OGH 1Ob116/01t

OGH1Ob116/01t29.5.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sylvia H*****, vertreten durch Dr. Werner Leimer, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Verein A*****, vertreten durch Dr. Josef Lindlbauer, Rechtsanwalt in Enns, wegen S 110.533,33 sA infolge Revision der beklagten Partei (Revisionsstreitwert S 36.633,33) gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 28. November 2000, GZ 36 R 292/00k-44, womit das Urteil des Bezirksgerichts Haag vom 28. Juli 2000, GZ 2 C 118/99f-36, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 4.058,88 (darin S 676,48 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu bezahlen.

Text

Begründung

Die Klägerin nahm im Jahre 1997 in einem von der beklagten Partei geführten Reitbetreib ein Warmblutpferd in Pflege. Nach den Statuten der beklagten Partei hatte sie einen Jahresbeitrag von S 300 für die Benutzung, insbesondere auch die Pflege des sogenannten "Vierecks", in dem die Pferde bewegt werden konnten, zu zahlen. Am 19. 1. 1998 wies dieses Viereck auf Grund der Wettersituation tiefe Bodenunebenheiten und Rillen auf; die deshalb unbedingt notwendige Pflege des Bodens wurde von der beklagten Partei an diesem Tag aber unterlassen. Das Viereck befand sich somit nicht in ordnungsgemäßem Zustand. Die Klägerin ritt an diesem Tag etwa eine Stunde lang im Viereck; bei regelmäßiger und ordnungsgemäßer Pflege wären keine großen Hufvertiefungen entstanden. Nach Beendigung des Ritts stieg sie vom Pferd und wollte dieses am Zaumzeug aus dem Viereck führen. Dabei "verknöchelte" sich die Klägerin bei einer Vertiefung, erlitt einen Riss des vorderen Kreuzbands rechts und einen Einriss im Hinterhorn des rechten Außenminiskus.

Die Klägerin begehrte von der beklagten Partei unter Anerkennung eines Mitverschuldens von einem Drittel Schadenersatz im Ausmaß von S 110.533,33, weil ihr Schmerzengeld und eine Entschädigung für eine Haushaltshilfe zustünden sowie Spesen aufgelaufen seien. Die beklagte Partei habe das Viereck, wozu sie vertraglich verpflichtet gewesen sei, nicht ordnungsgemäß in Stand gehalten. Dies habe zur Verletzung der Klägerin geführt.

Die Beklagte wendete ein, die Klägerin habe den Unfall infolge Unachtsamkeit allein verschuldet. Das Viereck sei ordnungsgemäß in Stand gehalten worden. Ein allfälliger schlechter Zustand der Bodenoberfläche sei für die Verletzung der Klägerin nicht kausal gewesen.

Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei zur Zahlung von S

47.550 sA und wies das Mehrbegehren von S 62.983,33 sA ab. Die beklagte Partei wäre auf Grund des mit der Klägerin geschlossenen Einstellvertrags verpflichtet gewesen, das Viereck in verkehrssicherem und gefahrlosem Zustand zu halten. Dieser Verpflichtung sei sie nicht nachgekommen. Der beklagten Partei sei der Beweis mangelnden Verschuldens im Sinne des § 1298 ABGB nicht gelungen. Der Klägerin sei aber gleichteiliges Mitverschulden anzulasten, weil erkennbare erhebliche Unebenheiten und Vertiefungen auf der Oberfläche des Vierecks vorgelegen seien und sie diesem Umstand nicht genügend Aufmerksamkeit gewidmet habe.

Das Berufungsgericht erkannte in teilweiser Abänderung des Ersturteils die beklagte Partei schuldig, der Klägerin S 36.633,33 sA zu bezahlen, und wies ihr Mehrbegehren von S 73.900 sA ab. Es sprach letztlich aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Die Klägerin habe sich bei einer Vertiefung im Viereck, die bei ordnungsgemäßer Pflege nicht aufgetreten wäre, verknöchelt. Sie habe den Beweis erbracht, dass diese Verletzung und damit der ihr entstandene Schaden durch die Unterlassung der Pflege des Bodens des Vierecks herbeigeführt worden sei. An einen für die Haftungsbegründung erforderlichen Kausalitätsbeweis dürfe gerade bei Unterlassungen keine allzu strenge Anforderung gestellt werden; der Beweis eines hohen Wahrscheinlichkeitsgrades genüge. Die Unterlassung der beklagten Partei sei für den Unfall der Klägerin kausal gewesen.

