OGH 6Ob60/01v

OGH6Ob60/01v26.4.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichtes Linz zu FN 141140i eingetragenen Walter H***** Privatstiftung mit dem Sitz in Linz, über den Revisionsrekurs der Privatstiftung, vertreten durch Rechtsanwälte Haslinger/Nagele & Partner, Linz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 30. Jänner 2001, GZ 6 R 263/00i-5, womit der Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 31. August 2000, GZ 13 Fr 3009/00v-2, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Im Firmenbuch des Landesgerichtes Linz ist zu FN 141140i die Walter H***** Privatstiftung mit dem Sitz in Linz eingetragen. Ihre Stifter waren die Rechtsanwälte H***** & Partner, eine zu FN 21639y eingetragene offene Erwerbsgesellschaft (im Folgenden Rechtsanwaltspartnerschaft) und deren damalige persönlich haftenden Gesellschafter. Die Rechtsanwaltspartnerschaft widmete der Stiftung ein Vermögen von 1 Mio S, ihre persönlich haftenden Gesellschafter jeweils weitere 1.000 S. Zweck der Stiftung ist es, die Verbindung rechtswissenschaftlicher Theorie und anwaltlicher Praxis im Bereich des privaten und öffentlichen Wirtschaftsrechtes, insbesondere des Unternehmens-, Gesellschafts- und Umweltrechts, zu fördern und die Zusammenarbeit zwischen Universität und Anwaltschaft zu vertiefen. Zur Verwirklichung des Stiftungszwecks soll vor allem die Bearbeitung praxisnaher wirtschaftsrechtlicher Fragen durch junge Wissenschafter in finanzieller und ideeller Weise unterstützt werden, so zB durch Ausschreibung eines "Walter H*****-Preises" für herausragende wissenschaftliche Arbeiten im Bereich des Wirtschaftsrechtes. Weiters soll durch geeignete Veranstaltungen der Kontakt zwischen Wissenschaftern, Rechtsberatern und Unternehmen und damit die Sachbezogenheit und Praxisorientierung der Jurisprudenz als angewandter Wissenschaft intensiviert werden. Der Stiftungszweck wird durch die Verwendung der aus der Veranlagung des Stiftungsvermögens erzielten Erträge verfolgt, wobei auch die Substanz des Stiftungsvermögens zur Erreichung des Stiftungszwecks herangezogen werden darf. Die Verwendung der verfügbaren Mittel der Stiftung im Sinn des Stiftungszweckes erfolgt über Beschluss des Stiftungsvorstandes. Begünstigte sind Studenten oder Absolventen eines rechtswissenschaftlichen Studiums, wobei der Stiftungsvorstand das Recht hat, weitere Begünstigte, die dem Stiftungszweck dienen, zu benennen und Zuwendungen an sie vorzunehmen. Der Stiftungsvorstand legt Höhe und Art der Zuwendungen an die Begünstigten fest. Die auf unbestimmte Zeit errichtete Stiftung kann von jenen Stiftern, die zum Zeitpunkt des Widerrufs Mitglieder der Rechtsanwaltspartnerschaft sind, mit Mehrheitsbeschluss - berechnet nach Köpfen - widerrufen werden. Der Widerruf ist durch Notariatsakt zu beurkunden und dem Vorstand der Stiftung mittels eingeschriebenen Briefes zuzustellen.

Organe der Stiftung sind der Stiftungsvorstand, der Stiftungsbeirat, das Kuratorium und der Stiftungsprüfer. Die Stiftungsurkunde bestimmte drei der als Stifter eingeschrittenen Gesellschafter der Rechtsanwaltspartner- schaft zu Mitgliedern des ersten Stiftungsvorstandes.

Punkt IX. der Stiftungsurkunde enthielt in Bezug auf den Stiftungsvorstand folgende weitere Regelungen:

"3. Die Mitglieder des ersten Siftungsvorstandes sind auf unbestimmte Zeit bestellt. Ebenso ist die Funktionsdauer der durch den Stiftungsbeirat bestellten Mitglieder des Stiftungsvorstandes zeitlich unbeschränkt. Die Funktionsdauer allfälliger vom Gericht bestellter Vorstandsmitglieder beträgt ein Jahr ab dem Zeitpunkt ihrer gerichtlichen Bestellung.

