OGH 4Ob62/01y

OGH4Ob62/01y3.4.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Z*****, vertreten durch Dr. Arne Markl, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei K*****, vertreten durch Dr. Peter Schmautzer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 75.389,18 S sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 22. November 2000, GZ 2 R 448/00x-15, womit das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 23. Juni 2000, GZ 26 C 159/00k-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 21.580,16 S (darin 6.620 S Barauslagen und 2.493,36 S Umsatzsteuer) bestimmten Revisionskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Haftpflichtversichererin eines Bauträgers, der die Beklagte mit Herstellung und Einbau eines Parkliftes in einer Wohnanlage in Innsbruck beauftragt hatte. Karl Heinz G***** bewohnte aufgrund eines Anwartschaftsvertrages mit dem Bauträger eine Wohnung dieser Anlage, zu der ein Garagenplatz auf der unteren Ebene der Hebebühnenanlage gehörte. An der Garagenrückwand war ein Magnetventil mit einem aus dem Ventilgehäuse herausragenden Ventilstift angebracht, durch dessen Betätigung die Hebebühne abgesenkt werden konnte. Als die Gattin von Karl Heinz G***** aus der Garage herausfahren wollte, rollte das Fahrzeug nach hinten und kam mit dem Ventilstift in Berührung, wodurch sich die Hebebühne absenkte. Beim weiteren Ausfahren wurde das Fahrzeug beschädigt.

Im Vorpozess 12 C 2424/94h des Bezirksgerichts Innsbruck nahm Karl Heinz G***** den Bauträger für den Ersatz des Fahrzeugschadens (28.429 S) wegen Verletzung von Schutz- und Sorgfaltspflichten durch Unterlassen einer Aufklärung über die Funktionsweise des besagten Ventils und Einbau einer technisch veralteten und mangelhaften Anlage in Anspruch. Der beklagte Bauträger bestritt technische Mängel oder Gebrechen, er habe die Anlage vor Übergabe durch den TÜV prüfen lassen; die Eigentümer der Garagenbox seien in Anwesenheit der Herstellerfirma über die Funktion der Anlage unterrichtet worden. Das Alleinverschulden treffe die Gattin des Geschädigten. Nach Streitverkündung trat die nun Beklagte am 10. 12. 1996 dem Vorprozess als Nebenintervenientin auf Seiten der dort beklagten Partei bei. Das Erstgericht verpflichtete den Bauträger zum Ersatz der Reparaturkosten. Es stellte fest, dass eine Einweisung in die Garagenbenutzung nicht stattgefunden habe. Das beschriebene Ventil hätte an jeder beliebigen anderen Stelle der Garagenbox angebracht und so geschützt werden können, dass es durch unbeabsichtigtes Anfahren nicht berührt werde. Angesichts ihrer geringen Höhe könnten die vorhandenen Bremsklötze bereits bei Rollgeschwindigkeit überfahren werden, wodurch der Lenkerin bei Überfahren der Anfahrkeile bis zum Kontakt der Stoßstange mit dem Ventilstift keine Reaktion mehr möglich gewesen sei. Unter Zugrundelegung dieser Feststellungen bejahten beide Instanzen im Vorprozess eine Haftung des Bauträgers aus der Verletzung vertraglicher Schutz- und Sorgfaltspflichten gegen den Inhaber des Garagenplatzes. Das Magnetventil an der Garagenrückwand sei denkbar ungünstig angebracht gewesen, die Betriebsanleitung der Herstellerin habe dieses Ventil und seine Funktionsweise nicht erwähnt und auch nicht dargelegt, dass der aus dem Gehäuse herausragende Ventilstift leicht unbeabsichtigt betätigt und die Hebebühne dadurch abgesenkt werden könne. Zudem habe keine Einweisung in die Funktionsweise der Anlage stattgefunden.

Mit der hier vorliegenden Klage begehrt die Haftpflichtversichererin des Bauträgers (und Legalzessionarin gemäß § 67 VersVG) den Ersatz der im Vorprozess an den Geschädigten gezahlten Prozesskosten seit Streitverkündigung (39.247,87 S) und der dem Bauträger selbst entstandenen Kosten des Vorprozesses nach Streitverkündung (36.141,32 S). Eine Haftung der Versicherungsnehmerin habe nur im Rahmen des § 1313a ABGB bestanden, das Verschulden am vorliegenden Schadensfall treffe die Beklagte, deren Verhalten rechtswidrig und schuldhaft gewesen sei. Der Rückgriffsanspruch des leistenden Solidarschuldners umfasse nach neuerer Rechtsprechung auch die Verfahrenskosten des Vorprozesses.

