OGH 8Ob102/01k

OGH8Ob102/01k11.6.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Raiffeisenbank *****, vertreten durch Dr. Walter Anderl, Rechtsanwalt in Mayrhofen, wider die beklagte Partei Maria S*****, vertreten durch ihre Sachwalterin Rosemarie W*****, diese vertreten durch Dr. Klaus Herke, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 90.000 sA (hier: Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung) infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 23. Jänner 2001, GZ 1 R 592/00s-31, womit aus Anlass des Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Zell am Ziller vom 21. Juni 2000, GZ 1 C 50/94m-23, das Verfahren unterbrochen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird ersatzlos behoben und die Rechtssache an das Rekursgericht zur Entscheidung über den Rekurs der beklagten Partei zurückverwiesen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Rechtsmittelverfahrens.

Text

Begründung

Mit Beschluss vom 15. 2. 1994 erließ das Erstgericht antragsgemäß einen Wechselzahlungsauftrag über den Betrag von S 90.000 sA. Die Klage und der Wechselzahlungsauftrag wurden der Beklagten am 18. 2. 1994 zu eigenen Handen zugestellt.

Mit am 11. 3. 1999 beim Erstgericht eingelangtem Schriftsatz beantragte die Beklagte die Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung des Wechselzahlungsauftrages sowie dessen neuerliche Zustellung mit der Begründung, sie sei zum Zeitpunkt der Zustellung des Wechselzahlungsauftrages weder geschäfts- noch prozessfähig gewesen; mittlerweile sei ihr vom Bezirksgericht Hopfgarten mit Beschluss vom 21. 5. 1997, 1 P 39/96v, ein Sachwalter (in der Person der Rosemarie W*****) bestellt worden. Die bisherige Prozessführung sei nichtig, weshalb die Bestätigung der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Wechselzahlungsauftrages aufgehoben werden müsse.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht die von der Beklagten gestellten Anträge ab. Es ging bei seiner Entscheidung davon aus, dass nicht festgestellt werden könne, dass die Beklagte zum Zeitpunkt der Zustellung des Wechselzahlungsauftrages geschäftsund/oder prozessunfähig gewesen sei. In rechtlicher Würdigung dessen gelangte das Erstgericht, ausgehend von der Überlegung, dass im Verfahren nach § 7 Abs 3 EO infolge der Behauptung der Beklagten zu prüfen sei, ob die Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen zu dem Zeitpunkt, zu welchem die Vollstreckbarkeitsbestätigung erteilt worden sei, vorhanden gewesen wären, zum Ergebnis, die Beklagte sei für die von ihr behauptete Geschäfts- und Prozessunfähigkeit zum Zeitpunkt der Zustellung des Wechselzahlungsauftrages beweispflichtig; dieser Beweis sei ihr mit Rücksicht auf die Negativfeststellung bezüglich ihrer Geschäfts- bzw. Prozessunfähigkeit nicht gelungen. Damit lägen die Voraussetzungen für die Aufhebung der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung nicht vor, sodass die Anträge der Beklagten abzuweisen seien.

Das Rekursgericht unterbrach aus Anlass des Rekurses der Beklagten von Amts wegen das Verfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung des über die von der Beklagten zu AZ 1 C 79/99h des Erstgerichts erhobene Nichtigkeitsklage anhängigen Verfahrens. Dazu stellte es fest, die Beklagte habe am 12. 2. 1999 beim Erstgericht eine auf den vorliegenden Rechtsstreit bezogene Nichtigkeitsklage samt Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe erhoben; die Klageschrift sei dem Klagevertreter zur Verbesserung durch Beibringung eines nicht mehr als vier Wochen alten Vermögensbekenntnisses zurückgestellt worden. Eine weitere Bearbeitung der Klage sei (bisher) nicht erfolgt.

Rechtlich erwog das Rekursgericht, dass es Hinblick auf die Präjudizialität der Entscheidung über die Nichtigkeitsklage zweckmäßiger sei, das "Verfahren nach § 7 Abs 3 EO und auf neuerliche Zustellung des Versäumungsurteils" zu unterbrechen und die Entscheidung über die Nichtigkeitsklage abzuwarten, zumal eine sofortige Entscheidung über den Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung nicht geboten sei. Der Unterbrechungsbeschluss sei in analoger Anwendung des § 546 Abs 1 ZPO unanfechtbar.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der klagenden Partei ist zulässig und berechtigt, wie der Oberste Gerichtshof bereits in einem Parallelverfahren (1 Ob 109/01p) mit Beschluss vom 29. 5. 2001 entschieden hat.

a) Zu Recht unterließ das Rekursgericht einen Ausspruch über die Zulässigkeit des Rechtsmittels. Denn die Rechtsmittelbeschränkungen des § 528 ZPO beziehen sich nur auf Entscheidungen des Rekursgerichts, mit denen über ein an dieses gerichtete Rechtsmittel abgesprochen wird, nicht aber auf solche, die das Gericht zweiter Instanz nur "im Rahmen" eines Rekursverfahrens, somit funktionell als Erstgericht trifft. Im vorliegenden Fall fasste das Rekursgericht den bekämpften Unterbrechungsbeschluss funktionell als Gericht erster Instanz, sodass die Rekurszulässigkeit nach § 514 ZPO zu beurteilen ist.

b) Die zweitinstanzliche Rechtsansicht, der Rechtsmittelausschluss des § 546 Abs 1 ZPO sei analog anzuwenden, kann nicht gebilligt werden.