4. Die Bestellung zum Mitglied des Stiftungsvorstandes kann jederzeit widerrufen werden. Die Abberufung eines Mitglieds des Stiftungsvorstandes erfolgt durch ..."(Rechtsanwaltspartnerschaft)". Allfällige vom Gericht bestellte Vorstandsmitglieder werden durch das Gericht abberufen.

5. Jedes Mitglied des Stiftungsvorstandes kann seine Funktion auch ohne Vorliegen wichtiger Gründe unter Einhaltung einer Frist von 14 Tagen durch eine an ..... "(die Rechtsanwaltspartnerschaft)" zu richtende schriftliche Erklärung niederlegen."

Punkt XX. der Stiftungsurkunde behält der Rechtsanwaltspartnerschaft eine Änderung der Stiftungsurkunde vor. Eine Stiftungszusatzurkunde wurde errichtet.

Punkt IX. Abs 3 der Stiftungsurkunde wurde mit Notariatsakt vom 23. 2. 2000 dahin abgeändert, dass die Rechtsanwaltspartnerschaft anstelle des Stiftungsbeirates als Bestellungsorgan für künftige Mitglieder des Stiftungsvorstandes eingesetzt wurde. Diese Änderung wurde am 15. 4. 2000 ins Firmenbuch eingetragen.

Nachdem das Firmenbuchgericht die der Rechtsanwaltspartnerschaft in Punkt IX. Abs 4 der Stiftungsurkunde eingeräumte Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs der Bestellung zum Mitglied des Stiftungsvorstandes beanstandet und das Löschungsverfahren eingeleitet hatte, änderte die Stifterin diesen Punkt mit Notariatsakt vom 23. 6. 2000 ab wie folgt: "Die Bestellung zum Mitglied des Stiftungsvorstandes kann aus wichtigem Grund widerrufen werden. Die Abberufung eines Mitglieds des Stiftungsvorstandes erfolgt durch ..."(die Rechtsanwaltspartnerschaft)". Die Änderung wurde am 5. 7. 2000 ins Firmenbuch eingetragen.

Mit Notariatsakt vom 21. 8. 2000 änderte die Stifterin Punkt IX. Abs 4 der Stiftungsurkunde neuerlich wie folgt: "Die Bestellung zum Mitglied des Stiftungsvorstandes kann durch die Stifterin...(Rechtsanwaltspartnerschaft) widerrufen werden."

Das Erstgericht wies den Antrag auf Eintragung dieser Änderung des Punktes IX. Abs 4 der Stiftungsurkunde ab. Die darin vorgesehene freie Abberufungsbefugnis schränke den Vorstand in unzulässiger Weise ein, er werde zum bloßen Vollzugsorgan degradiert. Mangels Beschränkung der Abberufung auf sachliche Gründe sei die Eintragung ins Firmenbuch nicht zulässig.

