OGH 6Ob165/01k

OGH6Ob165/01k23.8.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karlheinz B*****, Unternehmer, ***** vertreten durch Dr. Anton Tschann, Rechtsanwalt in Bludenz, gegen die beklagte Partei Ing. Martin B*****, Gemeindeangestellter, ***** vertreten durch Dr. Hans Widerin, Rechtsanwalt in Bludenz, wegen Unterlassung beleidigender Äußerungen, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgericht vom 17. April 2001, GZ 2 R 101/01w-73, womit über die Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Bludenz vom 18. Jänner 2001, GZ 4 C 97/98m-67, aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung aufgetragen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt mit seinem auf § 1330 ABGB gestützten Klagebegehren das Verbot von Äußerungen, der Kläger "sei ein Trottel, eine Sau, ein Guru, der Guru, diese Sau diese" und von ähnlichen oder gleichlautenden Äußerungen. Der Beklagte habe in Telefongesprächen mit zwei Frauen den Kläger mit diesen Ausdrücken bedacht. Er habe den Kläger auch gegenüber anderen Personen beschimpft.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Bei der Bezeichnung "Guru" handle es sich um keine Ehrenbeleidigung. Der Inhalt der vom Beklagten geführten Telefongespräche sei nur für den jeweiligen Gesprächspartner bestimmt und vertraulich gewesen. Im Hinblick auf vorangegangene Äußerungen des Klägers seien die vom Beklagten gewählten Formulierungen eine verständliche Reaktion. Der Kläger habe eine zentrale Rolle bei der Zerrüttung der Ehe des Beklagten gespielt. Die Gattin des Beklagten habe heimlich Telefongespräche des Beklagten aufgenommen und dem Kläger zugespielt. Der Beklagte habe sich wegen des Scheidungsverfahrens und der gegen ihn erhobenen unhaltbaren strafrechtlichen Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs an seiner Tochter in einer extrem psychischen Belastungssituation befunden. Seine Telefongespräche seien rechtswidrig abgehört worden. Der Kläger habe den Beklagten mehrfach heftig verbal attackiert und ihn sogar körperlich angegriffen. Bei einer gebotenen Interessenabwägung sei das Verhalten des Beklagten nicht als rechtswidrig zu werten. Der Beklagte stellte die Verwendung der vom Kläger bekämpften Bezeichnungen außer Streit.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte den Inhalt der abgehörten Telefongespräche teilweise fest. Die Gattin des Beklagten habe sich im Vorfeld des Scheidungsverfahrens immer mehr dem Kläger zugewandt. Bei den Gesprächspartnerinnen des Beklagten handle es sich um Freundinnen des Beklagten. Der Beklagte sei davon ausgegangen, dass der Inhalt der Telefongespräche vertraulich behandelt werde.

Das Erstgericht führte in rechtlicher Hinsicht aus, dass die vom Beklagten verwendeten Ausdrücke persönliche Beleidigungen im Sinne des § 1330 Abs 1 ABGB seien. Diese könnten nicht mit einer psychisch angespannten Situation des Beklagten gerechtfertigt werden.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und hob das erstinstanzliche Urteil zur neuerlichen Entscheidung auf. Es beurteilte die festgestellten Äußerungen des Beklagten als Ehrenbeleidigungen im Sinne des § 1330 Abs 1 ABGB. Diese seien in der Frage der Mindestpublizität wie rufschädigende Tatsachenbehauptungen zu behandeln. Dies ergebe sich schon aus der Rechtsnatur des Anspruchs als Schadenersatzanspruch sowie aus dem Bedürfnis der Vermeidung von Wertungswidersprüchen. Eine Äußerung sei dann als nichtöffentliche zu qualifizieren, wenn Gewähr dafür bestehe, dass der Empfänger die Mitteilung vertraulich behandeln werde. Dazu allein genüge aber die Tatsache, dass der Erklärungsempfänger ein Freund des Mitteilenden sei, nicht. Hier müsse noch geprüft werden, ob die Vertraulichkeit gewährleistet gewesen sei. Wenn dies feststehe, würde dies bedeuten, dass die für eine Ehrenbeleidigung notwendige Publizität nicht gegeben gewesen sei. Dazu fehle es an Feststellungen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Mit seinem Rekurs beantragt der Kläger die Abänderung dahin, dass das Urteil des Erstgerichtes bestätigt werde, hilfsweise die Aufhebung zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung.

Der Beklagte beantragt, den Rekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht hat im Einklang mit der oberstgerichtlichen Judikatur das entscheidungswesentliche Thema der Vertraulichkeit der Äußerungen des Beklagten für noch nicht spruchreif erachtet. § 1330 Abs 2 ABGB normiert für den Bereich unwahrer Tatsachenbehauptungen eine Ausnahme für nicht öffentlich vorgebrachte Meinungen, also für die vertrauliche Weitergabe der rufschädigenden Behauptung an einen Dritten, bei dem keine Gefahr der Weiterverbreitung besteht (6 Ob 2235/96m = EvBl 1997/159; 6 Ob 37/95 = SZ 69/12). Entscheidend ist es, ob der Mitteilende mit der vertraulichen Behandlung durch den oder die Mitteilungsempfänger rechnen durfte (4 Ob 338/87 = MR 1988, 84; Korn/Neumayer Persönlichkeitsschutz 67 mwN). Ob eine Äußerung nach dem Willen des Mitteilenden vertraulichen Charakter haben soll, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Wesentlich ist die auf die Geheimhaltung gerichtete Absicht des Mitteilenden (so schon die zu § 7 Abs 2 UWG ergangene Entscheidung JBl 1959, 634).

