OGH 9ObA130/01k

OGH9ObA130/01k23.5.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Michael Zerdik und Dr. Michaela Windischgrätz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Vincent E*****, Pflegehelfer, ***** vertreten durch Dr. Andreas Löw und Dr. Ingo Riß, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert Stifter-Straße 65, 1200 Wien, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 211.595,45 brutto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. Jänner 2001, GZ 8 Ra 381/00h-26, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 26. Juni 2000, GZ 20 Cga 216/98z-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

10.665 (darin enthalten S 1.777,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens gemäß § 503 Z 2 ZPO und eine Aktenwidrigkeit gemäß § 503 Z 3 ZPO liegen nicht vor. Diese Beurteilung bedarf keiner Begründung (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Der Revisionswerber sei jedoch darauf hingewiesen, dass Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens, die schon in der Berufung geltend gemacht, vom Berufungsgericht aber verneint wurden, nach ständiger Rechtsprechung nicht mehr mit Erfolg in der Revision gerügt werden können (Kodek in Rechberger, ZPO**2 Rz 3 zu § 503 mwN; RIS-Justiz RS0042963, RS0043055 ua). Im Übrigen betrifft die Frage, ob ein Zeuge allenfalls im Wege einer Beweisergänzung durch das Berufungsgericht zu vernehmen gewesen wäre, die nicht revisible Beweiswürdigung (RIS-Justiz RS0043125). Unter dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit wiederholt der Revisionswerber nur seine Ausführungen zur Mängelrüge.

In rechtlicher Hinsicht hat das Berufungsgericht die Frage, ob die Entlassung berechtigt war, zutreffend bejaht, sodass es ausreicht, auf die Richtigkeit der Begründung der Berufungsentscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers Folgendes entgegenzuhalten:

Nach den bindenden Feststellungen zog der in einem Rehabilitationszentrum der Beklagten als Pflegehelfer beschäftigte, bereits wegen einer früheren Aggression nach einer Patientenbeschwerde einschlägig verwarnte Kläger im August 1998 einen halbseitig gelähmten Patienten mit Zustand nach einem Unfall mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma und Schlaganfall gegen dessen Willen ungehalten aus dem Bett, nachdem der Patient das Bett eingenässt hatte, sodass es frisch gemacht und der Patient geduscht werden musste. Beim Herausziehen wurde das linke Bein des Patienten verbogen, wodurch dieser Schmerzen erlitt. Anschließend brachte der Kläger den Patienten gegen dessen Willen - er war bis dahin üblicherweise jeden Tag von seiner Frau geduscht worden - zur Dusche, duschte ihn mit kaltem Wasser und erklärte auf dessen Beschwerde wahrheitswidrig, es sei um diese Zeit kein warmes Wasser vorhanden. Der Patient ließ hierauf die Prozedur aus Angst vor dem unwirschen und aggressiven Verhalten des Klägers über sich ergehen. Wegen dieses Vorfalls von der Leiterin des Pflegedienstes zur Rede gestellt, bezeichnete der Kläger die Vorwürfe als Lüge, meinte man gehe wegen seiner dunkleren Hautfarbe auf ihn los, wurde schließlich aggressiv und drohte damit, sie werde schon sehen, was noch passieren werde. Hierauf wurde der Kläger aufgefordert, die Station zu verlassen, und in der Folge entlassen.

Der Revisionswerber räumt in der Rechtsrüge ein, dass die gegenständlichen Vorfälle, wenn man von den Feststellungen des Erstgerichts ausgehe, kein gutes Licht auf ihn werfen. Er habe jedoch dem Patienten weder den Fuß absichtlich verbogen noch absichtlich kaltes Wasser beim Duschen verwendet.

