OGH 10ObS76/01a

OGH10ObS76/01a3.4.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hoch sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Lang (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Renate Klenner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dr. Helga St*****, vertreten durch Dr. Maria Schweiger-Apfelthaler, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA), Josefstädterstraße 80, 1081 Wien, vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. Jänner 2001, GZ 9 Rs 346/00v-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 1. September 2000, GZ 5 Cgs 148/00g-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die bei der Beklagten unfallversicherte Klägerin kehrte am 26. 1. 2000 gegen 16.00 Uhr von ihrer Tätigkeit im BMLF zu ihrem Wohnhaus zurück. Dessen Eingangstür erreicht man über eine fünfstufige Treppe, die nicht überdacht ist. Aufgrund des herrschenden regnerischen und kalten Wetters waren die Schuhe der Klägerin rutschig, was sie jedoch zuvor nicht bemerkt hatte. Um vom letzten Absatz der Treppe ins Vorzimmer zu gelangen, musste die Klägerin über eine 15 cm hohe Aluverkleidung steigen. Der Vorzimmerfußboden, der mit einem PVC-Belag versehen ist, liegt ca 3 cm unter der Oberkante der Aluverkleidung.

Die Klägerin betrat zuerst mit dem linken Fuß das Haus. Sie setzte die linke Ferse auf den Fußboden des Vorzimmers. Infolge der nassen Sohle rutschte der Fuß in dem Moment weg, als sie das Gewicht auf diesen verlagerte. Als sie das Wegrutschen bemerkte, verlagerte die Klägerin ihr Gewicht wieder nach rückwärts auf den rechten Fuß, blieb mit der Ferse an der Türschwellenkante hängen, erlangte am Türrahmen (linke Seite und Außenseite der Türzarge) ein wenig Halt und stürzte schließlich nach hinten.

Mit Bescheid vom 6. 6. 2000 wurde dieser Unfall von der beklagten Sozialversicherung gemäß § 90 B-KUVG nicht als Dienstunfall anerkannt und ausgesprochen, dass Leistungen gemäß §§ 88 ff B-KUVG nicht gewährt werden.

In der dagegen erhobenen Klage begehrte die Klägerin die Gewährung von Leistungen für die Unfallfolgen, insbesondere einer Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß gemäß den §§ 88 ff B-KUVG, in eventu die Feststellung, dass die Gesundheitsstörungen, welche sie am 26. 1. 2000 erlitten habe, Folgen eines Arbeitsunfalls seien.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Der Unfall sei nicht als Dienstunfall zu werten, weil der Versicherungsschutz grundsätzlich an der Außenfront des Wohnhauses ende. Der Stiegenhausbereich sei der Privatsphäre zuzuordnen und zähle daher nicht zum geschützten Weg zwischen Wohnung und Dienststelle.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das unfallauslösende Ereignis (Wegrutschen des linken Fußes) habe sich nach der Haustüre im Wohnbereich der Klägerin ereignet. Es liege daher kein Dienstunfall vor.

Mit dem angefochtenen Urteil bestätigte das Berufungsgericht die erstgerichtliche Entscheidung. Nach der herrschenden Rechtsprechung ende der Versicherungsschutz in dem Augenblick des Überschreitens der Schwelle der Eingangstür. Die Klägerin sei bereits mit einem Bein - wenn auch nur kurzfristig - über diesen Grenzpunkt, also in ihren privaten Bereich gelangt, wo sie wegen des Ausrutschens am Boden keinen Halt gefunden und versucht habe, ihr Gewicht auf das noch vor der Tür befindliche andere Bein zurückzuverlagern, sodass sie letztlich vor der Eingangstür zu Sturz gekommen sei. Mit diesem Schritt in das Wohnhaus sei der unter Unfallversicherungsschutz stehende Weg beendet. Der Sturz auf den Bereich vor der Eingangstür sei nicht mehr dem Arbeitsweg zuzuordnen.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im klagsstattgebenden Sinn abzuändern.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist zutreffend; es kann daher auf dessen Ausführungen verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO). Ergänzend und zusammenfassend ist den Ausführungen der Revisionswerberin Folgendes entgegenzuhalten:

Nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung beginnt bzw endet der Versicherungsschutz (für Wegunfälle gemäß § 175 Abs 2 Z 1 ASVG bzw § 90 Abs 2 Z 1 B-KUVG) an der Außenfront des Wohnhauses, also in der Regel an dem ins Freie führenden Haustor oder Garagentor (SSV-NF 2/17, 12/24 mwN; RIS-Justiz RS0084826). Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, sind die innerhalb des Wohnhauses zurückgelegten Wege des Versicherten schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht als Wege "zur oder von der Arbeitsstätte" anzusehen (§ 175 Abs 2 Z 1 ASVG). Der Versicherte ist innerhalb des Wohnhauses auch nicht den für einen Arbeitsweg typischen Gefahren ausgesetzt, gegen die er in der Unfallversicherung geschützt werden soll, sondern es gehen die Gefahren auf die Umstände des Privatbereichs zurück, die dem Versicherungsschutz im Allgemeinen nicht unterliegen (SSV-NF 5/75, 12/24). Die Annahme von Grenzpunkten des Weges zur oder von der Arbeitsstätte (hier: Dienststätte iSd § 90 Abs 2 Z 1 B-KUVG) bringt zwangsläufig eine differenzierte Betrachtung der einzelnen Unfälle mit sich, je nach dem, ob sie sich vor oder nach diesen Grenzpunkten ereignet haben (SSV-NF 12/24).

Diese Grundsätze zieht die Revisionswerberin nicht in Zweifel. Sie beruft sich aber darauf, dass der Versicherungsschutz des Dienstweges erst mit "Vollendung" des Eintritts in den Wohnbereich ende. Dies wäre hier erst dann anzunehmen gewesen, wenn die Klägerin "in ihrer Gesamtheit als Mensch" und nicht bloß mit einem einzelnen Körperteil in ihren Wohnbereich "eingedrungen" wäre. Da sie sich, als sie ausgerutscht und zu Sturz gekommen sei, "bis auf ihre linke Ferse" noch außerhalb des Hauses befunden habe, habe sie die typische Gefahr des Arbeitsweges noch nicht hinter sich gebracht. Der Schritt in das Wohnhaus sei noch nicht vollendet gewesen, weshalb auch der unter Unfallversicherung stehende Weg noch nicht beendet gewesen sei.

Diesem Standpunkt vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen.

Die Revisionswerberin gesteht ausdrücklich als "richtig" zu, dass der Versicherte innerhalb des Wohnhauses nicht den für den Arbeitsweg typischen Gefahren ausgesetzt ist, gegen die er in der Unfallversicherung geschützt werden soll, sondern Gefahren, die auf Umstände des Privatbereiches zurückgehen (S 3 vorletzter Absatz der Revision = AS 151) und dem Versicherungsschutz im Allgemeinen nicht unterliegen (SSV-NF 12/24 mwN; RIS-Justiz RS0084866 [T2]). Letzteres trifft aber hier - wie bereits das Erstgericht erkannt hat - zu, weil die Klägerin nicht vor der Außenfront ihres Wohnhauses ausgerutscht ist, sondern auf dem PVC-Belag ihres Vorzimmerfußbodens. Dies ist für die Lösung des vorliegenden Falles aber entscheidend, weil das Risiko des Ausrutschens im Hausflur nach den dargestellten Grundsätzen zu jenen Gefahren gehört, die auf Umstände des Privatbereichs zurückgehen und dem Unfallversicherungsschutz nicht unterliegen. Den von der Revision ins Treffen geführten Umständen kommt daher keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu.

Die Argumentation, dass hier die typische Gefahr des Arbeitsweges noch nicht beendet gewesen wäre, entfernt sich aber auch von der Tatsachengrundlage der angefochtenen Entscheidung. Es steht nämlich nicht fest, dass hier eine zum Unfall führende Gefahr (bereits) auf dem Weg von der Dienststätte schon vor dem Durchschreiten der Tür gedroht hätte, aber erst danach wirksam geworden wäre (vgl Krasney in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung Bd 3, 93./99. Lfg Rz 189 zu § 8 SGB VII mwN). Von einer typischen Gefahr des Arbeitsweges kann daher auch unter diesem Gesichtspunkt keine Rede sein.

Da die Vorinstanzen das Vorliegen eines Dienstunfalles zu Recht verneint haben, ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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