OGH 9ObA272/00s

OGH9ObA272/00s25.4.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Franz Zörner und Dr. Andreas Linhart als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Monika M*****, Angestellte, *****, vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Karl Klein, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 67.987,36 brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. Mai 2000, GZ 9 Ra 302/99v-28, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 16. Juli 1999, GZ 25 Cga 122/97m-21, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.871,04 (darin enthalten S 811,84 Ust) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die Entgeltansprüche der Klägerin für die Monate März bis Juni 1998 unter Bejahung der Vorfrage eines zwischen den Parteien über den 1. 8. 1997 fortbestehenden Arbeitsverhältnisses zutreffend bejaht (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin folgendes entgegenzuhalten:

Außer Streit steht, dass am 4. 8. 1997 zunächst vereinbart wurde, dass die seit 5. 4. 1995 bei der Beklagten beschäftigte Klägerin, die dem Kreis der begünstigten Behinderten angehört, mit allen Rechten und Pflichten unter Anrechnung ihrer Vordienstzeiten ab 1. 8. 1997 ausscheidet und ein Arbeitsverhältnis zur L*****AG begründet. Unstrittig ist aber auch, dass die Klägerin in der weiteren Folge infolge Erkrankung ab 13. 8. 1997 vorerst doch nicht von der L***** AG übernommen wurde (ON 8, AS 19 und 21; ON 9, AS 27). Nach dem Vorbringen der Beklagten sollte die "Ummeldung" gemäß Vereinbarung erst nach Beendigung des Krankenstandes der Klägerin erfolgen (ON 8, AS 21). Feststeht, dass die L***** AG von der Arbeitskraft der Klägerin, als diese am 2. 3. 1998 aus dem Krankenstand zurückkehrte, keinen Gebrauch machte, worauf die Bekagte die Klägerin dienstfrei stellte. Dass die L***** AG die Klägerin zu einem späteren Zeitpunkt übernommen hätte, wurde von den Vorinstanzen nicht festgestellt. Eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien ist nicht erfolgt.

Bei dieser Sachlage ist die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes, das von einem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien - über den 1. 8. 1997 hinaus - ausging, frei von Rechtsirrtum. Das Problem der Auslegung schlüssiger Willenserklärungen, auf dem der Schwerpunkt der Revisionsausführungen liegt, stellt sich zufolge der erfolgten Außerstreitstellungen und der getroffenen Feststellungen nicht.

Zur Frage des Übergangs eines Betriebsteils nach § 3 Abs 1 AVRAG von der Beklagten auf die L***** AG, von der die Beklagte gegen Schluss des erstinstanzlichen Verfahrens in Vermengung mit der Frage der Vereinbarung der Parteien meinte, es sei von einem derartigen Übergang "auszugehen", enthält die Revision nur ein spärliches Vorbringen, ohne dass jedoch eindeutig erkennbar ist, ob und inwieweit die Beklagte hieraus noh etwas für ihren Prozessstandpunkt ableitet. Es ist daher nur darauf hinzuweisen, dass derjenige, der einen Betriebsübergang behauptet, diesen beweisen muss (RIS-Justiz RS0102974). Dazu gehört ua auch im Hinblick auf die Beurteilung der zwischen den Parteien des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses getroffenen Vereinbarungen die Frage, wann im Zuge einer Unternehmensumstrukturierung die mitunter geraume Zeit dauern kann, der Zeitpunkt des (angeblichen) Übergangs eines Betriebsteils iSd § 3 AVRAG anzusetzen ist (vgl hiezu Gahleitner/Leitsmüller, Umstrukturierung und AVRAG, 100 f). Zu dieser Frage fehlt jedoch ein widerspruchsfreies Vorbringen der Beklagten, die den Betriebsteilübergang rückwirkend mit der Vereinbarung der Parteien per 1. 8. 1997 ansetzen will, von der jedoch beide Parteien übereinstimmend davon ausgingen, dass sie zufolge Erkrankung der Klägerin nicht umgesetzt wurde. Mit der Annahme eines weiterhin aufrechten Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien steht auch das Verhalten der Beklagten im Einklang, die nach dem Krankenstand der Klägerin selbst nicht von einem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die L***** AG ausging, sondern die Klägerin dienstfrei stellte. Konsequenterweise legte die Beklagte (offenbar im Hinblick auf die Stellung der Klägerin als begünstigte Behinderte [§ 8 BEinstG]) auch besonderen Wert darauf, dass einer von der Beklagten "im Zuge einer heftigen Debatte" ausgesprochenen Kündigung zufolge Einvernehmens der Parteien keine Wirkung zukommen sollte (ON 8, AS 23).

Der Zweck der Bestimmungen des AVRAG besteht nach hA darin, die Aufrechterhaltung der Rechte der Arbeitnehmer bei einem Wechsel des Betriebsinhabers soweit wie möglich zu gewährleisten, indem sie den Arbeitnehmern die Möglichkeit einräumt, ihr Beschäftigungsverhältnis mit dem neuen Inhaber zu denselben Bedingungen fortzusetzen, die mit dem Veräußerer vereinbart waren (DRdA 1997/12 ((Kirschbaum)); DRdA 2000/59 ((Wagnest)); RIS-Justiz RS0108458). Die Regelungen des AVRAG sind insofern relativ zwingend, als nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers davon abgewichen werden kann. Der Arbeitnehmer kann aber auf den durch die Eintrittsautomatik bzw das Verbot einer nicht richtlinienkonformen Kündigung gewährleisteten Schutz verzichten und anstelle der Rechtsunwirksamkeit der Kündigung Ansprüche aus der ungerechtfertigten Auflösung des Arbeitsverhältnisses geltend machen (RIS-Justiz RS0111017). Ebenso steht es dem Arbeitnehmer frei, auf den vorgesehenen Schutz freiwillig zu verzichten und mit dem Veräußerer zu vereinbaren, dass sein Arbeitsverhältnis nicht auf den Erwerber übergehe. Der Arbeitnehmer kann nämlich nicht verhalten sein, für einen Arbeitgeber zu arbeiten, den er nicht frei gewählt hat (Schrank, ecolex 1993, 541; Gahleitner/Leitsmüller aaO 113). In einem derartigen Fall bleibt der Veräußerer alleiniger Schuldner des Arbeitnehmers (DRdA 1997/12 ((Kirschbaum)).

Anhaltspunkte für eine Umgehung des AVRAG (vgl RIS-Justiz RS0082749) bestehen hier ebenso wenig wie für eine Verschlechterung der Position der Klägerin im Falle eines Beibehaltens des bisherigen Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten, sodass diesen Aspekten und ihrem Einfluss auf die Frage eines allfälligen Betriebsteilüberganges hier keine Bedeutung zukommt. Das Berufungsgericht ließ daher die Frage, ob hier überhaupt ein Betriebsteil (Funktion) nach § 3 Abs 1 AVRAG von der Beklagten auf die L***** AG übergegangen ist, zurecht dahingestellt. Bei dieser Sachlage braucht aber auch nicht auf die zusätzlichen, für die Lösung des Falles jedoch nicht entscheidenden Überlegungen des Berufungsgerichtes eingegangen werden, dass sich der Veräußerer im Interesse der Rechtssicherheit ohne unnötigen Aufschub darauf berufen müsse, dass ein Erwerber ex lege in das Arbeitsverhältnis als neuer Arbeitgeber eingetreten wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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