OGH 4Ob54/01x

OGH4Ob54/01x16.10.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hugo B***** Aktiengesellschaft, *****, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Gerhard Engin-Deniz & Dr. Christian Reimitz Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagten Parteien 1.) W***** Gesellschaft mbH, *****, und 2.) T*****, Ljubljana/Slowenien, vertreten durch Ploil, Krepp & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 460.000 S), Rechnungslegung (Streitwert 20.000 S) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 20.000 S; Gesamtstreitwert 500.000 S), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 17. Jänner 2001, GZ 6 R 228/00x-26, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 9. Oktober 2000, GZ 10 Cg 99/99s-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung insgesamt wie folgt lautet:

"1.) Die beklagten Parteien sind schuldig, es ab sofort zu unterlassen, Zigaretten und Zigarettenpackungen unter Verwendung des Firmenschlagworts und der Standardmarke der Klägerin "BOSS" in Verkehr zu bringen.

2.) Die beklagten Parteien sind schuldig, der Klägerin über die von ihnen in Österreich in Verkehr gebrachten Zigaretten unter Vorlage von Kopien der Eingangs- und Ausgangsrechnungen binnen 14 Tagen zu Handen der Klagevertreter Rechnung zu legen und die Überprüfung der Rechnungslegung durch einen Buchprüfer nach Wahl der Klägerin mit den Rechtsfolgen des § 151 PatG zu dulden.

3.) Hingegen wird das weitere Klagebegehren, der klagenden Partei werde die Befugnis zugesprochen, das klagestattgebende Urteil binnen 6 Monaten nach Rechtskraft auf Kosten der beklagten Parteien, die hiefür zur ungeteilten Hand haften, jeweils auf Seite 5 der Zeitungen "Kurier", "Neue Kronen Zeitung" einschließlich aller Bundesländerausgaben und der "Kleinen Tageszeitung" mit den drucktechnischen Hervorhebungen, fettgedruckten Prozessparteien sowie des Zeichens BOSS in Fettdruckumrandung, im Übrigen mit Drucklettern und Zeilenabständen wie im Textteil dieser Zeitungen üblich, zu veröffentlichen,

abgewiesen.

4.) Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin die mit 181.776,73 S (darin 24.885,79 S USt und 32.462 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin, die ihren Sitz in der Bundesrepublik Deutschland hat und deren Unternehmensbeginn auf das Jahr 1923 zurückgeht, wurde bis in die (19)80-iger Jahre in der Rechtsform einer Gesellschaft mbH geführt. Für diese wurde die internationale Wortmarke "BOSS" (IR 456092) eingetragen, die mit Priorität vom 7. 12. 1979 seit 9. 10. 1980 ua für den Bereich der Republik Österreich wirksam ist. Das Warenverzeichnis dieser Marke umfasst Waren der Warenklasse 25, darin enthalten ua Herren-, Damen- und Kinderbekleidung. Anlässlich der Einbringung der Hugo B***** GmbH in die klagende Aktiengesellschaft wurde diese internationale Wortmarke am 22. 11. 1985 an die Klägerin übertragen. Diese erzeugt seit vielen Jahren - jedenfalls seit 1980 - mit hohem Prestigewert verbundene Herrenbekleidung. Seit Mitte der 80-iger Jahre lässt sie unter dieser Marke in Lizenz Parfüm, Strickwaren und Krawatten herstellen, seit Ende der 80-iger Jahre Brillen (der Firma Carrera), seit Anfang der 90-iger Jahre Unterwäsche und seit 1996 auch Schuhe. Seit 1996 erzeugt und vertreibt die Klägerin unter den Marken Hugo und Hugo BOSS auch "Damenprodukte", erst seit 2000 vertreibt sie auch unter der Marke BOSS Damenbekleidung. Das Zeichen der Klägerin "BOSS" war (auf Grund von Bekanntheitserhebungen im erstgerichtlichen Verfahren 23 Cg 296/95a, in welchem die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 13. 5. 1997, 4 Ob 105/97p ((= ÖBl 1997, 225 - BOSS -Energydrink)) erging) im Befragungszeitraum Oktober/November 1995 58 % der Gesamtbevölkerung und 87 % der engeren Zielgruppe (Verwendern und Käufern hochwertiger Herrenoberbekleidung), im Befragungszeitraum Februar/März 1996 58 % der Gesamtbevölkerung und 92 % der engeren Zielgruppe und im Befragungszeitraum September bis November 1997 66,15 % der Gesamtbevölkerung und 90 % der engeren Zielgruppe bekannt. Die Wortmarke der Klägerin "BOSS" wurde und wird in zahlreichen Zeitschriften, Magazinen, in Programmheften (der Salzburger Festspiele bzw des Formel 1 -Rennens in Österreich) sowie für Sponsoring von Sportveranstaltungen (Formel 1-Rennen, Davis Cup-Tennis Turniere, Golfturniere) durch Kunstsponsoring und durch Ausstattung von Filmen ("Rocky" Filme) beworben.

