Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung des Angeklagten wird nicht, hingegen jener der Staatsanwaltschaft Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 20 (zwanzig) Jahre erhöht.
Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Rudolf R***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt, weil er am 3. August 2000 in Wien Emma L***** dadurch, dass er auf sie einschlug und eintrat, sich auf ihren Brustkorb setzte und sie am Hals würgte, vorsätzlich getötet hat.
Die Geschworenen hatten die Hauptfrage nach Mord (stimmenmehrheitlich) bejaht und demzufolge die Eventualfragen 1 und 2 in Richtung Vergewaltigung (§ 201 Abs 1, § 201 Abs 2 StGB), die dazu gestellten uneigentlichen Zusatzfragen 1 und 2 (§ 316 StPO) in Richtung der qualifizierten Todesfolge nach § 201 Abs 3 StGB und die Eventualfragen 3 bis 5 in Richtung absichtlicher schwerer Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§ 87 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB), Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§§ 83 Abs 1, 86 StGB) und schwerer Körperverletzung (§§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB) unbeantwortet gelassen.
Die gegen den Schuldspruch gerichtete, auf § 345 Abs 1 Z 4, 5, 6, 8 und 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.
Rechtliche Beurteilung
Aktenwidrig und zum Teil nur auf Berufungspunkte bezogen (Mayrhofer StPO4 § 433 E 4, § 435 E 1 f) wird unter Z 4 und 5 vorgebracht, die Begründung der Unterbringung nach § 21 Abs 2 StGB stütze sich auf ein Gutachten des Sachverständigen Dr. P***** (US 3 f), das in der Hauptverhandlung nicht vorgekommen sei. Der Beschwerdeführer verkennt, dass es sich bei dem im Urteil zitierten Gutachten um das vom Sachverständigen in der Hauptverhandlung ausgeführte handelt (S 249/II; ON 48 = S 401 bis 476/I).
Auch die übrige Verfahrensrüge (Z 5) versagt.
Der vom Verteidiger im Hinblick auf Behauptungen des Angeklagten, er habe nach dem Tatgeschehen mehrmals beim Opfer angerufen, gestellte Antrag, "die entsprechenden Erhebungen in den beiden Telefonzellen" für den Zeitraum "August/September", Anfang Oktober" des Jahres 2000 vorzunehmen, "ob von diesen Telefonzellen aus die Nummer der Ermordeten angerufen worden ist, zum Beweis dafür, dass der Angeklagte das ihm angelastete Tötungsdelikt zumindest in subjektiver Hinsicht nicht begangen hat" (S 255 f/II), konnte ohne Schmälerung von Verteidigungsrechten abgewiesen werden, weil nicht ersichtlich ist, aus welchen Gründen die angestrebte Beweisaufnahme geeignet sein sollte, Aufschluss über die Willenseinstellung des Angeklagten zur Tatzeit zu geben.
Abgesehen davon, dass der Einwand, durch Abweisung des Antrags auf Vernehmung mehrerer Zeugen zum Beweis dafür, dass der Angeklagte keineswegs gewalttätig und gefährlich sei "und eher, vor allem auch in den letzten Jahren, kein bedrohliches Aggressionspotential mehr aufwies und unter normalen Verhältnissen ein solches bei ihm auch nicht vorliegt, er mit zahlreichen weiblichen Personen ein normales und eher sogar sehr zuvorkommendes Verhältnis pflegte" (S 257/II iVm ON 67), sei die Erstellung der Gefährlichkeitsprognose beeinträchtigt worden, ein Berufungsvorbringen bedeutet (Mayerhofer aaO § 433 E 5), mangelt es bereits dem Antrag an der erforderlichen Präzisierung, auf Grund welcher Wahrnehmungen die genannten Zeugen Angaben zu dem unter Beweis zu stellenden Tatsachen machen könnten. Die in der Beschwerde dazu nachgetragene Erwägungen bedürfen auf Grund des Neuerungsverbotes keiner Erwiderung.
Damit bewirkte auch die Abweisung dieses Antrages keine Verletzung von Verteidigungsrechten.