Das Verschulden sei allerdings im Verhältnis 2 : 1 zu Lasten der Klägerin zu teilen, weil sie verpflichtet gewesen wäre, entweder das Reiten an diesem Tag überhaupt zu unterlassen oder äußerste Vorsicht walten zu lassen.

Die Revision der beklagten Partei ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Dem Urteil des Erstgerichts ist deutlich zu entnehmen, dass es davon ausging, die Klägerin sei wegen einer tiefen Bodenunebenheit (Hufvertiefung) im Bereich des Vierecks gestürzt; bei ordnungsgemäßer Pflege durch die beklagte Partei wäre eine solche tiefe Hufvertiefung nicht aufgetreten. Dies ergibt sich schon aus den Feststellungen (S 7 f des Ersturteils). Dort wird nämlich das Entstehen der "tiefen Hufvertiefungen" im Zuge des Ritts der Klägerin und gleich im Anschluss daran festgestellt, die Klägerin habe sich "bei einer Vertiefung" verknöchelt. Dies kann, da das Erstgericht der beklagten Partei mangelnde Pflege des Vierecks vorwarf und wegen dieser mangelnden Pflege die "tiefen" Hufvertiefungen entstanden sind, nur so verstanden werden, dass die Klägerin bei einer solchen - "tiefen" - Vertiefung gestürzt ist, die bei ordnungsgemäßer Pflege nicht aufgetreten wäre. Dies ergibt sich aber schließlich auch aus den Ausführungen, die beklagte Partei habe auf Grund der erheblichen Unebenheiten, Vertiefungen und Rillen auf der Oberfläche des Vierecks mit der Möglichkeit rechnen müssen, dass Reiter "überknöcheln" (S 12 des Ersturteils). Diese Ausführungen lassen insgesamt nur den Schluss zu, dass das Erstgericht den Sturz der Klägerin auf eine erhebliche Vertiefung des Bodens des Vierecks zurückführte. Soweit das Berufungsgericht daher annahm, der Sturz der Klägerin habe im Bereich einer "tiefen" Hufvertiefung stattgefunden, die bei ordnungsgemäßer Pflege nicht aufgetreten wäre und das Adjektiv "tief" im Zusammenhang mit den Hufvertiefungen bei der Wiedergabe der Feststellungen des Erstgerichts nicht einfügte (S 12 des Berufungsurteils), ist darin keine Aktenwidrigkeit zu erblicken.

Gewiss ist die Gefahr des Überknöchelns in einem Viereck, in dem geritten wird und damit Hufvertiefungen aufweisen muss, stets gegeben. Der Klägerin oblag die Beweispflicht, dass der Unfall bei pflichtgemäßem Handeln der beklagten Partei nicht eingetreten wäre. Dieser Beweis ist ihr gelungen, wobei die Vorinstanzen zutreffend festhielten, dass an einen für die Haftungsbegründung erforderlichen Kausalitätsbeweis bei Unterlassungen keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden dürfen (6 Ob 292/00k; SZ 70/95; 1 Ob 33/97b; ZVR 1996/96; EvBl 1993/57; JBl 1990, 458; JBl 1990, 524 uva). Entgegen der Ansicht der beklagten Partei hat die Klägerin den Beweis dafür erbracht, dass der Unfall mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit unterblieben wäre, hätte die beklagte Partei das Reitareal ordnungsgemäß gepflegt und das Auftreten tiefer Unebenheiten verhindert. Den ihr obliegenden Erschütterungsbeweis konnte die beklagte Partei nicht erbringen.

Das Gericht zweiter Instanz hat sämtliche Rechtsfragen in Übereinstimmung mit der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofs (siehe die Zitate zuvor) gelöst. Von der beklagten Partei werden keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung (gemäß § 502 Abs 1 ZPO) aufgezeigt.

Die Revision ist zurückzuweisen. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a ZPO nicht gebunden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der ihr unterlaufene Rechenfehler war zu korrigieren.

Stichworte