Das Rekursgericht bestätigte und sprach aus, dass der ordentlichen Revisionsrekurs zulässig sei, weil der zu lösenden Rechtsfrage erhebliche Bedeutung zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung zukomme. Unter Hinweis auf die zur (Un-)Zulässigkeit der jederzeitigen und unbeschränkten Abberufungsbefugnis von Vorstandsmitgliedern vertretenen unterschiedlichen Lehrmeinungen gelangte das Rekursgericht zur Auffassung, auch der Stifter könne sich nicht das Recht einräumen, den Vorstand beliebig abzuberufen. Für die Privatstiftung sei charakteristisch, dass dem "eigentümerlosen" Vermögen Rechtspersönlichkeit zuerkannt werde. Das verselbständigte Vermögen sei nach dem erklärten Willen des Stifters zu verwenden. Der Stifter sei weder Mitglied der Privatstiftung noch in rechtlicher oder wirtschaftlicher Hinsicht Eigentümer des Stiftungsvermögens, sein Änderungs- und Widerrufsrecht unterliege - im Interesse der Begünstigten und der Gläubiger - einem eigenen gesetzlich geregelten Verfahren und entsprechender Publizität. Seine gesetzlichen Möglichkeiten, auf die Geschäftsführung der Privatstiftung Einfluss zu nehmen, seien zwar weitreichend, aber nicht unbeschränkt. So könne der (nicht begünstigte) Stifter zwar das Mehrheitsprinzip abbedingen und sich ein Durchsetzungsrecht gegenüber Mehrheitsentscheidungen der anderen Mitglieder einräumen, er erhalte aber dadurch noch keine uneingeschränkte Herrschaft über die Stiftung, bleibe doch den übrigen Mitgliedern des Stiftungsvorstandes das nicht abdingbare Recht, zur Wahrung des Stiftungszwecks die Anordnung einer Sonderprüfung bei Gericht zu beantragen. Dieses Recht könnte aber durch die Möglichkeit einer jederzeitigen unbegründeten Abberufung der übrigen Mitglieder des Vorstandes unterlaufen werden. Dass sich der Stifter - bei entsprechendem Änderungsvorbehalt in der Stiftungsurkunde - die Änderung des Stiftungszwecks vorbehalten könne, spreche nicht gegen die vom Rekursgericht vertretene Auffassung, werde doch die Änderung der Stiftungserklärung erst mit Eintragung in das Firmenbuch wirksam. Wenngleich dies im konkreten vorliegenden Fall nicht zu befürchten sei, sei doch die Möglichkeit denkbar, dass ein Stifter unter Ausnützung seines jederzeitigen freien Abberufungsrechtes versuchen könnte, Interessen durchzusetzen, die dem nach außen aufrechterhaltenen, in Wahrheit vom Stifter aber nicht mehr verfolgten Stiftungszweck zuwiderliefen. Zu denken sei dabei auch an eine durch den erklärten Stiftungszweck ohne dessen Änderung nicht gedeckte Vermögensauskehr an den Stifter. Es sei somit auch im Interesse des Gläubigerschutzes verboten, dem Stifter durch Einräumung eines willkürlichen Abberufungsrechtes die Möglichkeit zu bieten, den Stiftungsvorstand an der Erfüllung seiner gesetzlichen Pflichten zu hindern.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Privatstiftung ist zulässig, aber nicht berechtigt.

§ 9 Abs 2 Z 1 PSG (Privatstiftungsgesetz) gestattet es dem Stifter, Regelungen über die Bestellung, Abberufung, Funktionsdauer und Vertretungsbefugnisse des Stiftungsvorstandes in die Stiftungserklärung aufzunehmen. Die Gesetzesmaterialien halten dazu fest, dem Stifter werde im Zusammenhang mit derartigen Regelungen "weitgehend freie Hand" gelassen, er müsse jedoch zwingende Bestimmungen über Bestellung, Zusammensetzung, Unvereinbarkeit und Abberufung einhalten (1132 BlgNR 18. GP, 24). Daraus leitet die Revisionsrekurswerberin unter Hinweis auf den Grundsatz des Primats des Stifterwillens und angesichts des Fehlens ausdrücklicher Bestimmungen über die Zulässigkeit der Abberufung von Vorstandsmitgliedern ab, der Stifter könne deren Abberufung auch ohne wichtige Gründe vorsehen. Dass Punkt IX. Abs 4 der Stiftungsurkunde dem aufgrund seiner Organisationsform "unsterblichen" Stifter (vgl Nowotny, Die Organisation der Privatstiftung, in:

Csoklich/Müller/Gröhs/Helbich, Handbuch zum Privatstiftungsgesetz, 158 und 174) die Befugnis einräumt, Vorstandsmitglieder jederzeit und ohne Bindung an sachliche Gründe abzuberufen, stellt die Revisionsrekurswerberin nicht in Frage.

