OGH 7Ob107/01p

OGH7Ob107/01p17.5.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anna G*****, vertreten durch Ramsauer & Perner, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei T***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Pressl und andere Rechtsanwälte in Salzburg sowie die Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1) B*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Wilfried Haslauer und andere Rechtsanwälte in Salzburg, und 2) Georg E*****, vertreten durch Dr. Herbert Harlander, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Feststellung (Streitwert S 150.000,--), in eventu Zahlung von S 22.308,-- (sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 8. Februar 2001, GZ 3 R 209/00a-27, womit das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 24. Juli 2000, GZ 13 Cg 13/99p-19, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit S 9.625,50 (darin enthalten S 1.604,25 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin kaufte von der beklagten Partei eine Eigentumswohnung. In der fast drei Jahre nach Übergabe der Wohnung im Februar 1996 erhobenen Klage macht sie das Vorliegen diverser, unter lit a) bis m) wie der Klage und der angefochtenen Entscheidung zu entnehmen ist, im Einzelnen aufgelisteter und beschriebener Mängel geltend. Zuletzt (nach mehrmaliger Klagseinschränkung) begehrte sie die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle Kosten und Aufwendungen, die aus der Sanierung der unter lit a), h), i), j), k) und l) beschriebenen Mängel, daraus resultierender Mängelfolgeschäden und sonstiger Schäden der Eigentumswohnung entstehen würden. In eventu erhob die Klägerin ein Leistungsbegehren auf Zahlung von zuletzt (nach Klagseinschränkung nach Einholung eines Sachverständigengutachtens) S 22.308,-- an Reparaturkosten.

Die beklagte Partei wendete - soweit noch wesentlich - ein, die Klägerin hätte das Leistungsbegehren ohne weiteres als Hauptbegehren stellen können; es mangle ihr daher am Feststellungsinteresse.

Das Erstgericht wies das (restliche) Feststellungsbegehren ab und gab dem Eventualbegehren auf Zahlung von S 22.308,-- (sA) Folge. Es stellte fest, dass die unter lit a), h), i) und k) aufgelisteten Mängel noch vorhanden, andere Mängel schon saniert worden seien und dass die Behebung aller Mängel Kosten von S 7.236,--, S 1.470,--, S 3.240,--, S 2.064,--, S 6.480,--, S 4.800,-- und S 1.728,-- erfordert hätte bzw erfordern würde.

In seiner rechtlichen Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes führte das Erstgericht aus, ein allenfalls bei Klagseinbringung vorhandenes Feststellungsinteresse sei spätestens nach Vorliegen des Sachverständigengutachtens weggefallen. Dem restlichen Eventualbegehren nach Ersatz der Behebungskosten für die unter den Punkten a), h), i) und k) angeführten Mängel sei stattzugeben, weil auf Grund der Prozesserklärungen der Beklagten und auf Grund des Sachverständigengutachtens davon auszugehen sei, dass diese Mängel vorlägen.

Das von beiden Streitteilen angerufene Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Beklagten nicht, jenem der Klägerin teilweise Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, dass es dem Feststellungsbegehren hinsichtlich der Mängel a), h), i) und k) stattgab, und das Feststellungsbegehren hinsichtlich der Mängel j) und l) abwies. Ein Feststellungsinteresse könne der Klägerin schon deshalb nicht abgesprochen werden, weil Mangelfolgeschäden, deren Verjährung drohe, besonders auf Grund des zu a) beschriebenen Mangels nicht auszuschließen seien. Aber auch aus dem Titel der Gewährleistung sei das Feststellungsbegehren berechtigt. Würdige man das Vorbringen der Klägerin in seiner Gesamtheit, dann könne nicht gesagt werden, dass sie sich auf eine Behebung der Mängel durch Dritte festgelegt und alle anderen Gewährleistungsansprüche ausgeschlossen hätte. Ihr Feststellungsinteresse sei daher nicht dadurch weggefallen, dass der Sachverständige die Mängelbehebungskosten beziffert habe. Käme es nur darauf an, dann hätte sie von Anfang an kein Feststellungsinteresse gehabt. Das Feststellungsbegehren der Klägerin sei daher entgegen der Ansicht des Erstgerichtes grundsätzlich berechtigt. Bezüglich der Punkte j) und

l) habe die Klägerin jedoch das Vorhandensein der behaupteten Mängel nicht bewiesen. Hinsichtlich dieser beiden Punkte, die nicht mehr Gegenstand des Eventualbegehrens seien, sei die Abweisung des Feststellungsbegehrens zu bestätigen gewesen.

Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision unzulässig sei, weil es lediglich die gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes auf den Einzelfall angewendet habe. Es änderte diesen Ausspruch über Antrag der beklagten Partei aber iSd § 508 Abs 3 ZPO mit der Begründung ab, die Revisionswerberin habe dargetan, dass die hier maßgebliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes doch nicht so einheitlich sei, wie vom Berufungsgericht bei seiner Entscheidung angenommen. Bei dieser Sachlage wäre die Nichtzulassung der ordentlichen Revision unvertretbar.

