Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 15.499,80 S (darin 2.583,30 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom 6. 5. 1993 erteilte der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft der beklagten Marktgemeinde die wasserrechtliche Bewilligung "zur Errichtung und zum Betrieb" eines "Rückhaltebeckens" für einen Bach in ihrem Gemeindegebiet. Dieser Bach war bereits vorher über eine Strecke von rund 2 km reguliert. Aufgrund einer der Auflagen im Bescheid hatte die beklagte Partei nach Inbetriebnahme der Anlage "eine neuerliche hydraulische Berechnung der maximalen Wasserabgabe von der Drosselstrecke durch Auswertung von Naturmessungen durchzuführen und, soweit erforderlich, die Öffnung zu verändern". Nach der Bescheidbegründung dient das Rückhaltebecken der Gewährleistung eines ausreichenden Hochwasserschutzes für einen bestimmten Ortsteil im Gemeindegebiet. Als Voraussetzung der Wirksamkeit der projektierten 1. Ausbauphase wurde angeführt, "dass der maximale Abfluss unterhalb des Rückhaltedammes von 6 m3/s auch tatsächlich in der gesamten Unterliegerstrecke ohne Ausuferung abgeführt wird". Nach der Projektbeschreibung im Spruch des Bescheids beträgt der nutzbare Speicherraum des Rückhaltebeckens 77.500 m3. Der Hauptdamm erstreckt sich über eine Gesamtlänge von etwa 230 m. Ein Begleitdamm im rechten Winkel zum Hauptdamm östlich des Rückhaltebeckens hat eine Länge von etwa 300 m. Der Grundablass besteht aus einem Einlaufbauwerk, einer Drosselstrecke und einem Auslaufbauwerk mit einem Tosbecken. Ein Gewindeschieber ermöglicht die gänzliche Entleerung des Grundsees für Wartungs- und Pflegearbeiten. Aufgrund einer weiteren Auflage im Bescheid ist "die dauernde Wasserführung im Unterwasser des Rückstaudammes ... dadurch herzustellen, dass die Auffüllung des Grundsees nur mit jenem Durchflussanteil, der über Mittelwasser liegt, durchzuführen ist". Im Übrigen hat der "Konsenswerber" ua auch "zu prüfen, ob durch eine geringe Öffnung des Schiebers eine durchgehende Fließstrecke (natürlicher Lauf, Umgehungsgerinne) erzielt werden kann".
Der Bach trat infolge starken Regens vom 5. 9. auf den 6. 9. 1998 mit einer Niederschlagsmenge von 63 mm etwa 700 bis 800 m nach dem Rückhaltebecken aus seinem Ufer und überschwemmte das unterhalb der Ausuferung gelegene Grundstück des Klägers. Vor dessen Liegenschaft verläuft etwa 50 m bachaufwärts ein schmaler Holzsteg über den Bach, den der Vater des Klägers angelegt hatte. Die Ausuferung des Bachs erfolgte jedoch erst nach diesem Steg. Der Kläger erlitt durch die Überschwemmung einen Schaden von 290.000 S brutto.
Das Sohlgefälle des Bachs ist in seinem hier maßgebenden Bereich äußerst gering. Wegen der geringen Fließgeschwindigkeit erfolgten starke Geschiebeablagerun- gen, die den Ablussquerschnitt des Gerinneprofils verringerten. Das "verlandete Gerinneprofil" war deshalb für die Abführung der maximalen Abflussmenge aus dem Rückhaltebecken ungeeignet. Zufolge dieser Ablagerungen nach dem Ort des Ausuferungsbeginns betrug die maximale Abfuhrleistung des Bachs im Zeitpunkt des Schadensereignisses im günstigsten Fall 2,5 m3/s. Die tatsächliche Niederschlagsmenge verursachte dagegen eine Abflussmenge von etwa 4-5 m3/s. Im Falle einer "regelmäßigen Reinigung und Abflussertüchtigung des gesamten Bachbetts, vor allem im Bereich der Biegungen, wäre ein Schadenseintritt mit großer Sicherheit" unterblieben. Vor dem Schadensereignis hatte die beklagte Partei die Bachböschungen abmähen lassen. Als Sofortmaßnahme danach veranlasste sie eine Aufschüttung der Uferböschung im Ausuferungsbereich und eine teilweise Entfernung der Geschiebeablagerungen.