Wie schon das Rekursgericht aufzeigte, wird die Zulässigkeit der freien Abberufung des Stiftungsvorstandes durch ein anderes Stiftungsorgan, das - wie im hier zu beurteilenden Fall - nicht auch Begünstigter ist, in der Lehre unterschiedlich beurteilt. Micheler (in Doralt/Nowotny/Kalss, Privatstiftungsgesetz Rz 20 f zu § 15) vertritt die Auffassung, die Einräumung einer völlig freien Bestellungs- und Abberufungsbefugnis schränke die Geschäftsführung des Vorstands unzulässig ein, könne doch die betreffende Person im Ergebnis dadurch in alle Vorstandsentscheidungen eingreifen. Aus der Unabhängigkeit des Vorstands ergebe sich, dass einem Gremium ein freies Bestellungs- und Abberufungsrecht hinsichtlich aller Vorstandsmitglieder grundsätzlich nicht eingeräumt werden könne. Stehe Bestellung und Abberufung ein und derselben Person zu, sei das Abberufungsrecht immer auf sachliche Gründe beschränkt; allerdings müsse kein wichtiger Grund im Sinne einer groben Pflichtverletzung vorliegen. Wenngleich der Stifter selbst berechtigt sei, den Stiftungszweck jederzeit zu ändern und so die Geschäftsführung völlig neu zu gestalten, dürfe er doch die Geschäftsführung nicht an sich ziehen. Auch er könne sich daher nicht das Recht einräumen, dem Vorstand generell Weisungen zu erteilen oder ihn beliebig abzuberufen (aaO Rz 24).

Nowotny (aaO 154) meint, der Stifter könne sich selbst (sofern er nicht auch Begünstigter sei) zur Bestellung und Abberufung des Vorstands bestimmen. An anderer Stelle (aaO 163) meint er allerdings, die Position des Vorstands dürfe durch die Einräumung von Weisungsbefugnissen anderer Stiftungsorgane nicht zu einem bloßen Vollzugsorgan abgeschwächt werden. Zur Frage, ob ein jederzeitiges, nicht an sachliche Gründe geknüpftes Abberufungsrecht des Stifters eine derartige Abschwächung bedeuten könnte, nimmt Nowotny nicht ausdrücklich Stellung.

Torggler (Zur Bestellung und Abberufung des Stiftungsvorstands einer Privatstiftung, GesRZ 1997, 140 [150]) leitet aus §§ 27 Abs 2 und 9 Z 1 PSG ab, dass die Funktion des Stiftungsvorstands im Regelfall auf Dauer angelegt ist und nicht ohne Grund beendet werden soll. Werde der Vorstand nach der Stiftungserklärung für eine bestimmte Funktionsdauer bestellt, so ergebe sich schon daraus, dass er vorzeitig nicht aus wichtigem Grund abberufen werden könne. Sei er auf unbestimmte Zeit bestellt und keine "Stelle" bzw kein Stiftungsorgan zu seiner Abberufung befugt, könne er nur vom Gericht - nicht jedoch grundlos - abberufen werden. Daraus folge, dass eine willkürliche Abberufung vom Gesetz offenbar verpönt sei; dies ergebe sich auch aus der gebotenen Unabhängigkeit dieses Organs. Die Abberufung bedürfe somit zumindest eines sachlichen Grundes. Pittl (Der Stifter einer Privatstiftung und die ihm zustehenden Rechte, NZ 1999, 197 [202]) verweist auf den Grundsatz der Unabhängigkeit des Vorstands und leitet daraus ab, das einer Person eingeräumte Abberufungsrecht sei immer auf wichtige Gründe beschränkt.

Spielvogel (Die schweizerische und österreichische Privatstiftung im Vergleich 120) meint ebenfalls, nach österreichischem Stiftungsrecht dürfe der Stifter ein völlig freies Abberufungsrecht nicht vorsehen, weil die zur Bestellung und Abberufung des Vorstands ermächtigte Stelle in einem solchen Fall in jede Entscheidung eingreifen könnte und "der Vorstand zur Marionette verkommen würde".