Die Zweitbeklagte erzeugt in Slowenien (in Zusammenarbeit mit dem R*****-Konzern) Zigaretten- und Zigarettenpackungen. Sie ist Inhaberin der österreichischen Wort-Bildmarke Nr 151.876 ("BOSS"), die mit Priorität vom 29. 10. 1993 für die Warenklasse 34, Filterzigaretten, eingetragen ist. Das Schriftbild der von der Zweitbeklagten auf den Zigaretten und -packungen angebrachten Aufschrift "BOSS" ist mit dem von der Klägerin auf eigenen oder in Lizenz gegebenen Produkten sowie in der Werbung verwendeten Schriftbild nahezu identisch. Die Zweitbeklagte weist auf den Zigarettenpackungen in ausreichend sichtbarer Form auf sich selbst als den Hersteller der Zigaretten hin.

Die in Österreich ansässige Erstbeklagte steht mit der Zweitbeklagten seit 1998 in Geschäftsbeziehung. Sie kaufte in der Zeit vom 18. 6. 1998 bis 26. 3. 1999 zumindest 17,31 Mio Stück der BOSS-Zigaretten um den Preis von insgesamt 229.780 DM und veräußerte diese Zigaretten in Länder des ehemaligen Ostblocks, insbesondere nach Tschechien, Rumänien und in die Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien - mit Ausnahme Sloweniens - weiter. Dabei verfuhr sie auf folgende Weise:

Nach Übersendung der Rechnung nach Österreich und Überweisung des Kaufpreises durch die Erstbeklagte wurden die bestellten Zigaretten - im Wege des sogenannten Zollausschlussverfahrens - mit der Eisenbahn in das bei einem Speditionsunternehmen in Wiener Neudorf eingerichtete Zollfreilager der Erstbeklagten geliefert. Das Speditionsunternehmen trat dabei als Lagerhalter für die Erstbeklagte auf. Die Entladung und die Beladung zur Weiterverfrachtung der Zigaretten durch ÖBB oder LKW fand stets unter Zollaufsicht statt. Die Zigarettenpackungen waren in Stangen verpackt, diese wiederum in Kartons. Während die Markenbezeichnung "BOSS" auf den Zigaretten, den Packungen und den Stangen zu sehen war, wiesen die Kartons nur die Aufschrift "T***** L*****" (Kurzform der Zweitbeklagten) und einen Produktionscode auf. Weder die Erst- noch die Zweitbeklagte haben Zigaretten mit der Marke "BOSS" in Österreich in der Weise in Verkehr gebracht, dass diese veräußert, verschenkt oder sonst in den Wirtschaftskreislauf eingebracht worden wären. Die von der Zweitbeklagten in einem von der Klägerin beim Österreichischen Patentamt wegen Nichtbenutzung der österreichischen Marke "BOSS", Reg.Nr. 151.876, eingeleiteten Löschungsverfahren vorgebrachte Behauptung, die Erstbeklagte habe einen Teil der von ihr gekauften Zigaretten an österreichische Abnehmer verkauft, war eine bewusst wahrheitswidrige "Schutzbehauptung" der Zweitbeklagten im Patentverfahren.

