OGH 9ObA223/01m

OGH9ObA223/01m19.9.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter DI Walter Holzer und Anton Beneder als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Fritz Sch*****, Bautechniker, *****, vertreten durch Dr. Georg Josef Reich, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Ing. Mag. Eduard N*****, Architekt, *****, vertreten durch Dr. Heinz-Eckard Lackner, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 256.882,06 brutto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3. August 2000, GZ 8 Ra 188/00a-24, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Es ist ständige Rechtsprechung, dass die rechtliche Qualifikation eines Vertrages nicht vom Willen der vertragsschließenden Parteien und von der von ihnen gewählten Bezeichnung abhängt, sondern in erster Linie vom tatsächlich gehandhabten Inhalt ihrer ausdrücklich oder schlüssig getroffenen Vereinbarungen (9 ObA 78/98f; 8 ObS 37/01a). Auf die schriftliche Bezeichnung "freier Dienstvertrag" kam es daher ebensowenig an wie auf die Ablehnung des Wunsches des Klägers als Angestellter beschäftigt zu werden.

An dieser Rechtsprechung und der zur Abgrenzung eines echten Arbeitsverhältnisses zum freien Dienstvertrag vorliegenden Rechtsprechung hat auch die Sozialversicherungspflicht "freier Dienstverträge" nichts geändert. Für die Beurteilung kommt es nämlich auch weiterhin auf den wahren wirtschaftlichen Gehalt der Tätigkeiten an (Choholka, Strukturanpassungsgesetz 1996, SozSi 1996, 471). Das Problem der Abgrenzung zwischen "echten Arbeitnehmern" und "freien Dienstnehmern" ist durch die Änderung der Sozialversicherungspflicht nicht gelöst worden (Schrammel, Vom Werkvertragserkenntnis zur umfassenden Sozialversicherungspflicht; ASoK 1997, 333 f). Der Zweck der Gesetzgebung war im Prinzip der, die Finanzierungsbasis der Sozialversicherung abzusichern und Missbräuche von Gestaltungsformen des bürgerlichen Rechts auszuschließen, die die Beitragspflicht bisher negativ betroffen haben (Schrammel aaO, Souhrada, Sozialversicherungspflicht für "Werkverträge": Der Sinn im Chaos, SoSi 1996, 1002 f). Das bedeutet, dass die Abgrenzung zwischen Arbeitsvertrag und freiem Dienstvertrag weiterhin von den Umständen des Einzelfalles abhängt und auch weiterhin gilt, dass die Anmeldung zur Sozialversicherung bzw eine Versicherungspflicht in der Sozialversicherung nicht entscheidend für die Beurteilung des Vorliegens eines echten Arbeitsverhältnisses ist (RIS-Justiz RS0021265; 9 ObA 25/01v).

Das Berufungsgericht ging nach der tatsächlichen Gestaltung der Tätigkeit des Klägers entgegen der Meinung des Revisionswerbers davon aus, dass durch die Zuteilung der Agenden durch den Projektleiter und den laufenden Kontaktpflichten des Klägers sowie der Gestaltung des konkreten Arbeitsplatzes eine Weisungsfreiheit nicht vereinbart war. Soweit der Revisionswerber die persönliche Abhängigkeit des Klägers und die Einordnung unter die funktionelle Autorität des Arbeitgebers teilweise feststellungswidrig durch eine andere Rechtsmeinung zu widerlegen versucht, vermag er eine aufzugreifende Fehlbeurteilung der Umstände des Einzelfalles durch das Berufungsgericht nicht aufzuzeigen. Entscheidend ist, dass die Bestimmungsmerkmale der persönlichen Abhängigkeit nicht allgemein vorliegen müssen, sondern in unterschiedlicher Ausprägung bestehen können (9 ObA 78/98f). Dass sich der Kläger die Büroarbeiten einteilen konnte, für ihn keine Gleitzeitregelung bestand und er seine Tätigkeiten sogar außerhalb des Büros verrichten hätte können oder nach tatsächlichem Zeitaufwand bezahlt wurde, der ja ohnehin einer vollen Arbeitsverpflichtung im Ausmaß von mehr als 40 Stunden entsprach, lässt die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes nicht unrichtig erscheinen. Auch dass das Fehlen einer vereinbarten Mindeststundenanzahl bei der festgestellten Ausgestaltung der Tätigkeit des Klägers, der ohnehin überwiegend mehr als 40 Stunden leistete, eher als Überwälzung des unternehmerischen Risikos auf den Kläger, denn als Ausdruck seiner vertraglichen Freiheit verstanden wurde, ist kein Hinweis für ein im Vordergrund stehendes überwiegendes Bestimmungsmerkmal eines freien Dienstverhältnisses. Gerade die überwiegende Leistung von mehr als 40 Stunden spricht für die Gleichstellung mit einem echten Arbeitnehmer mit einer Normalarbeitszeit von 40 Wochenstunden.

Die Kosten der Revisionsbeantwortung waren nicht zuzusprechen. Auch wenn das Berufungsurteil vor seiner Berichtigung den Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision nicht enthielt und die Berichtigung erst nach Rückstellung der Akten durch den Obersten Gerichtshof vornahm, war von vornherein erkennbar, dass ein Fall des § 46 Abs 3 ASGG nicht vorlag. Da die Revisionsbeantwortung trotz erkennbarer Möglichkeit der Unzulässigkeit der Revision nicht darauf hingewiesen hat, handelt es sich bei deren Kosten nicht um solche im Sinne des § 41 ZPO.

Stichworte