Die vorgebrachte Kritik an der Fragestellung (Z 6) ist unbegründet.
Zu Unrecht wird die anklagekonforme Stellung der Hauptfrage "Ist Rudolf R***** schuldig, am 3. August 2000 in Wien die Emma L***** dadurch, dass er auf sie einschlug und eintrat, sich auf ihren Brustkorb setzte und sie am Hals würgte, vorsätzlich getötet zu haben?", mit dem Vorbringen gerügt, für ein Eintreten auf die Genannte und ein Würgen am Hals finde sich kein Anhaltspunkt im Akt. Wie in der Beschwerde eingeräumt wird, muss die Hauptfrage mit der Anklage auch hinsichtlich des konkreten Sachverhalts übereinstimmen (Foregger/Fabrizy StPO8 § 312 Rz 2 mwN).
Welche Eventualfrage im Zusammenhang mit den genannten Einwänden vermisst wird, lässt die Beschwerde nicht erkennen.
Entgegen der Auffassung des Angeklagten bestand kein Anlass zur Stellung einer Eventualfrage nach Totschlag (§ 76 StGB), wurde doch ein Tötungsvorsatz von ihm bestritten (S 119, 127, 213/II; Mayerhofer StPO4 § 314 E 23; jüngst 11 Os 107/98) und war nach den Ergebnissen der Hauptverhandlung nicht indiziert.
Eine Zusatzfrage nach dem Vorliegen des in § 11 StGB normierten Schuldausschließungsgrundes war mangels eines Tatsachensubstrats mit konkreten Anhaltspunkten für einen zur Tatzeit wirksamen geistigen Ausnahmezustand des Angeklagten im Sinn dieser Bestimmung nicht indiziert. Die Erörterung der medizinischen Grundlagen eines solchen Zustands durch die Sachverständigen gab zur Stellung der Zusatzfrage ebenso wenig Anlass wie das in der Beschwerde unrichtig zitierte Ergebnis der Begutachtung (S 75 f/II, 249 ff/I iVm 467/I).
Die dazu "hilfsweise" vorgebrachte Instruktionsrüge (Z 8) geht ins Leere, weil die in Rede stehende Zusatzfrage - zu Recht - gar nicht gestellt wurde (Mayerhofer StPO4 § 345 Z 8 E 20).
Die Kritik an der Rechtsbelehrung (Z 8), in welcher der zum Tatbestand des § 75 StGB gehörende zumindest bedingte Vorsatz über den Gesetzeswortlaut (§ 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB) hinaus judikaturkonform erörtert wurde, entzieht sich wegen Unschlüssigkeit einer argumentationsbezogenen Erwiderung, soweit trotz Wiedergabe des genannten Belehrungsinhalts das Fehlen einer Instruktion darüber, "dass der Täter objektiv das mit seinem Handeln verbundene Risiko zu erkennen in der Lage ist", bemängelt wird.
Zur Darlegung des Unterschieds zwischen (bedingtem) Vorsatz und (bewusster) Fahrlässigkeit reichte - entgegen der Beschwerdeauffassung - schon der Gesetzestext aus (Mayerhoferhofer StPO4 § 345 Z 8 E 31a), dem hier noch - korrekte - Erläuterungen beigefügt wurden, die keine Eignung erkennen lassen, die Geschworenen irrezuleiten.
Keine Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen (Z 10a) werden mit dem Vorbringen geweckt, dass am Hals der Toten bei äußerer Betrachtung keine Zeichen grober mechanischer Gewalteinwirkung feststellbar waren und der Angeklagte Spuren seiner Tat nicht beseitige.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Geschworenengericht verurteilte den Angeklagten nach § 75 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von achtzehn Jahren und ordnete gemäß § 21 Abs 2 StGB dessen Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher an.
Bei der Strafzumessung wertete es als erschwerend die vierzehn einschlägigen Vorstrafen sowie die Ausnützung der Wehrlosigkeit des Opfers, als mildernd keinen Umstand.