Der Kläger begehrte den Zuspruch von 332.250 S sA und brachte vor, die beklagte Partei sei ihrer Verpflichtung zur regelmäßigen Wartung und Abflussertüchtigung des Bachs nicht nachgekommen. Das habe den geltend gemachten Schaden verursacht.
Die beklagte Partei wendete ein, am 5. 9. 1998 sei eine Niederschlagsmenge von 102 mm gemessen worden. Danach seien die Geschiebeablagerungen im Gerinne nicht die "Hauptursache" für die Bachausuferung gewesen. Die angeführte Niederschlagsmenge sei als Ereignis höherer Gewalt einzustufen. Dem Kläger falle der Schaden überdies deshalb selbst zur Last, weil er "unerlaubterweise" eine Brücke über den Bach errichtet habe, an der "Äste, Bäume und Sonstiges" hängen geblieben seien. Das sei als Ursache der Überschwemmung der Liegenschaft des Klägers anzusehen. Nach dem Bescheid vom 6. 5. 1993 habe die beklagte Partei nur das Rückhaltebecken selbst instandzuhalten, nicht jedoch das gesamte Gerinne, dessen Eigentümer der Bund sei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit 290.000 S sA statt und wies das Mehrbegehren ab. Nach seiner Ansicht ist die beklagte Partei aufgrund des Bescheids vom 6. 5. 1993 verpflichtet, den Bach nach der Wasseranlage auf der gesamten "Unterliegerstrecke zu betreuen". Diese Rechtspflicht habe die beklagte Partei vernachlässigt und dadurch die maßgebende Schadensursache gesetzt. Der Vermögensschaden des Klägers beruhe nicht auf einem Ereignis höherer Gewalt. Für dessen Ersatzanspruch gegen die beklagte Partei sei die Person des Gerinneeigentümers nicht von Bedeutung. Selbst wenn die beklagte Partei nicht zufolge einer Vernachlässigung ihrer durch den Bescheid vom 6. 5. 1993 begründeten Handlungspflichten haftete, habe sie nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag für den Schaden des Klägers einzustehen.
Der abweisende Teil dieses Urteils blieb unbekämpft, sein stattgebender Teil wurde vom Berufungsgericht bestätigt, das aussprach, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, die Anlage der beklagten Partei sei als Schutz- und Regulierungsbauwerk eine solche nach § 50 Abs 6 WRG 1959. Diese Anlage sei von ihr als "Regulierungsunternehmerin" instandzuhalten. Um die Hochwasserschutzfunktion der Anlage zu gewährleisten, sei die beklagte Partei verpflichtet, nicht nur das Rückhaltebecken zu reinigen, sie müsse vielmehr "den gesamten Querschnitt des Abflusses" instandhalten. Eine solche Wasseranlage samt Abfluss sei im Sinne des Gesetzes als "verfallen" zu qualifizieren, wenn sie in Ermangelung der erforderlichen Instandhaltung "nicht mehr im erforderlichen Umfang dem projektiertem Zweck" (Hochwasserschutz) dienen könne. Die unterlassene Reinigung des Abflussquerschnitts des Überlaufgerinnes nach dem Regulierungsbecken habe letztlich den Schaden im Vermögen des Klägers verursacht. Durch diese Unterlassung habe die beklagte Partei schon ihre "im Gesetz begründete Instandhaltungsverpflichtung" verletzt. Ein Ereignis höherer Gewalt liege nicht vor. Die beklagte Partei hafte dem Kläger daher für den Ersatz des Überschwemmungsschadens. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof zur Instandhaltungspflicht des Betreibers einer Wasserregulierungsanlage für den "Ablauf" noch nicht Stellung genommen habe.
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Die beklagte Partei bemängelt, dass das Berufungsgericht ihre Beweisrüge "hinsichtlich der Untersuchungen der Wasserbauabteilung" nicht erledigt habe, sei doch auch aus einer Zeugenaussage ableitbar gewesen, dass "seitens der Wasserbehörde weder Instandhaltungsmängel festgestellt ... noch jemals Aufträge der Wasserbauabteilung ... erteilt worden" seien. Aus einem solchen Sachverhalt folge aber, dass sie "die ihr tatsächlich obliegenden Verpflichtungen vollständig erfüllt" habe.
Für die Lösung der Rechtsfrage, welche Instandhaltungspflichten die beklagte Partei zu erfüllen hatte, sind die von der Revisionswerberin vermissten Feststellungen, die allenfalls aufgrund einer Zeugenaussage hätten getroffen werden können, wie noch zu erörtern sein wird, nicht entscheidungswesentlich.
