OGH 2Ob252/00y

OGH2Ob252/00y7.6.2001

Der Oberste Gerichtshof als Revisionsgericht hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johannes L*****, vertreten durch Dr. Peter Eigenthaler, Rechtsanwalt in Lilienfeld, gegen die beklagte Partei Ilsetraude H*****, vertreten durch Dr. Carl Benkhofer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 123.000 sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Berufungsgericht vom 16. Mai 2000, GZ 36 R 104/00p-50, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Lilienfeld vom 28. Februar 2000, GZ C 306/98 p-42, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S

8.112 (darin enthalten S 1.352 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes liegt eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht vor (§ 508a ZPO). Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 501 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Die Beklagte ist auf Grund eines am 19. Mai 1997 errichteten mündlichen Testamentes Erbin nach Johann L*****. Dieser verstarb am 6. 6. 1997, nachdem er am 2. 6. 1997 wegen eines Darmverschlusses auf Grund einer, nach den Feststellungen ihm unbekannten, Krebserkrankung in das Krankenhaus Lilienfeld eingeliefert worden war.

Die Beklagte hat dem Pflichtteilsanspruch des Klägers entgegengehalten, der Erblasser habe ihn "enterbt". Im mündlichen Testament, das am 19. 6. 1997 aufgezeichnet und von vier Zeugen unterzeichnet wurde, wurde festgehalten: "Meine Kinder dürfen aus dem Nachlass nichts erhalten, da sie mein Leben zerstört haben. Ich habe mein eigen erbautes Einfamilienhaus durch die Ehe verloren und war zweieinhalb Jahre wegen der Kinder interniert in Haft, wegen unterschobener Kinderschändung. Das zweite Kind aus der Ehe wurde mir auch als Vater unterschoben, das ist meine Anklage".

Nach den erstgerichtlichen Feststellungen wurde der Erblasser wegen Unzucht mit der unehelichen und unmündigen Tochter seiner Ehefrau in den Jahren 1981 und 1982 zu einer achtzehnmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt und zog nach der Haftentlassung im Dezember 1983 zu seiner Mutter. Zu diesem Zeitpunkt (Dezember 1983) war der Kläger 11 Jahre alt.

Die Beklagte ist dem Pflichtteilsanspruch mit der Begründung entgegengetreten, der Kläger habe den Erblasser (seinen ehelichen Vater) in Not und Hilflosigkeit im Stich gelassen.

Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, dass der Erblasser bis knapp vor seinem Tode nicht pflege- oder hilfebedürftig gewesen sei und sich in keinem Notstand befunden habe. Dem Kläger könne überdies nicht vorgeworfen werden, von einem allfälligen schlechten Gesundheitszustand des Erblassers keine Kenntnis gehabt zu haben, weil dieser von sich aus den Kontakt zu ihm abgebrochen habe.

Erstmals im Revisionsverfahren wird das Vorliegen eines Erbunwürdigkeitsgrundes des Klägers im Sinne des § 540 ABGB behauptet.

Diese Behauptung vermag im Gegensatz zur Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes die Zulässigkeit der Revision nicht zu begründet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist unter Notstand iSd § 768 Z 2 ABGB jeder Zustand der Bedrängnis, die nicht nur wirtschaftlich gemeint ist, zu verstehen, der nach den Grundsätzen der Menschlichkeit gerechter Weise zu der Erwartung berechtigt, dass der Pflichtteilsberechtigte dem Erblasser helfen werde (für alle NZ 1997, 243 mwN). Schuldlose Unkenntnis von der Hilfsbedürftigkeit des Erblassers befreit den Pflichtteilsberechtigten vom Vorwurf, den Enterbungsgrund gesetzt zu haben (NZ 1997, 243; Welser in Rummel ABGB3 Rz 2 zu § 768).

Wurde aber bereits das Vorliegen eines Notstandes im Sinn der zitierten Gesetzesstelle von den Vorinstanzen verneint, vermag die Berufung der Beklagten auf § 540 ABGB ihren Rechtsstandpunkt umsoweniger zu stützen. Der durch das ErbRÄG 1989 neu eingeführte Erbunwürdigkeitsgrund des § 540 zweiter Fall ABGB ("... oder wer seine aus dem Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern sich ergebenden Pflichten dem Erblasser gegenüber gröblich vernachlässigt hat") liegt nämlich nicht vor, wenn schon der Enterbungstatbestand des § 768 Z 2 ABGB zu verneinen ist. Soweit nämlich nicht ohnehin von einer weitgehenden Identität dieser Tatbestände auszugehen ist, wäre der Erbunwürdigkeitstatbestand jedenfalls noch enger (gröbliche Vernachlässigung) keinesfalls aber weiter als der Enterbungstatbestand des § 768 Z 2 ABGB zu sehen (NZ 1997, 243 [245]; Welser in Rummel ABGB3 Rz 3 zu § 768).

Ob Enterbungsgründe nach § 768 ABGB vorliegen, ist jedenfalls nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen und stellt keine erhebliche Rechtsfrage dar. Wurde aber das Vorliegen eines Enterbungsgrundes nach dieser Gesetzesstelle verneint, kann die Berufung auf "Erbunwürdigkeit" im Sinn des § 540 zweiter Fall umsoweniger zielführend sein.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO, weil die klagende Partei auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat.

Stichworte