OGH 3Ob39/01h

OGH3Ob39/01h29.8.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann G*****, vertreten durch DDr. Hans Esterbauer, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Anna G*****, vertreten durch Liebscher, Hübel & Partner, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom 12. Oktober 2000, GZ 21 R 165/00m-28, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 19. April 2000, GZ 8 C 10/98m-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.370,- (darin enthalten S 1.395,- Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger verpflichtete sich im Zuge der Scheidung seiner Ehe mit der Beklagten mit gerichtlichem Vergleich vom 2. 10. 1974, der Beklagten ab Oktober 1974 einen monatlichen wertgesicherten Unterhalt von S 6.000 zu bezahlen; er verzichtete auf das Recht, eine Herabsetzung des Unterhalts wegen geänderter Verhältnisse zu begehren, ausgenommen für den Fall, dass durch die Leistung des Unterhalts sein wirtschaftliches Dasein gefährdet wäre.

Der Kläger gab 1989 seinen Fleischhauereibetrieb auf und unterzog sich einer Nierentransplantation. Er ist seitdem pflegebedürftig, muss ständig Medikamente einnehmen und leidet unter Blutdruckschwankungen und Herzrhythmusstörungen. Seine nunmehrige Frau musste ihre Berufstätigkeit aufgeben, um ihn rund um die Uhr pflegen zu können. Der Kläger bestreitet von seiner Pension von derzeit monatlich S 10.081,60, die er 14mal jährlich erhält, auch den Unterhalt seiner nunmehrigen Gattin.

Die Beklagte bezieht ein monatliches Einkommen von S 13.000 14mal jährlich. Sie erhält von ihrer Tochter monatlich Zuwendungen von ca S 4.300; die Tochter übernimmt auch Kosten für Reparaturen und Aufwendungen, zuletzt in Höhe von S 50.000.

Neben einer 11.281 m2 großen Moorlandschaft in M*****, die nur sehr eingeschränkt nutzbar und nur S 56.000 wert ist, besaß der Kläger auch den Hälfteanteil an einer Liegenschaft in Mü***** mit einem Schätzwert von S 2,125.000. Am 23. 11. 1988 übertrug er diesen Anteil schenkungsweise seiner Ehegattin; er hatte die Absicht, dadurch die Beklagte zu benachteiligen. Dieses Objekt ist schwer verwertbar, jedoch nicht unverkäuflich. Die Wohnungen in diesem Haus konnten bis 1995 vermietet werden; der Kläger erwirtschaftete jährlich zumindest S 150.000 bis S 200.000. Seitdem konnten aufgrund der Marktverhältnisse und des Standards der Wohnungen bis 1999 keine Mieteinnahmen erzielt werden. Seit 1999 sind zwei Wohnungen im Erdgeschoß zu Mieten von monatlich S 6.000 und monatlich S 4.000 und eine Wohnung im Obergeschoß zu einer Miete von monatlich S 4.283 (jeweils brutto inklusive Betriebskosten ohne Heizkosten) vermietet. In diesen Wohnungen sind Elektroheizungen installiert; die Stromkosten werden separat abgerechnet.

Aufgrund seines Gesundheitszustands besteht beim Kläger seit Jänner 1998 ein Betreuungs- und Hilfebedarf von 74 Stunden im Monat. Er bezieht seit 1. 12. 1999 ein monatliches Pflegegeld von S 3.688. Obwohl er ständig Medikamente einnehmen muss und medizinisch als multimorbid zu bezeichnen ist, kann nicht von einer chronischen Erkrankung ausgegangen werden, die zu einer Rezeptgebührenbefreiung führen würde. Dem Kläger entstehen monatliche Ausgaben von etwa S 1.000 für Rezeptgebühren und Medikamente.

Er bewohnt nach wie vor die etwa 100 bis 120 m2 große Wohnung zuzüglich großer Terrasse in dem erwähnten Haus, bezahlt hiefür jedoch kein Entgelt. Auch sein knapp 30-jähriger Sohn bewohnt mit seiner Frau eine Garconniere des Hauses, ohne hiefür ein Entgelt zu zahlen.