Dagegen richten sich die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft. Letztere begehrt die Erhöhung der Freiheitsstrafe (in eine lebenslange) unter Aufrechterhaltung der Unterbringungsanordnung, wohingegen der Angeklagte deren Herabsetzung und die Aufhebung der Anordnung der Unterbringung gemäß § 21 Abs 2 StGB beantragt.
Die Berufung der Staatsanwaltschaft erweist sich als berechtigt.
Zutreffend macht die Staatsanwaltschaft geltend, die Strafzumessungstatsachen seien nicht richtig gewertet worden. Davon ausgehend, dass die Strafe umso strenger zu bemessen ist, je größer die Schädigung oder Gefährdung ist, die der Täter verschuldet hat, je rücksichtsloser er die Tat ausgeführt hat und je weniger Vorsicht dagegen hätte gebraucht werden können, hat das Geschworenengericht weder dem sich aus den massiv einschlägig belasteten Vorleben des Angeklagten dokumentierenden erheblichen Charaktermangel noch den Umständen der Tatausführung, nämlich dem besonders brutalen Vorgehen gegen das siebenundachtzigjährige Opfer entsprechende Bedeutung beigemessen. Richtig ist der Vorwurf der Heimtücke, nämlich eines unter einem verwerflichen Vertrauensbruch erfolgten Angriffes auf das ahnungslose Tatopfer, das den Angeklagten in die Wohnung eingeladen hatte, um menschliche Kontakte zu pflegen. Dies fällt ebenso besonders erschwerend ins Gewicht wie der Umstand, dass der Angeklagte trotz des Vollzuges auch langer Freiheitsstrafen und nach Einweisung in eine Anstalt für gefährliche Rückfallstäter wegen massivster Gewaltdelikte neuerlich straffällig geworden ist.
Hingegen vermag der Angeklagte keine zusätzlichen Umstände mildernder Natur darzulegen. Soweit er die "vorgefasste Absicht" und somit den Tötungsvorsatz bestreitet, setzt sich die Berufung unzulässig über den (auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden) Schuldspruch (§ 295 Abs 1 StPO) hinweg. Da der Angeklagte schon seit langem um die schädliche Wirkung übermäßigen Alkoholkonsums auf sein soziales Verhalten wusste (ON 69/II, S 101/II ff), wiegt der Vorwurf, dass er sich in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt hat, die unter den aktuellen Umständen bewirkte verminderte Zurechnungsfähigkeit auf, sodass das Erstgericht diesen ins Trefffen geführten Umstand auch im Zusammenhang mit den von der Sachverständigen angesprochenen Hinweisen auf das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung unter Alkoholeinwirkung (S 71/II f, 199/II f) zu Recht nicht als mildernd berücksichtigt hat.
Die von der Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Psychiatrie Dr. R***** konstatierte psychisch abnorme Persönlichkeitsstruktur mit deutlichen Schwierigkeiten, aggressive Impulse zu kontrollieren (ON 69/II), stellt zwar den Milderungsgrund des § 34 Z 1 StGB dar, doch kommt diesem keine erhöhte Bedeutung bei der Strafbemessung zu, weil sich die daraus resultierende besondere Gefährlichkeit bei Beurteilung spezialpräventiver Belange der Strafe zu Lasten des Angeklagten auswirkt (EvBl 1973/95, 1969/271, 14 Os 15/90; 15 Os 130/98 ua).
Die vernachlässigte Erziehung kann bei einem über 50jährigen Erwachsenen ebensowenig als mildernd zum Tragen kommen wie gegenständlich der (im Zugestehen der Anwesenheit am Tatort bestehende) reklamierte Beitrag zur Wahrheitsfindung. Denn der Angeklagte wurde auf Grund des Auffindens eines Zigarettenstummels am Tatort, der seine DNA-Spuren trug, als Täter ausgeforscht (S 191 in ON 23).