Die Beklagte beantragte Klageabweisung. Sie habe den Fahrzeugschaden bereits im Regressweg ersetzt, ein Rückgriffsanspruch für Prozesskosten könne der Rechtsprechung nicht entnommen werden.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zum Ersatz der von der Klägerin getragenen Kosten des Vorprozesses ab Streitverkündung samt 4 % Zinsen seit 2. 6. 1999. Das Zinsenmehrbegehren wies es rechtskräftig ab. Die Beklagte habe einen eigenen Verschuldensanteil des Bauträgers am Schadensereignis nicht geltend gemacht. Die Klägerin habe daher dem Grunde nach auch Anspruch auf Ersatz der fremden und eigenen Kosten des Vorprozesses ab Streitverkündung. Die Beklagte hafte für die beiderseitigen Verfahrenskosten (des Vorprozesses), weil sie die Möglichkeit gehabt hätte, den Schaden ohne Verfahrenskosten zu bereinigen.

Das Berufungsgericht gab der gegen den klagestattgebenden Teil gerichteten Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren auch insoweit ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in einem vergleichbaren Fall fehle. Der auf § 1037 ABGB gestützte Regressanspruch des in Anspruch genommenen Schuldners setze voraus, dass die sachfällige Schuldnerin die Interessen des Erfüllungsgehilfen zu dessen klarem und überwiegendem Vorteil wahrgenommen habe. Dies sei aber nur dann möglich, wenn der Erfüllungsgehilfe trotz Aufforderung (Streitverkündung) dem Verfahren nicht beigetreten sei. Im vorliegenden Fall sei die Beklagte dem Vorprozess als Nebenintervenientin beigetreten und habe den beklagten Bauträger im Verfahren unterstützt. Der damals Beklagte habe den Prozess somit für sich selbst geführt. Die Nebenintervenientin hätte den Klageanspruch im Vorprozess auch nicht verfahrensbeendend anerkennen können. Es fehle somit an den Voraussetzungen eines Regresses hinsichtlich der Prozesskosten und zwar sowohl hinsichtlich der eigenen Kosten des beklagten Bauträgers als auch hinsichtlich jener Kosten, die er dem Geschädigten zu ersetzen habe. Die Klägerin habe auch nicht vorgebracht, dass die Prozessführung des beklagten Bauträgers im Vorprozess zum klaren und überwiegenden Vorteil der nun Beklagten erfolgt sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig und berechtigt.

Es steht fest, dass die (von der zuständigen Überprüfungsanstalt allerdings ohne Beanstandung abgenommene) technische Ausführung des Garagenlifts im Zusammenhang mit dem Fehlen einer entsprechenden Benutzerbeschreibung und einer Aufklärung über die Funktion des Ventilstifts für den im vorliegenden Fall entstandenen Schaden kausal waren. Dass die Beklagte als Erfüllungsgehilfe des Bauträgers ihren vertraglichen Pflichten nicht nachgekommen und ihm zum Schadenersatz verpflichtet ist, wird von ihr selbst nicht in Abrede gestellt. Dementsprechend hat sie auch die vom Geschädigten gegenüber der Haftpflichtversichererin ihres Vertragspartners geltend gemachten Reparaturkosten im Regressweg ersetzt, bestreitet jedoch die weitere Pflicht zum Ersatz der Kosten des Vorprozesses.

Von der Entscheidung des verstärkten Senats SZ 70/60 (= JBl 1997,

368) zur Bindungswirkung eines materiell rechtskräftigen zivilgerichtlichen Urteils auf den einfachen Nebenintervenienten und denjenigen, der sich trotz Streitverkündung am Verfahren nicht beteiligte, ausgehend vertritt der Oberste Gerichtshof seit SZ 70/241 (= ZVR 1998/120) in nunmehr ständiger Rechtsprechung die Auffassung, derjenige Regresspflichtige, der der Aufforderung zur Nebenintervention nicht Folge geleistet hat und damit dem im Vorverfahren belangten Mitschuldner die Klärung des gegen beide Schuldner bestehenden Anspruchs des Geschädigten überlassen hat, habe diesem den dort entstandenen Kostenaufwand sowie den beglichenen Verzögerungsschaden anteilig zu ersetzen, weil dieser Aufwand im Interesse beider Schuldner in einem Verfahren entstanden sei, das bindend auch über den Anspruch des Geschädigten gegen den am Prozess nicht beteiligten Mitschuldner abspricht. Der im Vorprozess verurteilte Mitschuldner könne diesen Aufwand aus dem Rechtsgrund des § 1037 ABGB geltend machen (ecolex 2000, 32; JBl 2000, 36; JBl 2001, 172; 1 Ob 76/98b; RIS-Justiz RS0109200). Diesen Grundsatz hat der Oberste Gerichtshof nicht nur in Fällen des Rückgriffs unter Solidarschuldnern, sondern auch auf den Rückgriff eines im Vorprozess Haftpflichtigen gegen seinen Erfüllungsgehilfen angewendet (ecolex 2000, 102).