Die hier zu beurteilenden ehrverletzenden Äußerungen sind isoliert betrachtet keine Tatsachenbehauptungen, sondern reine Ehrenbeleidigungen nach § 1330 Abs 1 ABGB. Der erkennende Senat hat jedoch auch für solche Fälle schon ausgesprochen, dass die Haftung des Täters wie bei rufschädigenden Tatsachenbehauptungen nach Abs 2 leg cit die Öffentlichkeit der Mitteilung, also die Äußerung gegenüber zumindest einer vom Täter und vom Verletzten verschiedenen Person zur Voraussetzung hat und dass die Vertraulichkeit der Mitteilung die Haftung ausschließen kann. Es wäre ein Wertungswiderspruch, bei Ehrenbeleidigungen in engerem Sinn eine Haftung auch dann zu bejahen, wenn keine Gefahr der Weiterverbreitung besteht (6 Ob 37/95 = SZ 69/12). Der Rekurswerber wendet dagegen ein, dass die zitierte Entscheidung vereinzelt geblieben sei, ohne allerdings entgegenstehende oberstgerichtliche Entscheidungen ins Treffen führen zu können.

Mit dem Rekursvorbringen, eine der beiden Mitteilungsempfängerinnen habe die Vertraulichkeit nicht gewahrt, geht der Rekurswerber insofern von nicht getroffenen Feststellungen aus, als nicht festgestellt wurde, dass die vom Kläger bekämpften konkreten Beschimpfungen weitergegeben worden wären. Im Übrigen ist die Weitergabe des Gesprächsinhalts durch die Mitteilungsempfängerinnen Gegenstand des Aufhebungsbeschlusses. Allerdings ist das Verfahren über diesen Sachverhalt hinaus noch in einem weiteren, vom Ergänzungsauftrag des Berufungsgerichtes nicht erfassten Punkt ergänzungsbedürftig. Selbst wenn nämlich eine der Frauen die bekämpften Äußerungen des Beklagten weitergegeben haben sollte, müsste allein deswegen seine Haftung noch nicht bejaht werden. Entscheidend kann nur sein, ob und aus welchen Gründen - das Freundschaftsverhältnis allein reicht jedenfalls nicht aus (EvBl 1997/159) - der Beklagte damit rechnete und rechnen durfte, dass seine Mitteilungen vertraulich behandelt werden. Zu diesem Thema kann eine festgestellte Nichtweitergabe der Äußerungen ein Beweiswürdigungsargument darstellen.

Der Rekurswerber strebt auch bei reinen Beschimpfungen im Familien- oder Freundeskreis die Haftung des Täters trotz fehlender Gefahr der Weiterverbreitung an, ohne den schon angeführten Wertungswiderspruch mit tauglichen Gründen entkräften zu können. Eine unterschiedliche Behandlung könnte ihre Begründung nur in unterschiedlichen Rufschädigungen haben. Dass substratlose Beschimpfungen per se nachteiliger als falsche rufschädigende Tatsachenbehauptungen wären, ist jedoch nicht ersichtlich. Der Senat sieht sich daher nicht veranlasst, von seiner Vorjudikatur abzugehen. Im Übrigen waren die Äußerungen des Beklagten ohnehin nicht isolierte Beleidigungen (Beschimpfungen oder Verspottungen im Sinne des § 115 StGB), sondern auf der Basis eines weiteren Sachverhalts, nämlich des Inhalts der abgehörten Telefongespräche zu beurteilende beleidigende Werturteile. Auch wegen dieses Konnexes verbietet sich eine unterschiedliche Behandlung in der Frage der haftungsausschließenden Vertraulichkeit der bekämpften Äußerungen.

Zu der vom Berufungsgericht in seinem Rechtsmittelzulässigkeitsausspruch angeführten Rechtsfrage nach den Rechtsfolgen des Umstandes, dass der Kläger von den vertraulichen Äußerungen des Beklagten erst durch rechtswidriges Abhören von Telefongesprächen Kenntnis erlangte, braucht hier mangels näherer Rekursausführungen nur dahin Stellung genommen werden, dass die Verwendung von Tonaufnahmen als Beweismittel selbst bei Bejahung eines im Gesetz nicht angeordneten Beweismittelsverbots höchstens einen Verfahrensmangel darstellen könnte (dazu Rechberger in Rechberger ZPO2 Rz 24 vor § 266 mwN), der hier schon wegen der Verneinung eines Verfahrensmangels durch das Berufungsgericht ebenso sanktionslos wäre wie eine allfällige Mitwirkung des Klägers bei der rechtswidrigen Beschaffung der Informationen. Die vom Berufungsgericht aufgeworfene Rechtsfrage kann schon aus dem Grund nicht entscheidungswesentlich sein, weil die bekämpften Äußerungen des Beklagten von diesem außer Streit gestellt wurden und damit den Entscheidungsgegenstand bilden.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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