Die beklagte Partei wendet sich unter Berufung auf den Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens ferner gegen die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen über die schadenskausale Niederschlagsmenge und den Anfang der Bachausuferung, um auf diesem Weg zu den erwünschten Feststellungen, aus denen sich allenfalls höhere Gewalt oder zumindest ein dem Kläger anlastbares Mitverschulden ableiten ließe, zu gelangen. Sie führt damit in Wahrheit eine in dritter Instanz unzulässige Beweisrüge aus. Auf diese ist nicht einzugehen.
2. Gemäß § 50 Abs 6 WRG 1959 sind auf Wasseranlagen, die - wie das hier maßgebende Schutz- und Regulierungsbauwerk im Dienste des Hochwasserschutzes - nicht der Wasserbenutzung dienen, die Bestimmungen der Abs 1 bis 5 sinngemäß anzuwenden. Der Eigentümer einer solchen Wasseranlage hat sie jedoch "nur insoweit zu erhalten, als es zur Verhütung von Schäden notwendig ist, die durch den Verfall der Anlage entstehen können".
Der erkennende Senat befasste sich mit den unmittelbar aus dem Gesetz herzuleitenden Rechtspflichten des Eigentümers bzw Betreibers eines Schutz- und Regulierungsbauwerks bereits in der Entscheidung 1 Ob 365/99d. Dort war ein Trapezprofil der Bachböschungen aus Granitsteinen und Rasenziegeln Entscheidungsgegenstand. Das Berufungsgericht beruft sich hingegen bei Erledigung der Rechtsrüge der beklagten Partei wiederholt auf eine Entscheidung 1 Ob 135/99d, zu welcher Aktenzahl keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs ergangen ist, doch stützen sich die Erwägungen des Berufungsgerichts ganz offenkundig auf die vorher erwähnte Entscheidung 1 Ob 365/99d. Dort wurde ausgesprochen, der "Verfall" erfasse schon begrifflich auch jene Schäden, die während des Verfallsprozesses einträten, und nicht bloß jene Nachteile, die erst dadurch entstünden, dass die Anlage nicht mehr vorhanden sei. Ein Schaden sei auch dann "durch den Verfall der Anlage" entstanden, wenn sie ihre Zweckbestimmung trotz ihres Weiterbestehens infolge mangelnder Wartung nicht mehr erfülle oder nur mehr eingeschränkt gewährleiste. Eine Wasseranlage, die mangels ausreichender Instandhaltung nicht mehr im erforderlichen Umfang dem projektierten Zweck des Hochwasserschutzes dienen könne, sei daher im Sinne des § 50 Abs 6 WRG 1959 als "verfallen" zu beurteilen. Die Anwendbarkeit der schadenersatzrechtlichen Bestimmungen des ABGB auf den Ersatz von Schäden, die durch den Bestand oder den Betrieb einer Wasserbenutzungsanlage oder auch einer Wasseranlage im Sinne des § 50 Abs 1 und 6 WRG 1959 verursacht würden, folge schon aus § 26 Abs 1 WRG 1959.
2. 1. Die beklagte Partei wendet sich nicht gegen die Erwägungen in der Entscheidung 1 Ob 365/99d, an denen festzuhalten ist, sie ist jedoch der Ansicht, den Unterlauf des Bachs am Ort der Ausuferung als Gewässerstrecke, die nicht "im unmittelbaren Anlagenbereich" liege, nach § 50 Abs 1 Satz 2 WRG nicht instandzuhalten zu müssen. Darauf kommt es indes, wie sogleich zu erläutern sein wird, nicht an.
2. 2. Der Verwaltungsgerichtshof sprach im Erkenntnis vom 25. 10. 1994, 93/07/0049, 0150, 0151 (= VwSlg 14.151 A/1994) aus, bei der Abgrenzung eines natürlichen von einem künstlichen Gerinne trete die Art der Entstehung des Gerinnebetts hinter den Umstand zurück, dass es Menschenhand steuere, ob und wieviel Wasser in dieses Gerinne gelange. Diese Auslegung des § 50 Abs 1 WRG 1959 sei schon dem aus diesem hervorleuchtenden Zweck zufolge geboten. Bringe ein Wasserbenutzungsrecht die Einleitung von Wasser in das maßgebende Gerinne mit sich, so bewirke die daraus erfließende Befugnis zur Regulierung der Zufuhr von Wasser in das Gerinne, dass es zur Wasserbenutzungsanlage gehöre und daher rechtlich selbst dann als künstliches Gerinne gelte, wenn dessen Bett früher einer der natürlichen Altarme eines Bachs gewesen sei. Ausschlaggebend sei demnach das mit einem verliehenen Wasserbenutzungsrecht verknüpfte Gewässerregime. Aus der Beurteilung eines Bachs als ein zu einer Wasserbenutzungsanlage gehörendes künstliches Gerinne folge die Pflicht zur Erhaltung des Bachbetts und der Instandhaltung der Ufer durch den Wasserberechtigten.