Die Beklagte führt zur Hereinbringung rückständigen Unterhalts für Jänner bis Mai 1998 von S 17.500 und laufenden Unterhalts von S 3.500 monatlich ab Juni 1998 Forderungs- und Fahrnisexekution. Der Kläger begehrt das Urteil, der Unterhaltsanspruch, zu dessen Hereinbringung diese Exekution bewilligt wurde, sei "durch die Änderung der Verhältnisse erloschen und die Exekution unzulässig". Die Beklagte wendete ein, im Vergleich sei nur auf das wirtschaftliche Bestehen des Klägers Bedacht genommen worden. Der Kläger habe durch die Übertragung seines Hälfteeigentums an der Liegenschaft in Mülln sein Vermögen geschmälert. Er verfüge über ausreichendes Einkommen, um den begehrten Unterhalt zu leisten.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Den im Wesentlichen eingangs wiedergegebenen, von ihm festgestellten Sachverhalt beurteilte es rechtlich dahin, der vereinbarte Ausschluss der Umstandsklausel sei solange sittengemäß, als für den Kläger eine Existenzbedrohung nicht gegeben sei. Zwar seien erhöhte Aufwendungen des Klägers als Folge seiner Nierentransplantation festgestellt worden, andererseits würden inzwischen wiederum Mieteinnahmen erzielt und der Kläger habe sein Vermögen bewusst durch die Schenkung seines Hälfteanteils an seine nunmehrige Gattin in Benachteiligungsabsicht geschmälert; er lasse auch seinen Sohn unentgeltlich eine Wohnung im Haus bewohnen. Die Übertragung des Hälfteeigentums sei somit für die Unterhaltsbemessung als unwirksam und die Verwertung des Liegenschaftsvermögens zur Unterhaltsabdeckung als zumutbar anzusehen. Daher könne dem Kläger unter den gegebenen Umständen die Bestreitung des Unterhalts gegenüber der Beklagten zugemutet werden.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil infolge Berufung des Klägers und sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig, weil zu der über den Anlassfall an Bedeutung hinausreichenden Rechtsfrage, wieweit bei Beurteilung einer wirtschaftlichen Existenzgefährdung im Zusammenhang mit einem partiellen Ausschluss der Umstandsklausel auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum sogenannten absoluten Unterhaltsexistenzminimum zurückgegriffen werden könne, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle, wobei die vorliegende Sachverhaltskonstellation nicht als untypisch angesehen weden könne.

Das Berufungsgericht billigte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes und führte weiters aus, bei Beurteilung der Frage einer wirtschaftlichen Existenzgefährdung des Klägers sei auch auf seine Vermögenssituation und weiters darauf abzustellen, ob ein Anspruch nach dem Bundespflegegeldgesetz bestehe, mit dem der Kläger zumindest teilweise seinen krankheitsbedingten Betreuungsaufwand abdecken könne, weiters, wieweit den Kläger krankheitsbedingte Mehrkosten treffen.

Die im Unterhaltstitel vereinbarte Ausnahme vom Ausschluss der Unterhaltsklausel schreibe letztlich nur das in der Judikatur für die Beurteilung einer allfälligen Sittenwidrigkeit des Ausschlusses der Umstandsklausel entwickelte Kriterium der wirtschaftlichen Existenzgefährdung des Unterhaltsschuldners fest. Bei dem Betrag, der dem Unterhaltsschuldner jedenfalls zu verbleiben habe, handle es sich weder um den Mindestpensionsrichtsatz nach § 293 Abs 1 ASVG noch um den Grundbetrag des Unterhaltsexistenzminimums nach § 291 Abs 2, § 291a Abs 3 EO; vielmehr sei auch im Ehegattenunterhaltsrecht eine wirtschaftliche Existenzgefährdung erst bei Unterschreiten des absoluten Unterhaltsexistenzminimums nach § 292b EO anzunehmen. Auch wenn Pflegegeld nicht als Einkommen des Unterhaltsberechtigten zu werten sei, könne bei der Beurteilung einer wirtschaftlichen Existenzgefährdung nicht außer Betracht bleiben, dass durch das vom Kläger seit 1. 12. 1999 bezogene Pflegegeld von S 3.688 zumindest teilweise sein krankheitsbedingter Betreuungsaufwand abgedeckt werde.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes, an den der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht gebunden ist, nicht zulässig.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (RIS-Justiz RS0016554), dass der Verzicht auf die Umstandsklausel grundsätzlich zulässig und wirksam ist; das Beharren auf diesen Verzicht kann aber sittenwidrig sein, etwa dann, wenn durch ein Beharren auf der Unterhaltsleistung dem Unterhaltspflichtigen die Existenzgrundlage entzogen würde. Um zu verhindern, dass der an sich zulässige Ausschluss der Umstandsklausel im Nachhinein ohne zwingenden Grund aufgehoben wird, ist ein strenger Maßstab anzulegen.

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, eine wirtschaftliche Existenzgefährdung sei erst bei Unterschreiten des sogenannten absoluten Unterhaltsexistenzminimums nach § 292b EO anzunehmen,

widerspricht nicht den Entscheidungen 3 Ob 60/89 (= EF 59.971) und 3

Ob 133/00f (= JBl 2001, 513), wonach dem Unterhaltspflichtigen die Existenzgrundlage nicht entzogen wird, wenn ihm mindestens noch Einkünfte in der Höhe des Richtsatzes für die Ausgleichszulage verbleiben. Dies lässt noch offen, dass dies erst bei einem niedrigeren Betrag der Fall sein kann.

Die Entscheidung hängt hier von den Umständen des konkreten Falles ab, weshalb sie in ihrer Bedeutung nicht über diesen hinausgeht und unter diesem Gesichtspunkt nicht erheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ist. Im Ergebnis stellt die Beurteilung des Berufungsgerichtes, dass das Beharren auf dem reduzierten Unterhalt von S 3.500 monatlich nicht sittenwidrig sei, weil dem Unterhaltspflichtigen durch diese - von der Unterhaltsberechtigten bereits eingeschränkte - Verpflichtung zu Unterhaltsleistungen die Existenzgrundlage nicht entzogen werde, auch keine auffallende Fehlbeurteilung im Einzelfall dar, die Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision wäre (vgl RZ 1994/45 uva).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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