Mit der Frage der Ersatzpflicht von Kosten des Vorprozesses im Falle eines nach Streitverkündung dem Verfahren als Nebenintervenient beigetretenen Regresspflichtigen hat sich der Oberste Gerichtshof bisher in Fällen der Frachtführerhaftung befasst, in denen der beigetretene Nebenintervenient jeweils allein für den Schaden verantwortlich war (ecolex 2000, 32; 2 Ob 108/00x). Unter diesen Umständen wurden die der Hauptpartei durch die Verfahrensführung entstandenen Kosten auf der Grundlage des § 1037 ABGB zur Gänze als regressfähig erkannt. In einem weiteren Fall (JBl 2001, 172), in dem die als Hauptpartei in Anspruch genommene Solidarschuldnerin mit einer Quote von 25 % haftete, während der Verschuldensanteil des beitretenden regresspflichtigen Mitschuldners 75 % betrug, verneinte der Oberste Gerichtshof die Anwendbarkeit des § 1037 aus der Erwägung, unter diesen Voraussetzungen führe die selbst haftpflichtige Hauptpartei kein fremdes Geschäft. Taugliche Grundlage des Prozesskostenregresses bilde in einem solchen Fall § 1041 ABGB, wobei Hauptpartei und Nebenintervenient des Vorprozesses die ihnen jeweils entstandenen eigenen Kosten selbst zu tragen hätten, während die der Hauptpartei zum Ersatz auferlegten Kosten des Vorprozesses nach dem zwischen den Solidarschuldnern bestehenden besonderen Verhältnis regressfähig seien.

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin ihren Anspruch auf Prozesskostenersatz - und zwar sowohl der eigenen als auch der dem Geschädigten im Vorprozess ersetzten Kosten - im Sinn der oben dargelegten Rechtsprechung auf § 1037 ABGB gestützt und ausreichend deutlich vorgebracht, dass die Beklagte (auch) im Innenverhältnis zur Gänze für die Hauptforderung, die Zinsen und Prozesskosten hafte, weil sie allein den der im Vorprozess klagenden Partei entstandenen Schaden rechtswidrig und schuldhaft verursacht habe. Demgegenüber hat die Beklagte im Verfahren erster Instanz nicht geltend gemacht, dass auch der im Vorprozess beklagte Bauträger aufgrund eigenen rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens an der Entstehung des Schadens mitgewirkt hätte. Sie hat vielmehr der nunmehrigen Klägerin die dem Geschädigten gezahlten Reparaturkosten samt Zinsen im Regressweg zur Gänze ersetzt. Soweit sie nun in ihrer Revisionsbeantwortung meint, die Klägerin habe den Vorprozess ausschließlich im eigenen Interesse geführt, übersieht sie, dass auch der Einwand des im Vorprozess belangten Bauträgers, der Geschädigte habe den Schaden selbst zu verantworten, der Abwehr der letztlich gegen die nunmehrige Beklagte gerichteten Ansprüche diente. Die Beklagte hat selbst als Nebenintervenientin im Vorprozess vehement jegliche Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche des damaligen Klägers bestritten, wodurch die damalige Beklagte gezwungen war, das Verfahren auch nach Streitverkündung fortzuführen, um nicht den Verlust ihres Regressanspruchs gegen die Beklagte zu riskieren. Unter diesen Umständen hat somit die im Vorprozess Beklagte tatsächlich bei der Abwehr des Anspruchs des geschädigten Dritten ausschließlich ein fremdes Geschäft geführt. Sie kann sich bei der für den Schaden verantwortlichen Erfüllungsgehilfin zur Gänze auch hinsichtlich der im Vorprozess selbst entstandenen und der dem Prozessgegner ersetzten Kosten ab dem Zeitpunkt der Streitverkündung regressieren. Die Höhe dieser Kosten wurde nicht bestritten.

Der Revision der Klägerin wird somit Folge gegeben und die Entscheidung des Erstgerichts wieder hergestellt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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