Im Erkenntnis vom 29. 10. 1998, 96/07/0006, hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, aus § 50 Abs 6 WRG 1959 folge, dass die in § 50 Abs 1 WRG 1959 statuierte Erhaltungspflicht für alle im Wasserrechtsgesetz geregelten Anlagen sinngemäß in gleicher Weise gelte.
2. 3. Der erkennende Senat tritt der - auch für die Anwendung des § 50 Abs 6 WRG 1959 maßgebenden - Auslegung des Begriffs "künstliches Gerinne" in § 50 Abs 1 WRG 1959 durch den Verwaltungsgerichtshof bei. Nach der aus der Sachverhaltswiedergabe folgenden Art des im Anlassfall maßgebenden Schutz- und Regulierungsbauwerks übt die beklagte Partei das Gewässerregime (auch) über die Wasserführung im Unterlauf des Gerinnes aus. Der Bach ist daher als "künstliches Gerinne" im Sinne des § 50 Abs 1 WRG 1959 zu qualifizieren. Dann erstreckt sich aber die gesetzliche Instandhaltungspflicht der beklagten Partei auch auf jenen Teil des Gerinnes 700 bis 800 m nach dem Rückhaltebecken, an welchem Ort es wegen der festgestellten Ursachen zur Bachausuferung kam.
Die Wasseranlage der beklagten Partei erfüllte im Zeitpunkt des Schadensereignisses nicht mehr ihren Zweck, weil der durch sie angestrebte Schutz mangels (ausreichender) Instandhaltung des Bachbetts - wenn überhaupt - nur noch sehr eingeschränkt gewährleistet war, hatte doch das Gerinne im Unterlauf des Rückhaltebeckens im günstigsten Fall eine Abfuhrleistung von 2,5 m3/s. Eine solche Wasseranlage, die mangels ausreichender Instandhaltung dem projektierten Zweck des Hochwasserschutzes nicht mehr im erforderlichen Umfang dienen konnte, ist nach der ratio der unter 2. erläuterten Entscheidung 1 Ob 365/99d als "verfallen" im Sinne des § 50 Abs 6 WRG 1959 zu beurteilen.
2. 4. Da die beklagte Partei die Entfernung der Geschiebeablagerungen, die eine weitere Erfüllung des Zwecks des Gerinnes weitgehend vereitelten, unterließ, jedoch im Falle einer "regelmäßigen Reinigung und Abflussertüchtigung des gesamten Bachbetts, vor allem im Bereich der Biegungen, ein Schadenseintritt mit großer Sicherheit" unterblieben wäre, hat sie für den durch ihre Nachlässigkeit im Vermögen des Klägers eingetretenen Schaden einzustehen. Dass sie an der Erfüllung ihrer gesetzlichen Instandhaltungspflicht ohne ihr Verschulden gehindert war, hat sie gar nicht behauptet. Soweit sie nunmehr einwendet, die unterbliebene Reinigung des Bachbetts sei "nicht mit absoluter Sicherheit ... ursächlich für das Übertreten des Bachs" gewesen, ist ihr zu entgegnen, dass sie eine andere wahrscheinliche Ursache für die Bachausuferung nicht nachweisen konnte. Nach den Feststellungen kommen nur die Geschiebeablagerungen im Bachbett als Schadensursache in Betracht. Die Einwendung, ihr fehle es mangels Gewässereigentums an der passiven Klagelegitimation, ist für die Beurteilung ihrer Schadenersatzpflicht gleichfalls nicht relevant, liegt dieser doch die Vernachlässigung einer gesetzlichen Instandhaltungspflicht als Eigentümerin bzw Betreiberin einer Wasseranlage nach § 50 Abs 6 WRG 1959 zugrunde.
3. Nach allen bisherigen Erwägungen ist der Revision somit nicht stattzugeben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO.
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