OGH 7Ob251/01i

OGH7Ob251/01i29.10.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Florian S*****, vertreten durch Dr. Hansjörg Schweinester und Dr. Rudolf Kathrein, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Bernhard S*****, vertreten durch Tramposch & Partner, Rechtsanwälte in Innsbruck, und des auf Seiten der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenienten Mag. Dieter O*****, vertreten durch Dr. Andreas Fink und Dr. Peter Kolb, Rechtsanwälte in Imst, wegen S 51.952,20 sA und Feststellung (Streitwert S 50.000,--), über die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 7. März 2001, GZ 4 R 27/01a-15, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 20. Oktober 2000, GZ 18 C 1184/00m-7, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Der damals 17 Jahre alte Kläger wurde am 26. 11. 1998 vom etwa gleichaltrigen und körperlich etwa gleich starken Beklagten im Zuge eines im Rahmen des Turnunterrichtes an der Höheren Technischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt in Innsbruck durchgeführten (adaptierten) American Football-Spiels (verwendet wurde nämlich ein "Filzfußball" und die Spieler trugen keine Schutzkleidung) beim Kampf um den Ball mit dem abgewinkelten Ellbogen im Gesicht getroffen und dadurch verletzt.

American Football ist, wie allgemein bekannt ist, als besonders körperbetontes Kampfspiel zu bezeichnen, bei dem körperliche Angriffe erlaubt sind, die im (europäischen) Fußball als Foulspiel geahndet würden.

Das Erstgericht wies die auf Ersatz der mit S 51.952,20 bezifferten Schäden aus dem Unfall vom 26. 11. 1998 und Feststellung der Haftung des Beklagten für zukünftige Schäden gerichtete Klage mit der wesentlichen Begründung ab, der Beklagte habe dem Kläger keineswegs eine Verletzung zufügen oder ihn auch nur absichtlich foulen wollen; das Verhalten des Beklagten sei vielmehr nicht über einen bei der gewählten Sportart immer wieder vorkommenden typischen Regelverstoß hinausgegangen und daher nicht als rechtswidrig zu qualifzieren.

Das Berufungsgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und bestätigte daher dessen Entscheidung. Es sprach zunächst aus, dass die Revision nicht zulässig sei, weil nur eine Einzelfallbeurteilung vorgenommen worden sei. Es änderte diesen Ausspruch über Antrag des Klägers gemäß § 508 Abs 1 ZPO aber dahin ab, dass es die ordentliche Revision doch für zulässig erklärte: Der Kläger habe zutreffend auf den Umstand hingewiesen, dass er beim Schulsport - bei dem österreichweit Teilnahmepflicht bestehe - verletzt wurde, sodass ein wesentliches Merkmal der Haftungseinschränkung bei Sportverletzungen, nämlich die Freiwilligkeit der Teilnahme bzw das Handels auf eigene Gefahr, hier wegfalle. Die vom Berufungsgericht angewandte Rechtsprechung sei daher im gegenständlichen Fall nicht heranzuziehen. Zur Frage des im Schulsport heranzuziehenden Haftungsmaßstabes liege keine gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung vor. Der Erklärung dieser Rechtsfrage komme auch über die besonderen Verhältnisse des Einzelfalles hinaus Bedeutung zu.

Vom Berufungsgericht werden dabei die erstgerichtlichen Feststellungen übersehen, wonach die Streitteile mit ihren Mitschülern in der Turnhalle im Beisein des (als Nebenintervenient dem Verfahren auf Seiten des Beklagten beigetretenen) Turnlehrers zunächst Fußball spielten und nachdem sich der Lehrer für kurze Zeit entfernt hatte, von allen Mitspielern gemeinsam (einige Mitschüler entschlossen sich, nicht mitzuspielen) beschlossen wurde, nun American Football (genauer: eine gemäßigte "Schulsport-American Football-Variante" nach vom Nebenintervenienten den Schülern beigebrachten Regeln) zu spielen, wobei der Kläger, der bereits sechs Jahre lang American Football "mannschaftsmäßig" (gemeint wohl in einem Verein) gespielt hatte, der in dieser Sportart Erfahrenste und Versierteste war. Die vom Kläger angesprochene und vom Berufungsgericht als tauglicher Zulassungsgrund angesehene Problematik der unfreiwilligen Teilnahme am Spiel im Rahmen des Schulsportes stellt sich im vorliegenden Fall daher gar nicht.

