OGH 1Ob243/01v

OGH1Ob243/01v22.10.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Dieter R*****, vertreten durch Dr. Gunther Gahleitner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Brigitte R*****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer und Mag. Christiana Butter, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen Ehescheidung infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 16. Mai 2001, GZ 37 R 57/01k-24, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Nach Ansicht der Beklagten darf das Gericht einem Scheidungsbegehren vor dem Hintergrund des § 57 Abs 1 EheG nur dann stattgeben, "wenn die Ehe infolge innerhalb von sechs Monaten vor Klageführung begangene(r) Eheverfehlungen unheilbar zerrüttet" ist. Nach § 57 Abs 1 EheG präkludierte Scheidungsgründe "mögen zwar Einfluss auf den Verschuldensausspruch haben", könnten jedoch "das Scheidungsbegehren als solches" nicht rechtfertigen. Es bedürfe deshalb weiterer Feststellungen, um den Eintritt der unheilbaren Ehezerrüttung nach objektiven Gesichtspunkten rechtlich beurteilen zu können.

Bei diesen Ausführungen lässt die Beklagte unbeachtet, dass sie das erstgerichtliche Scheidungsurteil nur im Ausspruch über die Verschuldensteilung bekämpfte und die Feststellung eines überwiegenden Verschuldens des Klägers anstrebte. Aufgrund der Wirkungen der materiellen Rechtskraft des Scheidungsausspruchs ist unverrückbar davon auszugehen, dass die Beklagte zumindest einen Scheidungsgrund verwirklichte, der eine Scheidung aus ihrem Verschulden rechtfertigte und nicht nach § 57 Abs 1 EheG präkludiert war. Gemäß § 59 Abs 2 EheG können dann aber Eheverfehlungen, auf die eine Scheidung aus Verschulden nicht mehr gestützt werden kann, auch nach Ablauf der Fristen des § 57 EheG zur Unterstützung einer auf andere Eheverfehlungen gegründeten Scheidungsklage herangezogen werden. Selbst wenn daher die Ansicht der Beklagten zur möglichen Verfristung bestimmter Eheverfehlungen als Scheidungsgrund gemäß § 57 Abs 1 EheG zuträfe, dürften solche Eheverfehlungen bei der Verschuldensabwägung nicht unbeachtet bleiben.

Die Beklagte übersieht ferner, dass die Rechtsprechung ein fortgesetztes unleidliches Verhalten, das ihr die Vorinstanzen neben anderen Eheverfehlungen anlasteten, als Einheit behandelt. Die Frist gemäß § 57 Abs 1 EheG beginnt daher erst mit Kenntnisnahme der letzten in diesem Zusammenhang konkretisierbaren Handlung des Partners (1 Ob 170/99b). Im Übrigen gelten Eheverfehlungen im Zweifel als nicht verfristet, sodass der Kläger die Einhaltung der Frist gemäß § 57 Abs 1 EheG nicht beweisen muss (6 Ob 155/98g).

Angesichts der erläuterten Rechtslage und der getroffenen Feststellungen tritt der erkennende Senat der Ansicht des Berufungsgerichts bei, dass es für die Ausmessung der Verschuldensanteile der Streitteile nicht mehr entscheidend darauf ankommt, ab welchem Zeitpunkt die Ehe der Streitteile nach objektiven Gesichtspunkten als unheilbar zerrüttet anzusehen ist, obgleich der maßgebende Sachverhalt auch eine solche Beurteilung ermöglichen würde.

Soweit sich die Beklagte gegen den Ausspruch eines gleichteiligen Verschuldens der Streitteile wendet, ist in dieser Gewichtung zumindest keine gravierende Fehlbeurteilung zu erblicken; eine solche müsste aber als Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision vorliegen.

Die außerordentliche Revision ist somit gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Stichworte