Bruckner/Fries/Fries (Die Familienstiftung, 27 f) meinen, der Stifter sei allein zur Bestellung des ersten Stiftungsvorstandes befugt, danach sei gemäß § 27 Abs 2 PSG zwingend das Gericht zur Bestellung und Abberufung von Stiftungsorganen zuständig.

Stern (OGH zur Familienstiftung: Einfluss der Begünstigten auf Vorstandsbestellung unzulässig, RdW 1997, 521) untersucht die Möglichkeit, Begünstigten Einfluss auf Bestellung und Abberufung des Vorstands einzuräumen. Unter Hinweis auf die gebotene Unabhängigkeit des Vorstands kommt die Autorin zum Ergebnis, die Übertragung der Bestellungskompetenz an Begünstigte sei wohl zulässig, ein freies, nicht auf wichtige Gründe beschränktes Abberufungsrecht hingegen ausgeschlossen. Zur Frage, ob sich der Stifter selbst ein jederzeitiges begründungsloses Abberufungsrecht einräumen könne, nimmt sie nicht Stellung.

Peter Doralt (Zur Bestellung der Vorstandsmitglieder und des Stiftungsprüfers bei Privatstiftungen durch Begünstigte oder ein von Begünstigten gebildetes Gremium, GesRZ 1997, 125) befasst sich mit der Frage, ob und in welchem Ausmaß den Begünstigten Einfluss auf die Bestellung des Stiftungsvorstands eingeräumt werden kann. Unter Hinweis auf §§ 9 Abs 2 Z 1 und 27 PSG bejaht er die uneingeschränkte privatautonome Gestaltung der Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern in der Stiftungserklärung. Der Gesetzgeber habe die Unabhängigkeit des Stiftungsvorstands gegenüber anderen Organen im Allgemeinen und gegenüber Begünstigten im Besonderen im Gesetzestext nicht mit ausreichender Deutlichkeit verankert. §§ 5 und 9 Abs 1 Z 3 PSG gestatteten es dem Stifter, eine Stelle zu bezeichnen, die dem Vorstand eine seiner wesentlichen Entscheidungskompetenzen, nämlich die Bestimmung des Begünstigten wegnehme. Der Stifter könne sich auch selbst zum Mitglied des Vorstands auf Lebenszeit bestellen und dort im Wege der Regelung der inneren Ordnung gemäß § 9 Abs 2 Z 13 PSG (zB durch das Recht des Stichentscheids, durch ein Alleinentscheidungs- oder Vetorecht) eine Vorrangstellung beanspruchen; er könne sich überdies durch das Recht zur Ernennung von Vorstandsmitgliedern praktisch uneingeschränkte Herrschaft über die Stiftung erhalten, die nur durch den Rahmen der Stiftungserklärung beschränkt werde (und auch dies nur bedingt, wenn sich der Stifter den Widerruf und die Abänderung der Stiftungserklärung vorbehalten habe). Der Stifter könne auch einem von Begünstigten beherrschten Beirat die Befugnis einräumen, den Vorstand ohne Grund abzuberufen (aaO 135 f).

Strasser (Gedanken zu einem aus Begünstigten zusammengesetzten Beirat einer Privatstiftung, JBl 2000, 487) lehnt gleichfalls jede im Gesetz nicht ausdrücklich enthaltene Einschränkung der Gestaltungsmöglichkeit des Stifters ab, geht jedoch auf das hier zu beurteilende Abberufungsrecht des Stifters nicht ausdrücklich ein. Der Oberste Gerichtshof hat die Frage, ob sich der Stifter selbst ein jederzeitiges, nicht an sachliche Gründe geknüpftes Recht auf Abberufung des Vorstands einräumen kann, noch nicht beurteilt. Der Senat hat in der Entscheidung SZ 70/92 erkannt, dass die Einrichtung eines nur mit Begünstigten besetzten Beirates einer Privatstiftung, dem die Befugnis zur Abberufung von Mitgliedern des Stiftungsvorstandes ohne Beschränkung auf einen wichtigen Grund zukommt, wegen der damit bewirkten Interessenkollision unzulässig sei. Die Unvereinbarkeitsregeln der §§ 15 Abs 2, 20 Abs 4 und 23 Abs 2 PSG brächten die grundsätzliche Wertung des Gesetzes zum Ausdruck, dass die Stiftung und ihre Verwaltung von den Begünstigten unabhängig zu sein habe.

