Spruch:
Der Beschluss des Bezirksgerichtes Wr. Neustadt vom 2. Juli 1996, GZ 5 U 3.038/94-23, mit welchem dem Beschuldigten die Weisung erteilt wurde, ab dem 1. September 1996 vierteljährlich die Bezahlung des laufenden Unterhalts nachzuweisen, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 51 Abs 1 StGB.
Der Beschluss des selben Gerichtes vom 27. Juli 2000, GZ 4 U 268/99m-33, mit dem trotz erfolgter endgültiger Strafnachsicht vom Widerruf der bedingten Nachsicht der im Verfahren AZ 5 U 3.038/94 verhängten Strafe abgesehen und die Probezeit verlängert wurde, verletzt das Gesetz in dem im XX. Hauptstück der Strafprozessordnung verankerten Grundsatz der materiellen Rechtskraft. Dieser Beschluss wird aufgehoben und der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Verlängerung der Probezeit zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Im Verfahren AZ 5 U 3.038/94 des Bezirksgerichtes Wr. Neustadt wurde Willibald H***** mit Urteil vom 2. Juli 1996 (ON 23 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses ON 24a) des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 18 Wochen verurteilt. Mit zugleich gefasstem ohne gesetzliche Grundlage gemeinsam mit dem Urteil ausgefertigtem Beschluss wurde Bewährungshilfe angeordnet und dem Beschuldigten die Weisung erteilt, bis zum 31. Dezember 1996 die Ausübung eines Berufes und ab dem 1. September 1996 vierteljährlich die Bezahlung des laufenden Unterhalts nachzuweisen. Das Urteil wurde - ersichtlich mit Zurückziehung einer von der Staatsanwaltschaft angemeldeten, aber nicht ausgeführten Berufung - am 2. Oktober 1996 rechtskräftig. Mit Beschluss vom 1. Dezember 1999 wurde die Strafnachsicht mangels Kenntnis des Umstandes, dass noch vor Ablauf der Probezeit ein weiteres Strafverfahren gegen Willibald H***** eingeleitet worden war, für endgültig erklärt (ON 37).
In dem am 5. Mai 1999 anhängig gewordenen Verfahren AZ 4 U 268/99m des Bezirksgerichtes Wr. Neustadt war eine im Hinblick auf das Probezeitende im vorgenannten Verfahren zur Hintanhaltung einer verfrühten Feststellung endgültiger Nachsicht angezeigte Verständigung von der Verfahrenseinleitung unterblieben. Willibald H***** wurde mit Urteil vom 27. Juli 2000 (ON 33) der Vergehen der Entziehung von Energie nach § 132 Abs 1 StGB, der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, des Betruges nach § 146 StGB, der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 StGB und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Zugleich fasste das Bezirksgericht den Beschluss, vom Widerruf der bedingten Nachsicht der vorgenannten Strafe abzusehen und die Probezeit auf fünf Jahre zu verlängern, obwohl die erwähnte Feststellung endgültiger Nachsicht aktenkundig war (S 11 in ON 30)
Der Beschluss des Bezirksgerichtes Wr. Neustadt vom 2. Juli 1996, GZ 5 U 3.038/94-23, mit welchem dem Beschuldigten die Weisung zum Nachweis der Bezahlung des laufenden Unterhaltes erteilt wurde, und der Beschluss des selben Gerichtes vom 27. Juli 2000, GZ 4 U 268/99m-33, mit dem trotz erfolgter endgültiger Strafnachsicht vom Widerruf der bedingten Nachsicht der im Verfahren AZ 5 U 3.038/94 verhängten Strafe abgesehen und die Probezeit verlängert wurde, stehen - wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Rechtliche Beurteilung
Während die Weisung zulässig ist, den durch die Tat entstandenen Unterhaltsrückstand nach Kräften abzudecken, findet eine Weisung, die dem Verurteilten die Zahlung künftiger Unterhaltsbeiträge aufträgt und sich demnach im Verbot der Begehung einer nach § 198 StGB strafbaren Tat erschöpft, in der Bestimmung des § 51 StGB keine Deckung. Die neuerliche Begehung einer strafbaren Handlung während der Probezeit stellt vielmehr einen eigenen, in § 53 Abs 1 StGB angeführten Widerrufsgrund dar, der aber weisungsunabhängig den (vorliegend nicht gegebenen) Schuldspruch wegen des neuen Deliktes erfordert (12 Os 140, 141/91 mwN).
Ein gemäß § 292 letzter Satz StPO zu behebender Nachteil ist mit der gesetzwidrigen Weisung infolge der Feststellung endgültiger Strafnachsicht nicht mehr verbunden.
Das Bezirksgericht Wr. Neustadt übersah beim Ausspruch über das Absehen vom Widerruf und die Probezeitverlängerung, dass bereits rechtskräftig die endgültige Strafnachsicht festgestellt war. Kein Gericht war ohne vorangegangene Aufhebung dieser Entscheidung berechtigt, über den Entscheidungsgegenstand neuerlich abzusprechen. Der (zeitlich nachfolgende) Verlängerungsbeschluss vermochte daher weder die schon vorher beschlossene endgültige Strafnachsicht zu beseitigen noch gegen den Verurteilten irgendwelche Rechtsfolgen nach sich zu ziehen. Die Sperrwirkung des Beschlusses auf Feststellung endgültiger Strafnachsicht blieb vielmehr unberührt (vgl 11 Os 70/98 mwN). Der in Rede stehende Beschluss verstieß somit gegen den aus dem XX. Hauptstück der StPO abzuleitenden Grundsatz der materiellen Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen.
Zur Vermeidung allfälliger nachteiliger Auswirkungen dieser Gesetzesverletzung auf den Verurteilten ist die Aufhebung dieses Beschlusses geboten (§ 292 letzter Satz StPO) und demzufolge der auf Verlängerung der Probezeit zielende Antrag der Staatsanwaltschaft (S 31 in ON 14) zurückzuweisen (11 Os 70/98).
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