass der Sachantrag der Antragsteller abgewiesen wird. Auch sie hat idS primär einen Abänderungs-, hilfsweise einen Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Zweckmäßiger Weise ist zuerst auf den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin einzugehen.
Er erweist sich gemäß § 22 Abs 4 WGG iVm § 37 Abs 3 Z 16 bis Z 18 MRG mangels Erfüllung der in § 528 Abs 1 ZPO für die Anrufung des Obersten Gerichtshofes normierten Voraussetzungen als unzulässig. Das ist gemäß § 528a, § 510 Abs 3 Satz 3ZPO nicht weiter zu begründen; bemerkt sei nur Folgendes:
1.) Eine von der zweiten Instanz verneinte Nichtigkeit (etwa wie hier die verworfene Einrede der Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs) kann in dritter Instanz nicht mehr aufgegriffen werden (MietSlg 45.498; 5 Ob 76/97f = EWr I/27/140 ua); außerdem ergibt sich die Zulässigkeit der Schaffung eines Rückzahlungstitels eindeutig aus § 22 Abs 4 Einleitungssatz WGG iVm § 37 Abs 4 MRG (idS auch MietSlg 46/5).
2.) Wegen der Vergleichbarkeit von Anträgen nach § 22 Abs 1 Z 6 WGG mit Anträgen nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG kann auf die Judikatur zur letztgenannten Gesetzesbestimmung zurückgegriffen werden. Demnach kommt die Antragslegitimation (und damit die Parteistellung) demjenigen zu, der im Überprüfungszeitraum Mieter bzw Nutzer (im konkreten Fall eben Wohnungseigentümer bzw Wohnungseigentumsbewerber) war (SZ 56/183; MietSlg 38/37; WoBl 1998, 23/6). Wird im Zuge eines Verfahrens nach § 22 Abs 1 Z 6 WGG gemäß Abs 2 leg cit auch die Überprüfung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Baukostenabrechnung begehrt, sind zwar neben den Antragstellern auch alle sonstigen Vertragspartner der gemeinnützigen Bauvereinigung dem Verfahren beizuziehen (MietSlg 42/22 und 46/5), doch sind mit diesen Vertragspartnern, wie sich aus dem Hinweis auf § 13 Abs 1 WGG in § 22 Abs 2 Z 2 WGG eindeutig ergibt, die (ursprünglichen) Wohnungswerber, nicht auch spätere Wohnungseigentümer (deren Rechtsnachfolger) gemeint (vgl MietSlg 42/22).
3.) Zur Frage, ob nicht ausgeführte Leistungen auch im Fall einer Pauschalpreisvereinbarung das angemessene Entgelt iSd §§ 13, 15 WGG schmälern können, fehlt zwar tatsächlich höchstgerichtliche Judikatur; die Frage stellt sich im konkreten Fall jedoch nicht, weil eine echte Pauschalpreisvereinbarung zwischen der Antragsgegnerin und ihrem Bauführer (iS der Festlegung eines Fixpreises für die gesamten Bauleistungen) gar nicht vorliegt. Die Antragsgegnerin hat vielmehr selbst betont, dass ihr wegen der bloßen Pauschalierung einzelner Leistungspositionen Zusatzleistungen in Rechnung gestellt werden durften; dann sind aber auch Minderleistungen gegenüber dem vereinbarten Leistungsumfang als preismindernd zu berücksichtigen. Nur eine solche Vorgangsweise wird dem gesetzlichen Auftrag gerecht, in allen Belangen der Preis- und Entgeltbemessung das Kostendeckungsprinzip und die in § 23 Abs 1 WGG normierten Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu wahren. Demnach dürfen nur gerechtfertigte Aufwendungen auf die Nutzer bzw Wohnungseigentümer überwälzt werden (vgl Keinert, Wohnungsgemeinnützigkeitsrecht und Bauvertragsrecht, WoBl 1994, 166 mwN).
Der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin war demnach zurückzuweisen (§ 22 Abs 4 WGG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG und § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO).
Der Revisionsrekurs der Antragsteller ist hingegen zulässig, weil das
Rekursgericht die jüngste Judikatur des Obersten Gerichtshofes zur
aufgeworfenen Rechtsfrage zwar zitiert (5 Ob 288/99k = WoBl 2000,
90/42 [Call] = ecolex 2000, 196 [Wilhelm] = immolex 2000, 90/55 = JBl
2000, 381 = MietSlg 51/32), aber unrichtig angewendet hat. Der
Antragsgegnerin wurde deshalb die Beantwortung des außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragsteller freigestellt. Sie hat von dieser Möglichkeit auch Gebrauch gemacht und in ihrer Revisionsrekursbeantwortung beantragt, dem gegnerischen Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Der Revisionsrekurs der Antragsteller ist iSd gestellte Aufhebungsbegehrens auch berechtigt.
