OGH 6Ob66/01a

OGH6Ob66/01a16.5.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 15. Dezember 1999 verstorbenen Ing. Hermann H*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der erblasserischen Tochter Maria W*****, vertreten durch Dr. Gerhard Zenz und Dr. Rafaela Zenz-Zajc, Rechtsanwälte in Mondsee, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom 22. November 2000, GZ 21 R 174/00k-21, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Salzburg vom 11. April 2000, GZ 20 A 488/99f-8, in seinem Punkt 3. abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes wird dahin abgeändert, dass die im Übrigen in Rechtskraft erwachsene Entscheidung des Erstgerichtes in ihrem Punkt 3 insofern wieder hergestellt wird, als (auch) die vom erblasserischen Sohn Dr. H***** aufgrund des Testamentes vom 6. 11. 1999 abgegebene Erbserklärung zurückgewiesen wurde.

Text

Begründung

Der Erblasser verstarb unter Hinterlassung einer letztwilligen Anordnung vom 6. 11. 1999, mit der er Ehegattin, Tochter und Sohn zu Erben einsetzte, eine näher bestimmte Aufteilung seines Wohnhauses anordnete, die Enkelkinder mit einem Vermächtnis bedachte und sie auch zu Ersatz- und Nacherben einsetzte. Dieses fremdhändige schriftliche Testament wurde vom Erblasser, seiner Ehegattin, der erblasserischen Tochter und dem erblasserischen Sohn als Testamentszeugen unterfertigt. Diese Personen sind auch zu gesetzlichen Erben berufen. Mit einem als "Eingabe" bezeichneten Schriftsatz vom 3. 2. 2000 teilten die Ehefrau und beide Kinder des Erblassers mit, das offensichtlich formungültige Testament sei ihnen bekannt, sie seien zu gesetzlichen Erben berufen. Mit der Erklärung, das Testament ungeachtet seiner allfälligen Formungültigkeit als letzten Willen des Erblassers anzuerkennen, beantragten sie, es der Verlassenschaftsabhandlung zugrundezulegen. Gleichzeitig gaben sie die bedingte Erbserklärung aufgrund des Testaments ab. Anlässlich einer Tagsatzung vor dem Gerichtskommissär erklärte die erblasserische Tochter am 10. 4. 2000, sie sei über die Rechtsfolgen der Unterfertigung der vorbeschriebenen und vom Anwalt ihres Bruders vorgefertigten Eingabe in Irrtum gewesen, sie habe nicht gewusst, dass das Testament formungültig sei und sei auch darüber nicht aufgeklärt worden, sie sei daher an die abgegebene Erklärung nicht gebunden. Dementsprechend gab sie eine Erbserklärung aufgrund des Gesetzes ab und beantragte deren Annahme zu Gericht.

Das Erstgericht wies (neben weiteren bereits in Rechtskraft erwachsenen Beschlussteilen) in Punkt 3 seiner Entscheidung die von der erblasserischen Witwe, der erblasserischen Tochter und dem erblasserischen Sohn aufgrund des Testamentes vom 6. 11. 1999 abgegebenen Erbserklärungen zurück. Das erblasserische Testament sei mangels fähiger Zeugen im Sinn des § 594 ABGB formal ungültig, eine auf einen formungültigen letzten Willen gestützte Erbserklärung sei zurückzuweisen.

Während Ehegattin und Tochter des Erblassers die Zurückweisung ihrer Erbserklärungen in Rechtskraft erwachsen ließen, erhob der erblasserische Sohn gegen die Zurückweisung seiner Erbserklärung Rekurs.

Das Rekursgericht gab seinem Rekurs Folge und änderte Punkt 3 des erstgerichtlichen Beschlusses dahingehend ab, dass es die vom erblasserischen Sohn aufgrund des Testaments abgegebene bedingte Erbserklärung zu Gericht annahm. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die vorliegende formungültige letztwillige Verfügung sei von den gesetzlichen Erben ausdrücklich anerkannt worden, der Erbrechtstitel sei dadurch geheilt und könne der Abhandlung zugrunde gelegt werden. Abgesehen davon, dass die erblasserische Tochter eine Anfechtung ihres Anerkenntnisses wegen Willensmangels nicht ausdrücklich geltend gemacht habe, wäre eine Entscheidung darüber von Tatumständen abhängig, die sich nur durch ein förmliches Beweisverfahren klären ließen.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes ist der außerordentliche Revisionsrekurs der erblasserischen Tochter zulässig, er ist auch berechtigt:

Nach ständiger Rechtsprechung erlangte die erblasserische Tochter durch Abgabe ihrer Erbserklärung (wodurch sie zum Ausdruck brachte, den Nachlass erwerben zu wollen) Beteiligtenstellung im Verlassenschaftsverfahren. Sie ist damit grundsätzlich legitimiert, in diesem Verfahren ergangene Beschlüsse durch Rechtsmittel zu bekämpfen (EFSlg 39.642; 52.575 und 61.619; EvBl 1990/117; RIS-Justiz RS0006531). Im Übrigen berührt der angefochtene Beschluss des Rekursgerichtes auch ihre Rechtsposition im Hinblick auf einen allfälligen späteren Erbrechtsstreit unmittelbar.