Obwohl den Parteien nur ausnahmsweise die Wahl zwischen mehreren Rechtsbehelfen eingeräumt werden soll, läßt die herrschende Auffassung den Aufhebungsantrag nach § 7 Abs 3 EO jedenfalls bei behaupteter mangelnder Prozessfähigkeit auch neben der Nichtigkeitsklage zu (8 Ob 104/97w, 175/98p = SZ 71/113 = EvBl 1998/209 = NZ 2000, 21 = MietSlg 50.803; 6 Ob 1/99m; 1 Ob 111/99a = MietSlg 51.761 u.a.; Jakusch in Angst, Kommentar zur EO, § 7 Rz 113; Meinhart in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 7 Rz 129; Feil, EO4 71), weil mit beiden Rechtsbehelfen unterschiedliche Zielsetzungen verfolgt werden und im Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeit die raschere und kostengünstigere Möglichkeit zur Abhilfe gesehen wird. Dennoch soll der Richter sorgfältig abwägen, ob es nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls nicht zweckmäßiger ist, mit der Entscheidung über den Aufhebungsantrag bis zum Abschluss des Nichtigkeitsverfahrens zuzuwarten. Hält der Richter dies für zweckmäßig, so wird er das Verfahren nach § 7 Abs 3 EO "in sinngemäßer Anwendung des § 545 ZPO" zu unterbrechen haben (SZ 71/113).

Das Verfahren nach § 7 Abs 3 EO richtet sich nach den Vorschriften des Titelverfahrens, somit nach der ZPO (Jakusch aaO § 7 Rz 109; Feil aaO 72, je mwN aus der Rsp), und daher auch in der Frage der Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen eine von der zweiten Instanz angeordnete Unterbrechung des Verfahrens. Der Hinweis der Entscheidung SZ 71/113 auf die "sinngemäße Anwendung des § 545 ZPO" bezieht sich allerdings, wie eindeutig zum Ausdruck gebracht wurde, nur darauf, dass der zur Entscheidung berufene Richter - wie in § 545 Abs 1 ZPO auf den dort geregelten Fall bezogen dargelegt - sorgfältig abzuwägen hat, ob nach den besonderen Verhältnissen des Falls eine sofortige Entscheidung notwendig ist oder bis zum Abschluss des Verfahrens über die Nichtigkeitsklage zugewartet werden kann. Keinesfalls wird damit auch nur angedeutet, auch der Rechtsmittelausschluss des § 546 Abs 1 ZPO sei im Verfahren nach § 7 Abs 3 EO sinngemäß anzuwenden. Denn die §§ 544 ZPO (zwingende Unterbrechung des Rechtsmittelverfahrens) und 545 ZPO (mögliche Unterbrechung des Rechtsmittelverfahrens) beziehen sich ausschließlich auf das Verhältnis zwischen einem Wiederaufnahms- und einem dieselbe Entscheidung betreffenden Rechtsmittelverfahren, nicht aber auf das Verhältnis zwischen einer Nichtigkeitsklage und einem Verfahren nach § 7 Abs 3 EO und dessen möglicher Unterbrechung. Während nach den §§ 544 f ZPO ausschließlich das zur Verhandlung über die Wiederaufnahmsklage berufene Gericht das in Bezug auf die selbe Entscheidung eingeleitete oder anhängige Rechtsmittelverfahren unterbrechen muss bzw kann und dazu die Spezialvorschrift des § 546 Abs 1 ZPO besteht, die sich im Übrigen auf Wiederaufnahmsklagen bezieht, geht es hier um die Frage, ob der im Verfahren nach § 7 Abs 3 EO zur Entscheidung berufene Richter dieses Verfahren im Hinblick auf ein anderes anhängiges, dieselbe Rechtsstreitigkeit betreffendes Verfahren über eine Nichtigkeitsklage aus Zweckmäßigkeitsgründen unterbrechen soll. Die Frage nach der Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen einen solchen Unterbrechungsbeschluss im Verfahren nach § 7 Abs 3 EO ist ausschließlich nach den allgemeinen zivilprozessualen Unterbrechungsvorschriften der § 190 Abs 1 und § 192 Abs 2 ZPO zu beurteilen, ist doch auch diese Unterbrechung eine solche wegen Präjudizialität (SZ 71/113). Im Verfahren nach § 7 Abs 3 EO richtet sich somit die Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen einen Unterbrechungsbeschluss wegen einer anhängigen Nichtigkeitsklage nicht nach § 546 Abs 1 ZPO, sondern ausschließlich nach § 192 Abs 2 ZPO.

Gemäß § 192 Abs 2 ZPO kann aber jedenfalls eine nach § 190 Abs 1 ZPO erlassene Anordnung, soweit sie die Unterbrechung des Verfahrens wie hier verfügt, angefochten werden.

c) Die bereits dargelegten Gründe, aus denen im Verfahren nach § 7 Abs 3 EO ein Unterbrechungsbeschluss zu fassen ist, richten sich hier gegen die Unterbrechung des Verfahrens, ist doch das Verfahren über die Nichtigkeitsklage noch nicht einmal bis zur Klagezustellung gediehen und ist es unklar, ob eine Verbesserung des Verfahrenshilfeantrags überhaupt erfolgen wird. Mit der Entscheidung im vorliegenden Verfahren zuzuwarten, ist daher nicht gerechtfertigt. Der Vollständigkeit halber ist klarzustellen, dass das Rekursgericht die Unterbrechung von Amts wegen verfügte, sodass für die Abweisung eines Unterbrechungsantrags, die das Rechtsmittel anstrebt, kein Raum bleibt.

Demnach ist spruchgemäß zu entscheiden.

Der Kostenvorbehalt fußt auf § 52 ZPO.

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