Die Klägerin begehrt die Verurteilung beider beklagten Parteien

1.) zur Unterlassung, Zigaretten und zugehörige Packungen unter Verwendung des Firmenschlagworts der Klägerin und ihrer Standardmarke "BOSS" in Verkehr zu bringen, und

2.) zur Rechnungslegung über die von ihnen in Österreich in Verkehr gebrachten Zigaretten unter Vorlage von Kopien der Ein- und Ausgangsrechnungen sowie Duldung der Überprüfung der Rechnungslegung durch einen Buchprüfer nach Wahl der Klägerin mit den Rechtsfolgen des § 151 PatG.

Weiters begehrt die Klägerin, sie zur Urteilsveröffentlichung in drei österreichischen Tageszeitungen zu ermächtigen.

Das Firmenschlagwort "BOSS" habe als internationale Marke der Klägerin die bessere Priorität gegenüber der Wortbildmarke der Zweitbeklagten, weshalb sich die Beklagten nicht auf diese österreichische Wortbildmarke berufen könnten. Das unterscheidungskräftige Firmenschlagwort "BOSS" sei für die Klägerin gemäß Art 8 PVÜ auch in Österreich geschützt. Es habe schon im Zeitpunkt der Eintragung der österreichischen Marke der Zweitbeklagten im Jahr 1993 ein überwiegendes Maß an Verkehrsgeltung in Österreich besessen. Auf Grund der Ähnlichkeit des Firmenschlagworts "BOSS" der Klägerin und der Marke der Zweitbeklagten bestehe insbesondere wegen des identischen Schriftbilds der Marke eine Verwechslungsgefahr im geschäftlichen Verkehr. Dabei gereiche der Klägerin die (unerfreuliche) Assoziation ihrer Marke mit den Folgen des Zigarettenkonsums zum Nachteil). Durch die Verwendung der Marke und des Firmenschlagworts der Klägerin "BOSS" zögen die Beklagten weiters mittelbar Nutzen aus der von der Klägerin im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen betriebenen Werbung. Die Beklagte nütze daher die Unterscheidungskraft und Wertschätzung der bekannten Marke und des bekannten Firmenschlagworts der Klägerin auf unlautere Weise aus. Selbst wenn die Erstbeklagte die Zigaretten nicht an österreichische Abnehmer verkaufe, so sei auch der "reine Transit" durch Österreich als Benutzungshandlung im Sinn des § 10a MSchG anzusehen, weil der Transit eine latente Gefährdung des Markenrechts der Klägerin bewirke und den Missbrauch bereits in sich berge. Außer dem Unterlassungs- und Rechnungslegungsanspruch sei auch die Urteilsveröffentlichung wegen des dringenden Interesses der Klägerin berechtigt, die Öffentlichkeit darüber aufzuklären, dass die Klägerin mit dem Vertrieb der bekanntermaßen gesundheitsschädigenden Zigaretten unter der Marke "BOSS" nichts zu tun habe.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des gesamten Klagebegehrens. Die Zweitbeklagte habe die strittigen Zigaretten lediglich in Slowenien hergestellt und mit ihrer in Österreich geschützten Wortbildmarke "BOSS" versehen, sie jedoch nicht nach Österreich exportiert. Die Zigaretten seien auch - bestimmungsgemäß - nicht in Österreich vertrieben, sondern nur durch Österreich transportiert worden. Der behauptete Eingriff in die Marke bzw das Firmenschlagwort der Klägerin sei nicht in einer der Jurisdiktion österreichischer Gerichte unterliegenden Weise begangen worden. Überdies sei eine Verwechslungsgefahr der beiden Marken "BOSS" schon wegen der völligen Verschiedenheit der unter diesen Bezeichnungen vertriebenen Produkte nicht gegeben. Im Hinblick auf die bloße Durchfuhr verpackter und nicht für Österreich (den österreichischen Markt) bestimmter Waren liege auch kein kennzeichenmäßiger Gebrauch im Sinne des § 10a MSchG vor.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Seit der Markenrechtsnovelle 1999, BGBl I 1999/111, seien die aus der Verletzung registrierter Marken resultierenden Rechte nicht wie bisher nach § 9 UWG, sondern nach dem MSchG zu beurteilen. Gemäß § 51 MSchG könne, wer in einer der ihm aus einer Marke zustehenden Befugnisse verletzt wird und eine solche Verletzung zu besorgen hat, auf Unterlassung klagen. Nach § 10 Abs 2 MSchG sei (nunmehr) dem Inhaber einer eingetragenen Marke auch gestattet, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke gleiches Zeichen für Waren zu benutzen (§ 10a MSchG), die nicht denen ähnlich sind, für die die Marke eingetragen ist, wenn diese im Inland bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden Grund in unerlaubter Weise ausnutzt oder beeinträchtigt. Die Bekanntheit der älteren Marke müsse spätestens am Tag der Anmeldung der jüngeren Marke, gegebenenfalls am prioritäts- oder zeitrangbestimmenden Tag, oder im Entstehungszeitpunkt des jüngeren sonstigen Kennzeichenrechts vorgelegen sein. Nach den Feststellungen handle es sich bei der internationalen Wortmarke "BOSS" der Klägerin um eine bekannte Marke im Sinn des § 10 Abs 2 MSchG, die bereits im Zeitpunkt der Registrierung der Wortbildmarke "BOSS" der Zweitbeklagten im Jahr 1993 iSd Art 6bis PVÜ und Art 16 Abs 3 TRIPS-Abkommen in Österreich allgemein bekannt gewesen sei bzw Verkehrsgeltung besessen habe. Der Marke der Klägerin komme daher der Vorrang vor der Marke der Zweitbeklagten zu, die durch die Verwendung dieser Marke nicht nur den guten Ruf der Klägerin auszubeuten, sondern auch den Kommunikationsvorsprung, den das bekannte Zeichen der Klägerin ermögliche, für eigene Zwecke auszunützen versuche. Auch sei insofern eine Verwechslungsgefahr gegeben, als ein durchschnittlicher Verbraucher zur unrichtigen Auffassung kommen könne, die Zigaretten der Zweitbeklagten seien Lizenzprodukte der Klägerin. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch erwiese sich daher sowohl nach § 51 MSchG als auch (für das Firmenschlagwort) nach § 9 UWG iVm Art 8 PVÜ als berechtigt, läge tatsächlich entsprechend der eindeutigen Formulierung des Unterlassungsbegehrens ein "Inverkehrbringen" in Österreich vor. Zwar sei im Sinne der Entscheidungen des EuGH vom 6. 4. 2000, C-383/98 (= ÖBl 2000, 233 - Polo T-Shirts II) und des Obersten Gerichtshofs vom 3. 5. 2000, 4 Ob 118/00g (= ÖBl 2000, 236 - Polo T-Shirts III) auch der Transit aus einem Nicht-EU-Mitgliedsstaat in einen Nicht-EU-Mitgliedsstaat durch einen EU-Mitgliedsstaat für sich bereits als markenrechtliche Verletzungshandlung anzusehen, zumal nicht ausgeschlossen werden könne, dass aus dem belieferten Nachbarstaat Tschechien private "Re-Importe" der streitverfangenen Zigaretten nach Österreich erfolgen, womit jedenfalls eine Auswirkung auf den österreichischen Markt gegeben sei. Vom Unterlassungsbegehren sei jedoch nur das Inverkehrbringen der Zigaretten in Österreich, somit der Verkauf der Zigaretten in bzw nach Österreich bzw ihr Einbringen in den österreichischen Wirtschaftskreislauf erfasst. Der festgestellte markenrechtswidrige Transit falle indessen nicht unter das Unterlassungsbegehren. Damit seien auch die weiteren, von der Berechtigung des Unterlassungsbegehrens abhängigen Klagebegehren abzuweisen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Auf der für ausreichend befundenen Tatsachengrundlage des Ersturteils lasse sich der festgestellte Transitverkehr auch bei "weitherziger Interpretation" nicht als "Import mit anschließendem Export, der durch ein Umsatz- und Beförderungsgeschäft im Inland unterbrochen wurde" einstufen. Die Erstbeklagte habe nie beabsichtigt, diese Erzeugnisse in Österreich zu vertreiben. Der Transit durch Österreich sei in Kartons erfolgt, die keinen Hinweis auf die Marke der Klägerin aufgewiesen hätten. Der im Unterlassungsbegehren zu verbietende Vertrieb habe den Absatz von Waren gegen Entgelt zur Voraussetzung. Die zur Produktpiraterie-Zollbeschlagnahme ergangenen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs (4 Ob 118/00g; 4 Ob 126/00h und 4 Ob 173/00w) böten keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung, weil sich die Klägerin im Verfahren erster Instanz nicht auf die Produktpiratieverordnung berufen habe, die von einer fiktiven Herstellung solcher durch die Zollbehörden eines Migliedstaats angehaltenen Waren im Inland ausgehe, die sodann nach dem jeweiligen nationalen Recht des Mitgliedstaates zu beurteilen sei, in dem die Zollbehörden tätig geworden seien.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil von der Klägerin erhobene außerordentliche Revision ist entgegen dem Ausspruch der Vorinstanz zulässig, weil ein vergleichbarer Sachverhalt noch nicht Gegenstand einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs war. Die Revision ist auch teilweise berechtigt:

Zu Recht hat schon das Erstgericht die Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 Abs 2 MSchG bejaht. Demnach steht der Klägerin als der Inhaberin einer eingetragenen Marke das Recht zu, den Beklagten zu verbieten, ohne ihre Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein mit ihrer Marke - "BOSS" - gleiches oder ihr ähnliches Zeichen für Zigaretten, also für Waren zu benützen (§ 10a MSchG), die nicht denen ähnlichen sind, für die die Marke eingetragen ist, weil ihre Marke im Inland bekannt ist und die Benützung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnützt oder beeinträchtigt. Nach den Feststellungen war die ältere Marke der Klägerin schon am Tag der Anmeldung der jüngeren Marke im Jahr 1993 in Österreich sehr bekannt. Dem Erstrichter ist auch darin zuzustimmen, dass die Maßnahmen der Beklagten als (inländische) Benützungshandlungen im Sinne des § 10a MSchG zu beurteilen sind. Ihm ist aber nicht darin zu folgen, dass dieses Verhalten der Beklagten vom Klagebegehren nicht erfasst sei:

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat die Zweitbeklagte die von ihr in Slowenien erzeugten und mit der Marke "BOSS" versehenen Zigaretten der in Österreich ansässigen Erstbeklagten verkauft und im Wege des sogenannten "Zollausschlussverfahrens" mit der Eisenbahn in ein Zollfreilager in Österreich geliefert. Die Erstbeklagte veräußerte dann diese Zigaretten in außerhalb der Europäischen Union liegende Länder Mittel- und Osteuropas.

Die Erstbeklagte hat damit in Österreich das Zeichen der Klägerin "BOSS" benützt im Sinn des § 10a MSchG, hat sie doch Waren unter diesem Zeichen eingeführt (§ 10a Z 3 MSchG), die Waren unter diesem Zeichen (an ausländische Händler) angeboten und (durch Verkauf an diese Händler) in den Verkehr gebracht, nachdem sie die Waren vorher zu diesen Zwecken besessen hatte (10a Z 2 MSchG); sie hat die Waren damit auch ausgeführt (§ 10a Z 3 MSchG). Darauf, ob die Erstbeklagte die Zigaretten den ausländischen Unternehmen in Österreich nur verkauft oder auch selbst in das Ausland geliefert hat, kommt es entgegen der Meinung der Klägerin nicht an, sodass der insoweit geltend gemachte Feststellungsmangel zu verneinen ist.

