OGH 14Os112/93

OGH14Os112/9314.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.September 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Hon.Prof.Dr.Brustbauer, Dr.Massauer und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Mazzolini als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Norbert Franz D***** wegen des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Vergewaltigung nach §§ 201 Abs. 1 und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Privatbeteiligten Theresia M***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 8.April 1993, GZ 7 Vr 6/93-31, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Hauptmann, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Breitwieser zu Recht erkannt:

 

Spruch:

I. Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

II. Aus deren Anlaß wird gemäß § 290 Abs. 1 StPO das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens (auch) der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs. 1 StGB sowie demgemäß im Strafausspruch (jedoch unter Aufrechterhaltung der Aussprüche nach § 38 StGB und nach § 366 Abs. 2 StPO) aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Norbert Franz D***** wird für das ihm nach dem unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruchs weiterhin zur Last liegende Verbrechen der (vollendeten) Vergewaltigung nach § 201 Abs. 1 StGB nach dieser Gesetzesstelle zu 18 (achtzehn) Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

III. Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die zu II. getroffene Entscheidung verwiesen.

IV. Der Berufung der Privatbeteiligten wird nicht Folge gegeben.

V. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Verfahrens über seine Rechtsmittel zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Norbert Franz D***** des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Vergewaltigung nach §§ 201 Abs. 1 und 15 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 5.Jänner 1993 in St.Marienkirchen bei Schärding "Theresia M***** dadurch, daß er ihr drohte, er werde sie und ihren fünfjährigen Sohn umbringen, ihr die Kleidung vom Leib riß und sie zu Boden zog, wobei er ihr erklärte, er wolle mit ihr schlafen, ihr den Kopf zu seinem Geschlechtsteil drückte und sie aufforderte, ihm ""einen zu blasen"", mit schwerer gegen sie gerichteter Gewalt und durch eine gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib und Leben zur Vornahme des Beischlafs und eines Mundverkehrs (einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung) genötigt, wobei die Tat hinsichtlich des Beischlafes beim Versuch geblieben ist".

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 3, 4, 5 a, 9 lit. b und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt. Die hinsichtlich der Beeidigung der Schöffen (§ 240 a StPO) erhobene Verfahrensrüge (Z 3) wurde vom Verteidiger im Gerichtstag zurückgezogen.

Der auf § 281 Abs. 1 Z 4 StPO gestützten Verfahrensrüge zuwider wurden durch die Ablehnung der in der Hauptverhandlung vom Verteidiger beantragten Beweisaufnahmen (S 253) Verteidigungsrechte nicht verletzt.

Durch die zeugenschaftliche Einvernahme des Gemeindearztes Dr.Peter G***** sollte nach dem Inhalt des Beweisantrages dargetan werden, "daß die nunmehr von der Zeugin geschilderten Verletzungen nicht in dem heute erwähnten Ausmaß vorhanden waren, insbesondere keine deutlichen Würgespuren"; diesem Antrag fehlt schon deshalb jegliche Grundlage, weil die Zeugin M***** in der Hauptverhandlung ihre Verletzungen nicht geschildert, sondern lediglich auf ihre Untersuchung durch den Gemeindearzt und auf eine zwei bis drei Wochen nach dem Vorfall anhaltende Heiserkeit hingewiesen hat (S 250). Im übrigen hätte es angesichts der im Akt (unter S 81) erliegenden Verletzungsanzeige des Gemeindearztes, die nur etwa zwei Stunden nach dem Zeitpunkt des Vorfalls (S 91) ausgestellt wurde, und neben der Beschreibung von Hautabschürfungen im Kniebereich - s. auch das Lichtbild (S 192) - eine Schilderung von im Halsbereich rechts wahrgenommenen dünnen etwa 10 cm langen Kratzspuren und flächigen, insgesamt etwa daumengroßen roten Flecken enthält, bei Stellung des Beweisantrages auch einer Begründung dafür bedurft, weshalb von der zeugenschaftlichen Vernehmung des Gemeindearztes Dr.G***** eine Entlastung des Angeklagten im Sinn eines teilweisen Widerrufs der Angaben in der Verletzungsanzeige - die deutliche Hinweise auf Spuren eines Würgeaktes enthalten - zu erwarten wäre (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO3 ENr. 19 zu § 281 Z 4). Die Einvernahme der weiteren in der Hauptverhandlung beantragten Zeugen Elke (ersichtlich gemeint "Hildegard" - s. S 104) D***** - der geschiedenen Ehefrau des Angeklagten - sowie der Hildegard H***** und des Alois B***** (der beiden ersteren zum Beweis dafür, daß der Angeklagte "im Zuge von Geschlechtsverkehr und sexuellen Beziehungen niemals gewalttätig wird", des letztgenannten zum Nachweis, "daß die Zeugin M***** bereits bei den Heizungsarbeiten in ihrem Haus dem Angeklagten schöne Augen gemacht und sich ihm gegenüber auch immer freizügig gezeigt hat") wurde gleichfalls zu Recht abgelehnt. Angesichts der von (der geschiedenen Ehegattin des Angeklagten) Hildegard D***** gegenüber dem Gendarmeriebeamten K***** gemachten Angaben (S 73), wonach ihr "Exgatte", dessen Verhalten Frauen gegenüber sie als "brutal und rücksichtslos" bezeichnete, während der Ehe "häufig mit ihr gegen ihren Willen Geschlechtsverkehr ausgeübt" habe und des seit Jahren bestandenen freundschaftlichen Verhältnisses zwischen dem Angeklagten einerseits sowie Karl M***** und Theresia M***** andererseits, deren Bruder mit der Schwester der geschiedenen Ehefrau des Angeklagten verheiratet ist (US 4 iVm S 87, 237), wäre der Beschwerdeführer auch insoweit gehalten gewesen, Gründe konkret darzutun, aus denen erwartet werden kann, daß die Durchführung der beantragten Beweise auch tatsächlich das im Beweisantrag behauptete Ergebnis haben werde.