Auch sonst werden vom Revisionswerber keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfragen aufgezeigt:

Nach stRsp sind Handlungen oder Unterlassungen im Zuge sportlicher Betätigung, durch die ein anderer Teilnehmer in seiner körperlichen Sicherheit gefährdet oder am Körper verletzt wird, insoweit nicht rechtswidrig, als sie nicht das in der Natur der betreffenden Sportart gelegene Risiko vergrößern. Dies gilt insbesondere auch für Kampfsportarten. Diese Rechtsprechung beruht auf dem Gedanken des Handelns auf eigene Gefahr. Wer sich einer ihm bekannten oder erkennbaren Gefahr aussetzt, wie etwa durch Teilnahme an gefährlichen Veranstaltungen, dem wird eine Selbstsicherung zugemutet. Ihm gegenüber wird die dem Gefärdenden selbst obliegende Sorgfaltspflicht aufgehoben oder eingeschränkt. In den Fällen echten Handelns auf eigene Gefahr ist die Rechtswidrigkeit des Verhaltens auf Grund einer umfangreichen Interessenabwägung zu beurteilen. Es ist stets zu prüfen, wie weit durch das echte Handeln auf eigene Gefahr die Sorgfaltspflichten anderer aufgehoben werden. Bei gegeneinander ausgeübter sportlicher Betätigung ist eine Verhaltensweise, die sonst nur als leichter Verstoß gegen die objektive Sorgfaltspflicht aufzufassen wäre, nicht rechtswidrig (ZVR 2000/6 mwN aus Lehre und Rechtsprechung; 2 Ob 207/00f, RIS-Justiz RS0023400).

Der Oberste Gerichtshof hat schon in seiner zur Frage der Haftung für Verletzungen beim Fußballsport grundlegenden Entscheidung vom 24. 9. 1981 SZ 54/133 = JBl 1983, 101 im Sinne dieser Grundsätze ausgesprochen, dass bei einem Kampfsport Verletzungen eines Mitspielers dann nicht rechtswidrig sind, wenn sie sich aus typischen, beim Sport unvermeidlichen Verstößen gegen die Spielregeln ergeben. In concreto wurde die Rechtswidrigkeit des dem Beklagten angelasteten regelwidrigen Verhaltens "hohes Bein" mit der Begründung verneint, dass es sich dabei um einen beim Fußballspiel immer wieder vorkommenden typischen Regelverstoß handle. In der Entscheidung 6 Ob 546/82 wurde in Fortsetzung dieser Judikatur das "Hineinrutschen" des Beklagten in Richtung Ball mit gestrecktem Bein für nicht rechtswidrig erklärt, "weil es sich um einen beim Fußballspiel immer wieder vorkommenden typischen Regelverstoß beim Kampf um den Ball gehandelt hat". In der Entscheidung 5 Ob 578/87, SZ 60/176, die ebenfalls eine Verletzung bei einem Fußballspiel zum Gegenstand hatte, nahm der Oberste Gerichtshof auf die beiden erwähnten Entscheidungen Bezug und sprach aus, dass die vom Geschädigten zu beweisende Rechtswidrigkeit einer Verletzungshandlung beim Kampfsport erst dann gegeben ist, wenn das Verhalten des Schädigers über einen beim Kampf um den Ball immer wieder vorkommenden typischen Regelverstoß hinausgeht (abl. besprochen von Pfersmann in ÖJZ 1991, 85 [88]). Diese Rechtsansicht wurde vom Obersten Gerichtshof schließlich auch in seiner Entscheidung 2 Ob 571/94, JBl 1996, 786 (Sprung) wiederholt.

Mit dieser Judikatur (vgl auch RIS-Justiz RS0023039 und RS0022443) stehen die Entscheidungen der Vorinstanzen im Einklang. Auf den (wohl beachtenswerten) Abänderungsvorschlag von Sprung (aaO), der dieser oberstgerichtlichen Rechtsprechung beipflichtet, jedoch - um der Gefahr zu begegnen, einen "immer wieder vorkommenden" Regelverstoß stets gleichzeitig als "typisch" und daher im Ergebnis als nicht rechtswidrig zu qualifizieren - die Formulierung vorschlägt: "Die vom Geschädigten zu beweisende Rechtswidrigkeit einer Verletzungshandlung bei einem Kampfsport liegt erst bei einem für diesen atypischen Regelverstoß vor", muss hier nicht weiter eingegangen werden. Die Qualifikation des gegenständlichen "Fouls" des Beklagten durch die Vorinstanzen als (auch für eine "Soft-Version") für den American Football typisch, kann nämlich nicht ernsthaft bezweifelt werden.

Die vom Revisionswerber noch ins Treffen geführte Entscheidung 6 Ob 703/82, EvBl 1983/118 ist mit dem vorliegenden Fall nicht nur insofern unvergleichbar, als dort mit Eishockeyschlägern auf Rasen im Freien gespielt wurde und weil die am Spiel Beteiligten nur in sehr geringem Umfang Regeln festgelegt hatten, sondern auch deshalb, weil dort der Kläger der jüngste, kleinste und schwächste Spieler war, auf den es besonders Rücksicht zu nehmen galt.

Nur für die Frage der Haftung des Turnlehrers/Schulerhalters von Bedeutung wäre die Frage, ob American Football, auch in einer "Soft-Version" gespielt, überhaupt als für den Hallenschulsport geeignet angesehen werden kann.

Da die Entscheidung des Berufungsgerichtes somit nicht von der Lösung einer iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage abhängt, ist die demnach unzulässige Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40 und 50 Abs 1 ZPO. Der Beklagte und der Nebenintervenient haben sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

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