Dass das Zeichen "BOSS" auf den Zigaretten(packungen) den inländischen Verkehrskreisen - allenfalls von Zollbeamten abgesehen - nicht zur Kenntnis gekommen ist, hat keine rechtliche Bedeutung. Die vom erkennenden Senat seinerzeit vertretene Auffassung, dass der markenrechtliche Schutz eine inländische Verwechslungsgefahr voraussetze (ÖBl 1983, 162 - Attco/Atco; ÖBl 1987, 41 - Baygon ua) ist überholt. Soweit ein mit der Marke gleiches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen benützt wird, die mit denjenigen gleich sind, für welche die Marke eingetragen ist ("Doppelidentität"), kommt es auf Verwechslungsgefahr nicht an (§ 10 Abs 1 Z 1 MSchG). Wird ein mit der Marke gleiches oder ähnliches Zeichen für gleiche oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen benützt, besteht der Unterlassungsanspruch des Markeninhabers nur dann, wenn dadurch für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird (§ 10 Abs 1 Z 2 MSchG). In diesem Fall genügt es für die Anwendbarkeit der Vorschrift, dass die Benützung des streitigen Zeichens durch unbefugte Dritte zu einer Verwechslung mit der geschützten Marke führen könnte, wenn die Waren der beiden Parteien in Österreich in den Verkehr gebracht würden (Sack, Export und Transit im Markenrecht, RIW 1995, 177 ff [180] unter Hinweis auf RG, GRUR 1940, 564 - Lodix Schuhcreme). In diesem Sinn hat schon das Reichsgericht (RGZ 110, 176 ff, 178 - King Edward) 1927 aus der Erwägung entschieden, dass es zwar Zweck von Exportware sei, dass sie nur im Ausland, nicht jedoch im Inland in den Verkehr gebracht und nicht für den inländischen Absatz feilgehalten werde, jedoch immer die Gefahr bestehe, dass der Hersteller der Exportware seine Ausfuhrabsicht ändere und die Ware schließlich doch im Inland in den Verkehr bringe oder feilhalte; ferner könnten ihm die an sich für den Export bestimmten Waren auch gegen seinen Willen - etwa von Mitarbeitern, Spediteuren oder Verladern - entzogen und im Inland vertrieben oder angeboten werden. Gestatte man im Inland die Benützung einer Marke, die der geschützten Marke eines anderen ähnlich ist, dann wäre dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet.

Es genügt nach heute herrschender Auffassung eine abstrakte inländische Verwechslungsgefahr, zumal das neue Markenrecht (Art 5 Abs 3 lit c MarkenRL; dem folgend § 10a Z 3 MSchG) ausdrücklich auch den Export zu den markenrechtlich erheblichen Benutzungshandlungen zählt, also den Markeninhaber gegen die Benützung seiner Marke für Exportware schützt (Sack aaO 180; Ingerl/Rohnke, MarkenG § 14 Rz 121; Althammer/Ströbele/Klaka, MarkenG6 § 14 Rz 86; Fezer, MarkenR2 § 14 Rz 479).

Nichts anderes kann aber dann gelten, wenn - wie hier - das Zeichen des Markeninhabers für Waren benützt wird, die nicht denen ähnlich sind, für welche die Marke eingetragen ist, diese Marke im Inland bekannt ist und ihre Benutzung die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnützt oder beeinträchtigt (§ 10 Abs 2 MSchG). Auch in diesem Fall muss, um jegliche Markenpiraterie nach Möglichkeit unterbinden zu können, dem Inhaber einer in Österreich bekannten Marke unabhängig davon der Unterlassungsanspruch zugebilligt werden, ob der Dritte die Wertschätzung der Marke tatsächlich gegenüber inländischen Verkehrskreisen ausnutzt oder beeinträchtigt. Auch hier muss die abstrakte Eignung einer solchen Auswirkung genügen. Eines Rückgriffs auf die Produktpiraterieverordnung ([EG] 3295/94 des Rates vom 22. 12. 1994), die hier jedenfalls nicht unmittelbar Anwendung findet, weil es sich bei der beanstandeten Ware nicht um nachgeahmte Waren oder unerlaubt hergestellte Vervielfältigungsstücke oder Nachbildungen im Sinn des Art 1 dieser Verordnung handelt, bedarf es nicht, weil schon das Markenschutzgesetz selbst - im Einklang mit der MarkenRL - hinreichend Grundlage für diese Auslegung ist.

Da die Erstbeklagte die aus Slowenien eingeführten Waren wiederum an Ausländer verkauft, also ausführt, bedarf es hier keiner näheren Auseinandersetzung mit der Frage, ob die bloße Durchfuhr (Transit) in jedem Fall als Benützungshandlung gemäß § 10a MSchG zu beurteilen ist (bejahend Sack aaO 181 ff; Fezer aaO Rz 483; Althammer/Ströbele/Klaka aaO Rz 88; Ingerl/Rohnke aaO Rz 124; aM BGH GRUR 1957, 231 - Teschner/Pertussin II ua).