Entgegen dem abgeänderten Ausspruch des Berufungsgerichtes, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO), ist die Revision der beklagten Partei mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 2 ZPO nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Nach stRsp ist ein Interesse an der Feststellungsklage - sogar trotz möglicher Leistungsklage - zu bejahen, wenn das Feststellungsbegehren geeignet ist, über die Rechtsbeziehungen der Parteien ein für allemal Klarheit zu schaffen (RIS-Justiz RS0038908 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen). Der Satz, dass die Feststellungsklage nicht zuzulassen ist, wenn die Leistungsklage eingebracht werden kann, gilt nur dann, wenn durch den Leistungsanspruch auch der Feststellungsanspruch ausgeschöpft wird, dh, wenn weitere als die durch das Leistungsbegehren gezogenen Rechtsfolgen aus der Feststellung des fraglichen Rechtsverhältnisses oder Anspruches nicht in Betracht kommen. Können lediglich Teilansprüche aus einem umfangreicheren Gesamtanspruch mit Leistungsklage geltend gemacht werden, dann wird der Feststellungsanspruch dadurch in der Regel nicht ausgeschöpft (RIS-Justiz RS0039021 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen, zuletzt etwa 8 Ob 27/00d). Wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, hindert der Umstand, dass bereits eingetretene Schäden mit Leistungsklage geltend zu machen sind, die Feststellungsklage dann nicht, wenn durch den Leistungsanspruch der Feststellungsanspruch - auch wegen künftig eintretender Nachteile - nicht erschöpft ist (ZVR 1985/51; 9 Ob 411/97z = EFSlg 88.100).

Das Berufungsgericht hat im Einklang mit diesen Grundsätzen zutreffend erkannt, dass das - hier allein noch strittige - Feststellungsinteresse (jedenfalls) im Hinblick auf nicht auszuschließende Mängelfolgeschäden, deren Verjährung droht, zu bejahen ist. Es fällt zwar auf, dass das Erstgericht eine entsprechende Feststellung (betreffend die Tatsache der Möglichkeit von Mangelfolgeschäden) nicht getroffen hat. Dass das Berufungsgericht diese Wahrannahme im Rahmen seiner Rechtsausführungen ohne Beweisergänzung bzw -wiederholung trifft, wird in der Revision aber nicht als Verfahrensmangel gerügt und kann daher vom Obersten Gerichtshof nicht aufgegriffen werden. Die Revisionswerberin macht dazu vielmehr lediglich geltend, dass das Berufungsgericht offenkundig selbst davon ausgehe, dass ein Feststellungsinteresse auf Grund allfälliger Mangelfolgeschäden nur mehr für den unter Punkt a) beschriebenen Mangel aufrecht wäre; selbst wenn man dem folge, hätte der Feststellungsklage eben nur hinsichtlich dieses Teilbegehrens stattgegeben werden dürfen. Die Beklagte missversteht dabei die betreffende Feststellung des Berufungsgerichtes, "Mangelfolgeschäden......, besonders auf Grund des zu a) beschriebenen Mangels" seien nicht auszuschließen. Hinweise, wonach diese Feststellung - wie die beklagte Partei meint - dahin zu verstehen wäre, dass mit Mangelfolgeschäden nur hinsichtlich der unter lit a) beschriebenen Mängel zu rechnen sei, sind nicht vorhanden. Nach dem Wortlaut der Feststellung sind Mangelfolgeschäden vielmehr hinsichtlich aller festgestellter Mängel nicht auszuschließen und wird der zu lit a) beschriebene Mangel nur (als offenbar nach Ansicht des Berufungsgerichtes besonders mangelfolgeschädenträchtig) hervorgehoben.

Geht man von der Feststellung der Möglichkeit von Mangelfolgeschäden in diesem umfassenden Sinn aus, so erweist sich das Feststellungs-(= Haupt-)begehren der Klägerin jedenfalls als berechtigt. Damit erübrigt sich aber eine Überprüfung der von der Beklagten bekämpften Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, ein Feststellungsinteresse der Klägerin sei hier auch deshalb gegeben, weil für die Klägerin noch nicht definitiv feststünde, welchen Gewährleistungsanspruch sie letztlich geltend machen könne. Die von der Revisionswerberin - allein - iSd § 502 Abs 1 ZPO als erheblich angesehene Rechtsfrage stellt sich daher gar nicht. Die Anrufung des Obersten Gerichtshofes ist aber nach § 502 Abs 1 ZPO nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung der dort genannten Rechtsfragen abhängt; die angeschnittene Rechtsfrage muss also präjudiziell sein (vgl 7 Ob 61/01y uva).

Daher sind auch die Ausführungen Riedlers zu 1 Ob 166/98p in JBl 1999, 734 ff jedenfalls für den vorliegenden Fall nicht von Belang. Dass die "hier maßgebliche" oberstgerichtliche Judikatur, wie das Berufungsgericht - ohne dies allerdings näher zu erläutern - meint, uneinheitlich wäre, trifft nicht zu.

Mangels Vorliegens eines tauglichen Zulassungsgrundes war das Rechtsmittel der Beklagten zurückzuweisen. Dabei konnte sich der Oberste Gerichtshof gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision aus dem Grunde des § 502 Abs 1 ZPO hingewiesen.

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