OGH 10ObS141/01k

OGH10ObS141/01k12.6.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Hübner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Johann Holper (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Manfred R*****, ohne Beschäftigung, ***** vertreten durch Dr. Rudolf Zitta, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Februar 2001, GZ 12 Rs 26/01g-59, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 6. April 2000, GZ 17 Cgs 148/95f-53, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, dass der am 20. 6. 1969 geborene Kläger die Voraussetzungen für die Gewährung einer Invaliditätspension nach § 255 Abs 3 ASVG ab 1. 3. 1995 nicht erfüllt, ist zutreffend (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Sie entspricht der seit den Entscheidungen SSV-NF 1/33 und 1/67 ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, wonach der Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit voraussetzt, dass sich der körperliche oder geistige Zustand des Versicherten nach dem Beginn seiner Erwerbstätigkeit, also nach seinem Eintritt in das Berufsleben, in einem für die Arbeitsfähigkeit wesentlichen Ausmaß verschlechtert hat. Ein bereits vor Beginn der Erwerbstätigkeit eingetretener und damit in das Versicherungsverhältnis mitgebrachter, im Wesentlichen unveränderter körperlicher oder geistiger Zustand kann somit bei Leistungen aus den Versicherungsfällen geminderter Arbeitsfähigkeit nicht zum Eintritt des Versicherungsfalles führen. Anspruch auf eine Invaliditätspension besteht daher nur dann, wenn eine Person ursprünglich in der Lage war, eine bestimmte Tätigkeit auszuüben und zufolge einer negativen Veränderung des körperlichen oder geistigen Zustandes außerstande gesetzt wird, nunmehr einer geregelten Beschäftigung, zu der sie früher in der Lage war, nachzugehen (vgl auch SSV-NF 4/60; 4/160; 5/100; 10/13 ua; RIS-Justiz RS0085107; RS0084829 ua).

Nach den Feststellungen besteht beim Kläger bereits seit dem erstmaligen Eintritt in das Berufsleben eine auf eine Entwicklungsstörung zurückgehende intellektuelle Minderbegabung vom Grade der Debilität sowie eine Neigung zum Alkoholmissbrauch, mit dessen Hilfe der Kläger Gefühle der Unlust und Insuffizienz bekämpft. Der Kläger war aufgrund dieser psychischen Beeinträchtigung bereits bei Eintritt in das Berufsleben nur in der Lage, geistig einfachste ungelernte Arbeiten entweder am elterlichen Hof oder in dessen Umgebung unter der Voraussetzung, dass er weiterhin in der familienhaften Geborgenheit des elterlichen Hofes leben kann, zu verrichten. So hätte der Kläger beispielsweise Hütearbeiten in der Landwirtschaft im Heimatort oder dessen näherer Umgebung verrichten können, nicht aber auf Almen, weil der Kläger als Viehhüter dann im Sommer auf der Alm hätte wohnen müssen und er durch das damit verbundene Alleinsein bereits überfordert gewesen wäre. Auch nach dem zum Stichtag 1. 3. 1995 festgestellten medizinischen Leistungskalkül wäre der Kläger weiterhin in der Lage, im heimatlichen Umfeld leichte Viehhütearbeit oder einfache Botengänge zu verrichten. Die Arbeitsfähigkeit des Klägers wurde somit durch keine Verschlechterung nach Eintritt in das Erwerbsleben entscheidend beeinträchtigt.

Nach den rechtlich zu beurteilenden Feststellungen der Vorinstanzen, an die der Oberste Gerichtshof gebunden ist, ist davon auszugehen, dass eine Einsetzbarkeit des Klägers unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nie gegeben war. Der Kläger konnte danach am allgemeinen Arbeitsmarkt stets nur unter Mithilfe seiner Arbeitskollegen, insbesondere seiner Brüder, sowie unter besonderer Nachsicht und unter besonderem Entgegenkommen seines Dienstgebers arbeiten. Trotz dieses Entgegenkommens und dieser Unterstützung überstiegen die an den Kläger in diesen Tätigkeiten gestellten Anforderungen dessen Leistungsfähigkeit und es steht somit entgegen den Ausführungen in der Revision bei ihm fest, dass er zu einer geregelten Arbeit unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nie befähigt war. Wer aber trotz bestehender Behinderung, die ihn von vornherein vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausschließen würde, Versicherungszeiten erwirbt, kann sich nach Erreichen der allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen für eine Invaliditätspension oder Berufsunfähigkeitspension nicht darauf berufen, dass sich sein Gesundheitszustand verschlechtert habe, sodass er nunmehr als invalide im Sinne der hier maßgebenden Bestimmung des § 255 Abs 3 ASVG anzusehen sei. Entgegen den Ausführungen in der Revision steht somit bereits aufgrund der von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen fest, dass der Kläger aufgrund seiner Behinderung eben gerade nicht die Arbeitsleistungen zu erbringen in der Lage war (und ist), bei denen ein Versicherter noch nicht als invalid gilt, und nunmehr durch Verschlechterung dieser Versicherungsfall bei ihm eingetreten wäre.

Der Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit bezweckt den Schutz des Versicherten vor den Auswirkungen einer körperlich oder geistig bedingten Herabsetzung seiner Arbeitsfähigkeit (Teschner in Tomandl, SV-System 10. ErgLfg 368 ua). Dieser Versicherungsfall kann daher nur eintreten, wenn während der versicherten Tätigkeit Arbeitsfähigkeit bestanden hat (SSV-NF 2/87 ua). Gegen dieses Ergebnis bestehen nach der zutreffenden Rechtsansicht des Berufungsgerichtes keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Auch in den Revisionsausführungen fehlen entsprechende Argumente, die geeignet wären, solche Bedenken zu erwecken.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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