In einer Entscheidung (28 R 244/98b = GesRZ 1999, 263 = NZ 2000, 120) hat das Oberlandesgericht Wien das freie (nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigte) Abberufungsrecht des Stifters bejaht. Der Senat folgt der dargestellten, von einem Großteil der Lehre vertretenen Auffassung zunächst insoweit, als der Stifter einem Dritten nicht das Recht einräumen kann, den Vorstand (Vorstandsmitglieder) jederzeit ohne sachliche Begründung abzuberufen. Die Einräumung einer völlig freien Abberufungsbefugnis schränkt die Geschäftsführung des Vorstandes unzulässig ein und führt im Ergebnis dazu, dass der zur Abberufung Berechtigte in alle Vorstandsentscheidungen eingreifen kann; sie bringt die Gefahr mit sich, dass der Vorstand zum bloßen Vollzugsorgan degradiert wird. Der Abberufungsberechtigte könnte so dem Vorstand einen Willen aufzwingen, der nicht jenem des Stifters entspricht, den zu erfüllen Aufgabe des Vorstandes ist.

Dass die schon oben zitierten Materialien zu § 9 Abs 2 Z 1 PSG (1132 BlgNR 18. GP, 24) dem Stifter bei der Regelung über die Bestellung und Abberufung sowie Funktionsdauer und Vertretungsbefugnis der Stiftungsorgane weitgehend - jedoch unter Berücksichtigung der zwingenden Bestimmungen - freie Hand lassen, bedeutet noch nicht, dass eine willkürliche Abberufung des Stiftungsvorstandes zulässig wäre. Der Privatstiftung liegt der Gedanke zugrunde, dass mit einem "eigentümerlosen" Vermögen ein bestimmter Zweck besser, zielstrebiger und auch dauerhafter verwirklicht werden kann, als wenn das Vermögen mit dem Schicksal des Stifters und dem seiner Rechtsnachfolger verbunden bliebe und etwa in eine Gesellschaft eingebracht würde, die von den Gesellschaftern beeinflussbar ist. Mit der Errichtung einer Stiftung soll daher die Verselbständigung des Vermögens erreicht und dessen Verwendung an den einmal erklärten Willen des Stifters gebunden werden. Durch ihre Errichtung verliert auch der Stifter den Zugriff auf das Vermögen (1132 BlgNR 18. GP, 15). Es ist nun evident, dass die Möglichkeit der jederzeitigen Abberufung des Vorstands ohne sachliche Gründe erheblichen Einfluss auf die Stiftungsverwaltung nehmen kann. So weist das Rekursgericht zutreffend darauf hin, dass sogar das unabdingbare Recht des Stiftungsvorstands, Sonderprüfungen zu beantragen (§ 31 Abs 1 PSG), durch eine jederzeitige und unbegründete Abberufung unterlaufen werden könnte. Die unbeschränkte Abberufungsmöglichkeit steht überdies dem aus den Materialien gleichfalls erkennbaren Willen des Gesetzgebers entgegen, die Unabhängigkeit des Vorstands zu stärken und zulässige Einflussnahmen auf ihn einzuschränken (worauf auch Doralt aaO 135 zutreffend hinweist). Dass der Stifter durch die Bezeichnung einer zur Bestimmung des Begünstigten berechtigten Stelle in die sonst dem Vorstand obliegenden Aufgaben eingreifen kann, sagt noch nichts darüber aus, dass er auch berechtigt wäre, einen derart weitgehenden Einfluss auf die Stiftungsverwaltung auszuüben, der mit einer willkürlichen Abberufung verbunden wäre.

