OGH 13Os5/01

OGH13Os5/0128.3.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. März 2001 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Mann als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ardian S***** wegen des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Vergewaltigung nach §§ 201 Abs 2, 15 StGB und weitere strafbare Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 8. November 2000, GZ 11 Vr 259/00-53, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Ardian S***** wurde der Verbrechen der teils vollendeten, teils versuchten Vergewaltigung nach §§ 201 Abs 2, 15 StGB (I) und der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB (III) sowie des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.

Danach hat er - soweit für das Nichtigkeitsverfahren von Relevanz -

zu I: in Steyr in der Nacht zum 20. Juni 2000 Kevser J***** außer dem Fall des Absatzes 1 des § 201 StGB mit gegen sie gerichteter Drohung eine Person mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Vornahme des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung teils genötigt, teils zu nötigen versucht, indem er die Genannte gewaltsam von der Straße in eine Wohnung zerrte, wobei er ihr drohte, ihren Freund zusammenzuschlagen, sie in das dortige Schlafzimmer zerrte und auf das Bett warf, ihr die Kleider vom Leibe zog, sie durch Festhalten teils der Arme, teils an den Haaren und dadurch, dass er sich auf ihren Brustkorb setzte, auf dem Bett fixierte, ihre Beine auseinanderpresste, einen von ihr getragenen Tampon gewaltsam entfernte sowie ihr gegenüber äußerte: "Bleib ruhig, sonst schlag ich dich derart, dass du dein Gesicht nicht mehr erkennen kannst!" zunächst einen Oralverkehr durchführen wollte und sodann dreimal den Beischlaf vornahm, wobei die Tatvollendung betreffend des Oralverkehrs auf Grund der Weigerung des Opfers unterblieb.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen den Schuldspruch I gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

In der Mängelrüge (Z 5) kritisiert der Beschwerdeführer, dass das Erstgericht zum Ergebnis gekommen sei, der Angeklagte habe mit dem Tatopfer weder im Jahr 1999 noch am 20. Juni 2000 ein intimes Verhältnis gehabt. Die diesbezügliche im Rechtsmittel zitierte Urteilspassage (US 8 dritter und vierter [richtig:] Satz) gibt aber nur einen Teil der gegenteilig lautenden Verantwortung des Angeklagten wieder, welche die Tatrichter mit formell mängelfreier Begründung verworfen haben (US 8 bis 12). Im Übrigen stellt das Vorliegen eines "intimen Verhältnisses" zwischen dem Angeklagten und dem Tatopfer (auch unter dem Aspekt des § 203 StGB) keine für den Schuldspruch wegen Vergewaltigung entscheidende Tatsache dar, zumal eine Lebensgemeinschaft gar nicht behauptet wird.

Das Vorbringen zur Tatsachenrüge (Z 5a) vermag aus dem Akteninhalt keine Bedenken an der Richtigkeit schuldspruchrelevanter Feststellungen zu erwecken. Es erschöpft sich vielmehr in einer Bekämpfung der Beweiswürdigung mit spekulativen Erwägungen hinsichtlich jener Konstatierungen, die sich auf das Geschehen bloß bis zum Beginn der Tathandlungen beziehen.

Soweit die Rechtsmittelanträge die Zurückverweisung der Strafsache an das Erstgericht (gemeint offenbar nach gänzlicher Urteilsaufhebung) begehren, mangelt es ihnen zu den Schuldspruchfakten II und III an jeglichem Substrat, weshalb diesbezüglich eine sachliche Erörterung nicht möglich ist.

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d StPO in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen, woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Linz ergibt (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Der Vollständigkeit halber ist noch darauf hinzuweisen, dass dem Erstgericht durch den Schuldspruch zu I auch wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 2 StGB ein Rechtsirrtum unterlaufen ist.

Beim Verbrechen der Vergewaltigung ist zwar auch bei in kurzer zeitlicher Abfolge gegen dasselbe Tatopfer gerichteten mehrfachen Angriffen Deliktswiederholung (echte Realkonkurrenz), etwa durch Vornahme eines Beischlafes und einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung grundsätzlich möglich. Dies erfordert aber nicht nur eine objektive Eigenständigkeit der Angriffe, sondern auch deren willensmäßige Selbständigkeit (Mayerhofer StGB5 § 201 E 47; EvBl 1991/13). Mehrere zeitlich nicht allzu sehr differierende Ausführungshandlungen stellen jedoch, sofern sie von einem einheitlichen - wenngleich im Verlauf der Tat modifizierten - Vorsatz umspannt und planmäßig auf Vollendung ein und desselben Verbrechens ausgerichtet sind, eine Straftat dar, und zwar auch dann, wenn eine Ausführungshandlung fehl schlägt und eine weitere folgt (14 Os 112/93; 13 Os 140/00).

Nach den Urteilsfeststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite (US 6, 7), die sich im Wesentlichen auf die Aussage der Zeugin Kevser J***** (S 7 ff, 252, 281 ff, 378 ff) stützen, besteht kein Zweifel daran, dass die auf die Erzwingung eines geschlechtlichen Missbrauchs des Tatopfers gerichteten Handlungen des Angeklagten unter dem Aspekt der Scheinkonkurrenz als Einheit anzusehen sind, womit der Versuch durch die nachfolgende Vollendung als subsidiär zurücktritt (Ratz in WK2 §§ 28 bis 31 Rz 41 ff).

Diese rechtsirrige Beurteilung gereicht aber fallbezogen - entgegen der Ansicht der Generalprokuratur - dem Angeklagten nicht zum Nachteil, wie sich aus den Strafbemessungserwägungen des Schöffensenates ergibt. Hier führt das Erstgericht bei den Erschwerungsumständen betreffend "der Vergewaltigung" (= Einzahl) die "Wiederholung der Tathandlung" offenbar im Sinne einer erhöhten Tatintensität an, die infolge der dreifachen Vornahme des Beischlafs und des versuchten Oralverkehrs auch bei rechtsrichtiger Subsumtion zutreffend als aggravierend erhalten bliebe, während der Angeklagte des Milderungsgrundes des versuchten Verbrechens der Vergewaltigung verlustig würde.

Ein amtswegiges Vorgehen nach § 290 Abs 1 StPO wegen Vorliegens des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO konnte daher unterbleiben.

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