Unter Abwägung der Zahl und des Gewichtes der solcherart erheblich zum Nachteil des Angeklagten komplettierten Strafzumessungsgründe sowie unter gebotener Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung (§ 32 StGB) - einschließlich der vom Berufungswerber für sich ins Treffen geführten Umstände - erachtete der Oberste Gerichtshof eine auf das Höchstmaß der zeitlichen Freiheitsstrafe von 20 Jahren erhöhte Sanktion sowohl der gravierenden personalen Täterschuld als auch dem bedeutenden Unrechtsgehalt der Urteilstat entsprechend als angemessen.
Der Berufung des Angeklagten betreffend die Einweisung nach § 21 Abs 2 StGB ist zu erwidern:
Insoferne die Zeugen Itha D*****, Hertha S*****, Bertha C***** und Waltraud R***** zum Beweis dafür beantragt wurden, dass der Einschreiter "keineswegs gewalttätig und gefährlich ist und er vor allem auch in den letzten Jahren kein besonderes Aggressionspotential mehr aufweist und unter normalen Verhältnissen ein solches bei ihm auch nicht vorliegt, er mit zahlreichen weiblichen Personen ein normales und eher sogar sehr zuvorkommendes Verhältnis pflegte" legt der Beweisantrag - wie bereits ebenfalls in Erledigung des diesbezüglichen Punktes der Nichtigkeitsbeschwerde ausgeführt wurde - nicht dar, welche diesbezüglichen Wahrnehmungen die im Beweisantrag geführten Zeugen gemacht hätten und verkennt im Übrigen, dass Zeugen nur über wahrgenommene Tatsachen, nicht aber Schlussfolgerungen auszusagen haben. Den weiteren Berufungseinwänden zum Einweisungsausspruch ist zu entgegnen, dass beide Sachverständige dargelegt haben, dass der Angeklagte ganz allgemein hinsichtlich eines in alkoholisiertem Zustand enthemmten, gewalttätigen und impulsiven Verhaltens zu Triebdurchbrüchen und Kontrollverlusten neigt und an einer schweren Persönlichkeitsstörung leidet, die außerhalb der Variationsbreite des noch Normalen liegt. Die Prognose wurde weiterhin als ungünstig betrachtet, weil befürchtet werden muss, dass der schwer in seiner Persönlichkeit gestörte Angeklagte, nach Alkoholkonsum enthemmt, äquivalente Aggressionshandlungen wie die gegenständlichen setzen wird. Damit konnte sich das Geschworenengericht - ausgehend von der Annahme der Täterschaft des Angeklagten - auch zutreffend auf die eine geistig-seelische Abartigkeit und Gefährlichkeit des Angeklagten annehmende Gutachten Dris. P***** und R***** stützen. Entgegen der Berufungsargumentation haben die beiden Gutachter die oben dargelegten Verknüpfungen, welche die Grundlagen für die Annahme der Gefährlichkeit des Angeklagten und die Prognoseentscheidung zu tragen vermögen, vorgenommen, sodass der Einweisungsausspruch auf tragfähiger Grundlage erfolgt ist.
Soweit in der Berufung neuerlich die unrichtige Beurteilung der Gefährlichkeitsprognose in Wiederholung der dazu vorgebrachten Argumente in der Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft wird, ist auf die diesbezüglichen Erwägungen in deren Erledigung zu verweisen.
Nach den Intentionen der Rechtsmittelausführungen liegt das Schwergewicht der diesbezüglichen Ausführungen nicht darin, die auf der Grundlage der vorhandenen Verfahrensergebnisse erstellte Gefährlichkeitsprognose zu bekämpfen, sondern in Wahrheit darauf, dass der bei ihm gegebenen Gefährlichkeit - nach seiner Meinung - durch ambulante Therapie wirkungsvoll begegnet werden könne. Abgesehen davon, dass der Berufungswerber nach seinem bisherigen Verhalten für eine derartige Maßnahme in der Tat ungeeignet erscheint, bietet die Möglichkeit einer anderweitigen psychiatrischen Behandlung keinen Grund, von der - wie das Geschworenengericht zutreffend ausführt - nach dem Gesetz gebotenen Anstaltsunterbringung abzusehen (vgl 15 Os 26/90, JBl 1991, 326).
Demgemäß musste auch die Berufung des Angeklagten scheitern.
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