Das vorliegende Testament ist formal ungültig, weil die vom Erblasser zu Erben bestimmten Personen als Testamentszeugen tätig wurden (§ 594 ABGB). Nach überwiegender Auffassung der Lehre wird eine formungültige letztwillige Verfügung wirksam, wenn sie von den gesetzlichen Erben des Erblassers anerkannt wird, wobei jedoch die Wirksamkeit einer derartigen Anerkennung unterschiedlich beurteilt wird. Während ein Teil der Lehre die Auffassung vertritt, die Anerkennung heile den Titel, das formungültige Testament sei der Abhandlung zugrundezulegen (Ehrenzweig, Familien- und Erbrecht II2 425 f; Cholewa, Die Anerkennung formwidriger Testamente, NZ 1950, 12 ff; Hummel, Die Beurteilung der Gültigkeit eines Testamentes im Abhandlungsverfahren, NZ 1955, 113 ff; Gschnitzer(Faistenberger, Erbrecht2, 31), vertreten neuere Lehrmeinungen die Auffassung, die Anerkennung entfalte lediglich schuldrechtliche Wirkungen, das Testament selbst bleibe ungültig (Welser in Rummel ABGB3 Rz 5 zu § 601; Koziol/Welser Grundriss II11 449; Kralik, Erbrecht 129 f; Weiß in Klang III 354; Lohse, Das Kompromiss-Testament, NZ 1949, 27; Eccher in Schwimann ABGB2 Rz 4 zu § 601). B. Jud (Der Erbschaftskauf 108 ff) vertritt demgegenüber die Auffassung, die Anerkennung könne einem formungültigen Testament keine Wirkung verleihen. So bedrohe § 601 ABGB ein formungültiges Testament mit Ungültigkeit, wobei diese Ungültigkeit nach § 123 AußStrG als absolute Nichtigkeit zu verstehen sei. Der Mangel der äußeren Form einer letztwilligen Verfügung sei von Amts wegen wahrzunehmen und die sich auf das formungültige Testament stützende Erbserklärung vom Verlassenschaftsgericht demnach zurückzuweisen; sie könne nicht Grundlage der Einantwortung sein. Gegen die Möglichkeit der Anerkennung formnichtiger Testamente spreche auch, dass § 533 ABGB die Berufungsgründe taxativ aufzähle und durch die Anerkennung keine Erbenstellung begründet werden könne. Die ältere Rechtsprechung (SZ 7/297; JBl 1948, 388) bejahte eine den Titel heilende Wirkung der Anerkennung. Die Entscheidung SZ 59/164 (= JBl 1987, 111) betraf einen Erbschaftsstreit, ihre Argumente sind daher für das hier zu beurteilende Abhandlungsverfahren nicht unmittelbar anwendbar.

Ob nun ein formungültiges Testament durch "Anerkenntnis" der gesetzlichen Erben soweit (als Erbrechtstitel) saniert werden kann, dass es der Abhandlung zugrundezulegen ist oder ob die Anerkennung dem formungültigen Tesatment keine Wirkung als Erbrechtstitel zu verleihen vermag, kann im vorliegenden Fall offen bleiben. Eine Sanierung des Testamentes durch Anerkennung würde jedenfalls voraussetzen, dass alle in Betracht kommenden gesetzlichen Erben das formungültige Testament vor Entscheidung des Abhandlungsgerichtes vorbehaltlos anerkannt haben. Dies ist hier nicht der Fall. Gerade die erblasserische Tochter hat noch vor Entscheidung des Abhandlungsgerichtes ihre Erklärung als rechtsunwirksam bezeichnet, mit anderen Worten somit widerrufen, wozu sie mangels Unwiderruflichkeit einer solchen Prozesserklärung berechtigt war. Dass die "Eingabe" der gesetzlichen Erben vom 3. 2. 2000 eine (einem prozessualen Anerkenntnis vergleichbare) Prozesserklärung enthielt, die bis zur Entscheidung des Gerichtes zurückgenommen werden konnte, unterliegt schon angesichts der Formulierung des in der Eingabe gestellten Antrages keinem Zweifel. Eine Heilung des formungültigen Testaments ist demnach nicht eingetreten. Die darauf gestützte Erbserklärung des erblasserischen Sohnes hat das Erstgericht daher zu Recht zurückgewiesen, weil eine Erbseinsetzung auf Grundlage dieser Erbserklärung ausgeschlossen werden kann (SZ 55/165; EFSlg 79.750; RIS-Justiz RS0007676).

Die Entscheidung des Erstgerichts ist somit in Abänderung des angefochtenen Beschlusses wiederherzustellen.

Stichworte