OGH 8ObA108/01t

OGH8ObA108/01t15.11.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie die fachkundigen Laienrichter MR Mag. Georg Genser und Ernst Boran als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing. Ludwig K*****, vertreten durch Dr. Rudolf Riedl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei L***** AG, *****, vertreten durch Dr. Alfred Pribik, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 3,717.429,08 brutto sA und Feststellung (Steitwert S 620.000,-), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. Jänner 2001, GZ 8 Ra 242/01t-41, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 21. Februar 2000, GZ 33 Cga 74/98p-35, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 31.734,- (darin S 5.289,- USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanzen haben den Sachverhalt rechtlich richtig beurteilt weshalb es gem. § 510 Abs 3 ZPO ausreicht, auf die Begründung des angefochtenen Urteils zu verweisen. Ergänzend ist anzumerken:

Der von den Vorinstanzen herangezogene Entlassungsgrund des § 27 Z 1 AngG, 3. Tatbestand, ist verwirklicht, wenn sich der Angestellte einer Handlung oder - falls eine Rechtspflicht zum Handeln besteht - einer Unterlassung schuldig macht, die ihm des Vertrauens des Dienstgebers unwürdig erscheinen lässt. Dabei kommt es vor allem darauf an, ob für den Dienstgeber vom Standpunkt vernünftigen kaufmännischen Ermessens die gerechtfertigte Befürchtung bestand, dass seine Belange durch den Angestellten gefährdet seien, wobei nicht das subjektive Empfinden des Dienstgebers entscheidet, sondern an das Gesamtverhalten des Angestellten ein objektiver Maßstab anzulegen ist, der nach den Begleitumständen des einzelnen Falles und nach der gewöhnlichen Verkehrsauffassung angewendet zu werden pflegt. Maßgebend ist, ob das Verhalten des Angestellten das Vertrauen des Dienstgebers so schwer erschüttert hat, dass diesem die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann (RdW 2001, 171; SZ 69/14; RIS-Justiz RS0029833; Kuderna Entlassungsrecht2 86). Bei Angestellten in leitender Stellung ist ein strengerer Maßstab hinsichtlich der Vertrauensunwürdigkeit anzulegen, als bei Dienstnehmern mit untergeordneten Tätigkeiten (RdW 2001, 171; RdW 1992, 249; RIS-Justiz RS0029341). Zur Verwirklichung des genannten Entlassungsgrundes reicht fahrlässiges Verhalten aus (RdW 2001, 171;

WBl 1990, 313; RIS-Justiz RS0029652; Kuderna aaO 86);

Schädigungsabsicht oder Eintritt eines Schadens sind nicht erforderlich (Kuderna aaO 86). Tatbestandsmäßig im Sinne der genannten Gesetzesstelle ist ein Verstoß gegen die wohlverstandenen Interessen des Arbeitgebers. Insoweit der Arbeitsvertrag auch Elemente einer Geschäftsbesorgung (§ 1152 Abs 2 ABGB) enthält, trifft den Machthaber neben der Gehorsamspflicht die Treuepflicht als zur Geschäftsbesorgung hinzutretende Hauptpflicht. Dazu zählt auch die Informationspflicht (ArbSlg 11.475), deren Inhalt unter anderem darin besteht, dem Geschäftsherrn drohende Gefährdungen und Gefahren rechtzeitig anzuzeigen (RIS-Justiz RS0019701; Strasser in Rummel ABGB3, Rz 17 zu § 1009).

Der Kläger hat im Verfahren nicht bestritten, dass - wie vom Erstgericht dargestellt - der Eigentümerwechsel in der Gesellschaft, die Leasinggeberin hinsichtlich der Betriebsliegenschaft der Beklagten ist, den Spielraum der Beklagten in der Frage eines möglichen wirtschaftlich sinnvollen Ankaufs dieser Liegenschaft wesentlich verengte. Es musste ihm bewusst sein, dass die unstrittig vor Beginn der Umstrukurierungsphase erteilte Auskunft eines Mitgliedes der Konzernleitung, das Unternehmen sei am Ankauf der Betriebsliegenschaft nicht interessiert, in der Zeit der Unternehmenszusammenlegung und Standortsuche nicht zwingend weiterhin Gültigkeit haben könne. Auch führt der Kläger in seinem Schriftsatz ON 10 (S 13) selbst aus, Anfang 1996, somit beträchtlich nach der beschriebenen Verneinung von Kaufabsichten durch die Konzernleitung, davon erfahren zu haben, dass der Eigentümer des angrenzenden Einkaufszentrums und weitere Kaufwillige Interesse am Ankauf des der Betriebsliegenschaft unmittelbar benachbarten Grundstückes hatten, sodass der Schluss nahelag, diese Personen würden auch den Kauf der Betriebsliegenschaft betreiben.

Während sich aus den - weiter gehenden - Feststellungen des Erstgerichts, wonach der Kläger den Verkauf an den mit ihm befreundeten nunmehrigen Eigentümer der Leasinggeberin geradezu betrieben und als (damals) alleinvertretungsbefugter Geschäftsführer diesem zugestimmt habe, durchaus Anhaltspunkte für Untreuehandlungen des Klägers im Sinne des 1. Falles des § 27 Z 1 AngG ableiten lassen, führte die nur unvollständige Behandlung der Beweisrüge durch das Berufungsgericht zu einer Verdünnung der Sachverhaltsgrundlage, der jedoch - wie vom Kläger gar nicht bestritten - jedenfalls entnommen werden kann, dass ihm am 1. 3. 1996 die Kaufabsichten des nunmehrigen Eigentümers der Leasinggeberin bei einem Gespräch mit der Voreigentümerin, der Tochtergesellschaft einer Bank, bekannt wurden. Schon in Anbetracht der - wie dargestellt - geänderten Verhältnisse, wäre der Kläger verhalten gewesen, diesen Absichten entgegenzutreten und die Konzernleitung zu informieren, um dieser die Möglichkeit der Überprüfung ihres Standpunktes zu geben. Vom dem alleinvertretungsbefugten Geschäftsführer muss bei der gegebenen Sachlage verlangt werden, die möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen selbst einer - nach dem klägerischen Vorbringen - bloß beiläufig geäußerten Kaufabsicht zu erkennen, sodass von einer vernachlässigbaren Fehlleistung nicht mehr gesprochen werden kann. Das - zur Tatbestandsverwirklichung ausreichende - zumindest fahrlässige Verhalten des Klägers, das vitale Interessen der Arbeitgeberin berührte, musste das Vertrauen der Beklagten - ungeachtet der bisher nicht beanstandeten Tätigkeit des Klägers - in seinen Willen oder seine Fähigkeit, wichtige Entscheidungen unter Wahrung ihrer Interessen zu treffen, zerstören, sodass die Entlassung gerechtfertigt war. Dem vom Kläger behaupteten Mangel des Berufungsverfahrens kommt daher keine Relevanz zu.

Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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