Zutreffend weisen die Rechtsmittelwerber darauf hin, dass die rekursgerichtliche Entscheidung auf Grund eines offenbaren Missverständnisses mit der jüngsten Judikatur des Obersten Gerichtshofes zur Weitergabe- und Verrechnungspflicht lukrierter Baukosten-Skonti im Bereich des Wohnungsgemeinnützigkeitsrechts nicht im Einklang steht. Dort wurde (mittlerweile auch im zweiten Rechtsgang: 5 Ob 248/01y) festgehalten, dass eine gemeinnützige Bauvereinigung die im Zuge der Bauabwicklung lukrierten Skonti grundsätzlich den Nutzern bzw Wohnungseigentumsbewerbern weiter zu geben hat, weil nach dem Kostendeckungsprinzip nur tatsächlich aufgewendete Baukosten auf die Nutzer bzw Käufer der Wohnungen überwälzt werden dürfen. Lukrierte Skonti schmälern aber den für die Errichtung einer Baulichkeit aufgewendeten Betrag. Eine Ausnahme von diesem aus dem gesetzlichen Kostendeckungsprinzip abgeleiteten Verbot des Einbehalts lukrierter Baukosten-Skonti besteht nur insoweit, als sie den Aufwand der gemeinnützigen Bauvereinigung für die Fremd- oder Eigenmittelfinanzierung der vorfälligen Bezahlung einer Bauleistung abgelten, oder wenn durch den Einbehalt der Skonti das Kostendeckungsprinzip gar nicht verletzt wurde, weil ohnehin den Kunden der gemeinnützigen Bauvereinigung insgesamt nicht mehr verrechnet wurde, als die Entgelts- bzw Preisbestimmungen des WGG zulassen (näheres siehe in 5 Ob 288/99k; vgl Call aaO; Wilhelm aaO).
Davon abzugehen bieten auch die Ausführungen der Antragsgegnerin in der Revisionsrekursbeantwortung keinen Anlass. Ihre Argumente wurden im Wesentlichen schon in der genannten Entscheidung als nicht stichhältig erkannt. Eine jahrelang geübte Praxis kann das gesetzliche Kostendeckungsprinzip nicht außer Kraft setzen, und auch jede Durchführungsverordnung ist so auszulegen und anzuwenden, dass sie den zwingenden gesetzlichen Vorgaben entspricht. Dass das in der Entscheidung 5 Ob 66/83 gebrauchte Argument, für die Eigenkapitalbildung gemeinnütziger Bauvereinigungen sei die Vereinnahmung branchenüblicher Baukosten-Skonti unverzichtbar, an Bedeutung verloren hat, zeigt sich auch im gegenständlichen Fall, in dem die Antragsteller unwidersprochen darauf hingewiesen haben, dass die Antragsgegnerin ohnehin stets den für die Rücklagenbildung vorgesehenen Höchstbetrag ausschöpfte. Was schließlich das von der Antragsgegnerin in Anspruch genommene Vertrauen auf die nur einige Jahre vor der gegenständlichen Vereinbarung vom Obersten Gerichtshof zum Ausdruck gebrachte Billigung der Praxis der gemeinnützigen Bauvereinigungen betrifft, die lurkrierten Baukosten-Skonti als Risikokapital zurückzuhalten, schließt sich der Oberste Gerichtshof der Meinung von F. Bydlinski (Gegen die "Zeitzündertheorien" bei der Rechtsprechungsänderung nach staatlichem und europäischem Recht, JBl 2001, 2 ff) an, dass über den Vertrauensschutz das Streben nach bestmöglicher Rechtserkenntnis zu stellen ist. Ein Verstoß gegen das Rückwirkungsgebot des § 5 ABGB ist daher in der Anwendung der neueren statt der bei Verwirklichung des strittigen Sachverhalts herrschenden Judikatur nicht zu erblicken (vgl im Übrigen Call aaO).
Damit ist die Rechtsmeinung des Rekursgerichtes, dass die Antragsgegnerin die beim gegenständlichen Bauvorhaben lurkrierten Baukosten-Skonti auch nach den Maßstäben der Entscheidung 5 Ob 288/99k zulässiger Weise einbehalten hat, nicht zuhalten. Auch wenn die Höhe dieser Skonti unstrittig feststeht, kann allerdings dem Sachantrag der Antragsteller - wie im Revisionsrekurs primär verlangt - nicht sofort stattgegeben werden. Zu Recht macht nämlich die Antragsgegnerin in ihrer Revisionsrekursbeantwortung geltend, dass mangels Kenntnis des Erstgerichtes von der Entscheidung 5 Ob 288/99k die Möglichkeiten einer Rechtfertigung des Einbehalts der Baukosten-Skonti noch gar nicht erörtert wurden. Das Verfahren wird daher insoweit zu ergänzen sein; sollte eine Preisüberschreitung auch in diesem Punkt festgestellt werden, ist außerdem die Schaffung von Rückzahlungstiteln für jeden einzelnen Antragsteller nach § 22 Abs 4 WGG iVm § 37 Abs 4 MRG zu erwägen.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
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