Entgegen der Meinung des Erstgerichtes fällt das Verhalten des Erstbeklagten auch unter den Begriff dessen "Inverkehrbringens". Dieser Begriff ist nicht eingeengt auf Veräußerungen an Inländer, sondern wird - seinem Wortsinn entsprechend - auch in der Rechtssprache umfassend als jede Handlung verstanden, welche die mit der Marke versehene Ware dem wirtschaftlichen Verkehr zuführt, ob das nun im Inland oder im Ausland geschieht (vgl Fezer aaO Rz 471, 474; Ingerl/Rohnke aaO Rz 114; BGH GRUR 1957, 231 - Taeschner-Pertussin

II).

Die hier festgestellte "Durchfuhr" der markenverletzenden Ware durch die Erstbeklagte - also deren Import aus einem Nicht-EU-Mitgliedstaat in ein österreichisches Zollfreilager und das Lagern dieser Ware zum Zweck des späteren Exports in andere Nicht-EU-Mitgliedstaaten - ist somit eindeutig als inländischer Markenverstoß anzusehen. Zu beachten ist noch, dass Zollfreibezirke oder Zollfreilager markenrechtlich nicht als Ausland oder extra-territorial, sondern als Inland anzusehen sind (Sack aaO 184). Diese Beurteilung steht auch in keinem unlösbaren Widerspruch zur Entscheidung 4 Ob 81/01t des erkennenden Senats, weil dort ein "Transit" in der hier vorliegenden Ausgestaltung nicht zu beurteilen war.

Der Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen die Erstbeklagte ist daher zu bejahen.

Die Zweitbeklagte hat im Verfahren nie behauptet, dass sie den Weg der von ihr der Erstbeklagten verkauften Zigaretten mit der Bezeichnung "BOSS" nicht kennen würde. Ihr ist daher das Wissen des tatsächlichen Vertriebsvorgangs zu unterstellen, zumal sie nach den Feststellungen der Vorinstanzen jeweils nach Eingang der Zahlungen seitens der Erstbeklagten die Ware zum Bahntransport in das Zollfreilager der Erstbeklagten in Österreich abgab. Sie haftet daher für den Markenverstoß als Gehilfin der Erstbeklagten, weil sie ihn durch ihr Verhalten bewusst gefördert, ja sogar überhaupt erst ermöglicht hat (vgl ÖBl 1991, 101 - Einstandsgeschenk; ÖBl 1999, 229 - Erinasolum; Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht3 § 34 Rz 42 mwN in FN 162).

Dem Unterlassungsbegehren ist daher gegen beide Beklagten Folge zu geben.

Auch das Rechnungslegungsbegehren der Klägerin erweist sich als berechtigt, können doch beide Beklagten über die von ihnen im Rahmen der festgestellten Geschäfte abgeschlossenen, die beanstandeten Zigaretten betreffenden Umsätze Rechnung legen. Als Verletzerinnen sind die Beklagten daher der verletzten Klägerin zur Rechnungslegung und dazu verpflichtet, deren Richtigkeit durch einen Sachverständigen prüfen zu lassen (§ 55 MSchG iVm § 151 PatG).

Da jedoch mangels Vertriebs der Eingriffsware an österreichische Endabnehmer der Markeneingriff der Beklagten nicht in der Öffentlichkeit bekannt wurde, ist das Urteilsveröffentlichungsbegehren, soll ihm nicht ausschließlich in unzulässiger Weise Strafcharakter beigemessen werden, abzuweisen. Der von der Klägerin gewünschten Aufklärung von mit Import und Export beschäftigten (österreichischen) Unternehmen bedarf es nicht, weil nach der Aktenlage davon auszugehen ist, dass allein die Erstbeklagte als Importeur und Exporteur gehandelt hat und ihre Vertragspartner außerhalb Österreichs ihren Sitz haben.

Infolge Bejahung des markenrechtlichen Schutzes braucht auf den weiters geltend gemachten Schutz des Firmenschlagworts der Klägerin nicht mehr eingegangen zu werden.

Der Kostenausspruch für das Verfahren erster Instanz beruht auf § 43 Abs 1 ZPO, jener für das Rechtsmittelverfahren auf derselben Gesetzesstelle iVm § 50 ZPO, wobei ein Klage- und Rechtsmittelerfolg von 96 % zugrundegelegt wurde.

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