Gemäß § 27 Z 1 dritter Tatbestand AngG ist insbesondere als wichtiger Grund, der den Arbeitgeber zur vorzeitigen Entlassung berechtigt, anzusehen, wenn sich der Angestellte einer Handlung schuldig macht, die ihn des Vertrauens des Arbeitgebers unwürdig erscheinen lässt. Die Begehungshandlung muss pflichtwidrig und schuldhaft sein (Kuderna, Entlassungsrecht**2 86). Schädigungsabsicht oder Eintritt eines Schadens sind nicht erforderlich. Zur Verwirklichung des genannten Entlassungsgrundes reicht fahrlässiges Verhalten aus (WBl 1990, 313; DRdA 2000/27; RIS-Justiz RS0029531, RS0029652).

Von einem pflichtwidrigen und schuldhaften Verhalten des Klägers kann nach den Feststellungen ausgegangen werden. Eine besondere Absicht ist entgegen der Annahme des Revisionswerbers nicht erforderlich. Das rüde Verhalten des Klägers und seine Bemerkungen beim Duschen lassen nur den Schluss zu, dass er seinen Unmut am Patienten ausließ und dabei auch in Kauf nahm, dass dieser Unmut vom Patienten auch deutlich und schmerzhaft empfunden wurde. In einem ähnlichen Licht ist auch das aggressive Verhalten des Klägers gegenüber der Leiterin des Pflegedienstes zu sehen, insbesondere seine Drohung, sie werde schon sehen, was noch passieren werde.

Bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit kommt es vor allem darauf an, ob für den Arbeitgeber vom Standpunkt vernünftigen Ermessens die gerechtfertigte Befürchtung bestand, dass seine Belange durch den Angestellten gefährdet sind, wobei nicht das subjektive Empfinden des Arbeitgebers entscheidet, sondern an das Gesamtverhalten des Angestellten ein objektiver Maßstab anzulegen ist, der nach den Begleitumständen des einzelnen Falles und nach der gewöhnlichen Verkehrsauffassung angewendet zu werden pflegt (RIS-Justiz RS0029833). Das Verhalten eines Dienstnehmers ist danach zu beurteilen, ob es in seiner Gesamtheit bei Anlegung eines objektiven Maßstabes nach der Verkehrsauffassung mit den Interessen des Dienstes vereinbar war (RIS-Justiz RS0081891).

Soweit der Revisionswerber sein Verhalten als bloße "Ungeschicklichtkeit" wertet, die noch keinen Grad erreicht habe, der es der Beklagten unmöglich gemacht habe, ihn bis zum Ende der Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen, entfernt er sich nicht nur in unzulässiger Weise von den bindenden Feststellungen (Kodek in Rechberger, ZPO**2 Rz 9 zu § 471), sondern verkennt auch die Anforderungen an den Pflegedienst in einem Rehabilitationszentrum.

Das von den Vorinstanzen festgestellte Verhalten des Klägers war mit den Interessen eines Rehabilitationszentrums (Patienten, Vorgesetzte, Arbeitgeber) nicht mehr vereinbar. Ein im Stationsdienst einer derartigen Anstalt tätiger Krankenpfleger genießt das besondere Vertrauen des Arbeitgebers, obliegt ihm doch die unmittelbare Pflege und Obsorge über die ihm anvertrauten, schwerstgeschädigten Patienten und im Bedarfsfall auch die ehestmögliche Herbeiholung ärztlicher Hilfe (DRdA 2000/3 [Kalb]); er genießt aber vorweg auch das besondere Vertrauen der auf seine Pflege angewiesenen Patienten. Der rüde Umgang des Klägers mit einem dieser Patienten, der an einem Zustand nach einem Schädel-Hirn-Trauma und Schlaganfall litt, und das anschließende Verhalten des Klägers gegenüber seiner Vorgesetzten sind als derart gravierend zu beurteilen, dass es das Vertrauen der Beklagten als Arbeitgeberin so zu erschüttern geeignet war, dass ihr im Hinblick auf einen den Anforderungen der Patienten gerecht werdenden Pflegedienst eine Weiterbeschäftigung des Klägers selbst innerhalb der Kündigungsfrist nicht mehr zumutbar war. Die auf § 27 Z 1 dritter Tatbestand AngG gestützte Entlassung des Klägers war daher berechtigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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