Die Revisionsrekurswerberin erkennt die Gefahr, dass der Vorstand durch die hier vorgesehene Regelung zum bloßen Vollzugsorgan degradiert werden könnte, auch in jenen Fällen, in denen die uneingschränkte Abberufungsbefugnis einem von Begünstigten beherrschten Gremium übertragen wurde, meint aber, die Argumente der Lehre träfen auf das freie Abberufungsrecht des Stifters selbst dann nicht zu, wenn dieser - wie hier - nicht auch Begünstigter sei. Im vorliegenden Fall hat sich eine Stifterin selbst die (jederzeitige) Abberufung des Vorstands ohne sachliche Begründung vorbehalten. Die Revisionsrekurswerberin weist darauf hin, dass im Spannungsverhältnis zwischen dem von einem Teil der Lehre vertretenen Grundsatz der Unabhängigkeit des Stiftungsvorstandes und dem Primat des Stifterwillens auch gute Argumente dafür sprechen, dass sich eine Stifterin selbst die Möglichkeit einräumen könnte, den Vorstand, den sie selbst bestellt hatte, jederzeit und ohne sachlichen Grund wieder abzuberufen. So könnte man die Auffassung vertreten, eine Stifterin, die berechtigt sei, den ersten Stiftungsvorstand zu bestellen und die Stiftungserklärung jederzeit zu ändern, müsste auch berechtigt sein, die von ihr selbst bestellten Vorstandsmitglieder jederzeit auch wieder abzuberufen, ohne dass es bestimmter Gründe bedürfte. Diese Argumentation geht jedoch davon aus, dass der Inhalt der Stiftungserklärung und die spätere Abberufung des Vorstands vom Willen ein und derselben Stifterpersönlichkeit getragen wird. Gerade dies ist aber dann nicht der Fall, wenn - wie hier - die Stifterin als Personengesellschaft eigenen Organisationsregeln unterliegt und ihr Wille ausschließlich vom Willen ihrer (im Entscheidungszeitpunkt jeweils) persönlich haftenden Gesellschafter getragen wird. Ein Wechsel in der Person der persönlich haftenden Gesellschafter der Partnerschaft ändert zwar nichts an der Rechtspersönlichkeit der "unsterblich" gewordenen Stifterin (vgl Nowotny aaO 174), beeinflusst aber maßgeblich Willensfindung und Entscheidungsinhalte der Stifterin zum jeweiligen Entscheidungszeitpunkt. Das von Befürwortern eines willkürlichen Abberufungsrechts des Stifters verwendete Argument, die Abberufung werde vom Willen desselben Stifters getragen, der den Vorstand auch bestellt und die Stiftungserklärung verfasst hatte, versagt daher in einem solchen Fall.

Der - aufrechtzuerhaltende - Grundsatz, wonach die Stiftungsurkunde eine jederzeitige Abberufung von Vorstandsmitgliedern durch dritte Personen nur unter der Voraussetzung des Vorliegens sachlicher Abberufungsgründe vorsehen kann, gilt daher auch dann, wenn der zur Abberufung berechtigte Stifter eine Personenhandelsgesellschaft ist. In einem solchen Fall ist nicht sichergestellt, dass die Abberufung von Vorstandsmitgliedern vom Willen desselben Stifters getragen wird, der die Stiftungsurkunde errichtet und den Vorstand bestellt hat. Der Wille der im Zeitpunkt der Abberufung maßgeblichen persönlich haftenden Gesellschafter des Stifters kann potentiell in einen Gegensatz zu dem (vom Willen der ursprünglich persönlich haftenden Gesellschaftern getragenen) Stiftungszweck geraten. Ein derartiger Fall kann nicht mit einer Willensänderung ein und derselben Stifterpersönlichkeit verglichen werden.

Dem Revisionsrekurs wird somit ein Erfolg versagt.

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