Mit der Tatsachenrüge (Z 5 a) weist der Angeklagte bloß - nach Art einer gegen schöffengerichtliche Urteile unzulässigen Schuldberufung - auf die Möglichkeit hin, daß Verfahrensergebnisse, insbesondere die nach Ansicht des Erstgerichtes die Aussage der Theresia M***** bestätigenden Indizien (so die Verletzungen, die Beschädigung ihrer Kleidung, der Zustand der Speisekammer nach dem Vorfall), auch für ihn günstigere Schlußfolgerungen zugelassen hätten. Mit der Behauptung, die Zeugin M***** habe sich nach ihrer eigenen Aussage zur Vorgangsweise des Angeklagten kein einziges Mal ablehnend geäußert (vgl. hingegen S 246), und dem Hinweis, an den Knien der Genannten wären (ärztlicherseits) nur Druckstellen festgestellt worden (vgl. jedoch abermals die Verletzungsanzeige S 81, in der von "ca. 10 S großen Excoriationen" die Rede ist), gibt die Beschwerde zudem die bezüglichen Verfahrensergebnisse nicht aktengetreu wieder. Der Angeklagte vermag sohin keine aktenkundigen Umstände aufzuzeigen, die geeignet wären, schwerwiegende Bedenken gegen die Beweiswürdigung der Tatrichter zu erwecken.

Im bisher erörterten Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Aus deren Anlaß war jedoch gemäß § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen, daß das Urteil insoweit mit einem unbekämpft gebliebenen Subsumtionsfehler (Z 10) behaftet ist, als die Tathandlungen des Angeklagten als das Verbrechen sowohl der vollendeten als auch der versuchten Vergewaltigung beurteilt wurden.

Durch die am 1.Juli 1989 in Kraft getretene Strafgesetznovelle 1989 BGBl. 242 erfolgte eine grundlegende Neugestaltung der strafbaren Handlungen gegen die Sittlichkeit. An die Stelle der (früheren) Straftatbestände der §§ 201 bis 204 StGB traten die neuen Tatbestände der Vergewaltigung (§ 201) und der geschlechtlichen Nötigung (§ 202). Dabei wurde (ua) bei der Vergewaltigung auf das Tatbestandsmerkmal der (vom Täter herbeigeführten) Widerstandsunfähigkeit des Opfers verzichtet; überdies wurden dem Beischlaf auch andere (insbesondere vom Standpunkt des Opfers vergleichbare) Sexualpraktiken gleichgestellt. Nach den Intentionen des Gesetzgebers ist demnach unter geschlechtlichen Handlungen, die dem Beischlaf gleichzusetzen sind, "jede auf Befriedigung des Geschlechtstriebes gerichtete Form einer oralen, vaginalen oder analen Penetration" zu verstehen (JAB 927 BlgNr. 17.GP Punkt 7 zu § 201 StGB).

Dies schließt die Annahme von Realkonkurrenz nicht aus (EvBl. 1991/13 = JBl. 1991, 225). Mehrere zeitlich nicht allzusehr differierende Ausführungshandlungen stellen jedoch, sofern sie von einem einheitlichen - wenngleich im Verlauf der Tat modifizierten - Vorsatz umspannt und planmäßig auf Vollendung eines und desselben Verbrechens ausgerichtet sind, eine Straftat dar, und zwar auch dann, wenn eine (erste) Ausführungshandlung fehl schlägt und eine weitere folgt. Entscheidend ist, daß die mehreren Ausführungshandlungen, die in ihrer Gesamtheit den Deliktstypus in seiner äußeren Tatseite herstellen, von einem einheitlichen Vorsatz umspannt und auf die Vollendung eines und desselben Delikts ausgerichtet sind (Leukauf-Steininger Komm.3 RN 60 f; Kienapfel AT4 E 8, je zu § 28 StGB; Burgstaller in JBl. 1978, 399 f).

Vorliegend machte der Angeklagte nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen der Zeugin Theresia M***** während der Anwendung der eingangs bezeichneten Nötigungsmittel unmißverständlich klar, daß er mit ihr schlafen wolle. Auf den Hinweis, daß sie die Regel habe, reagierte er mit der an die Zeugin gerichteten Aufforderung: "Blas' mir endlich einen, damit ich abspritzen kann". Dabei hakte er mit dem Rücken auf dem Boden liegend, seine Füße bei den Beinen der Theresia M***** ein, hielt sie an den Händen fest und nahm sie schließlich beim Genick und drückte ihren Kopf zu seinem Unterkörper, wobei es ihm mehrmals gelang, sein Glied in den Mund der Zeugin einzuführen (US 6 iVm S 51 = 93). Diese - vom Erstgericht im wesentlichen auf die Aussage der Zeugin M***** gestützten - Tatsachenfeststellungen lassen keinen Zweifel daran, daß die auf die Erzwingung eines geschlechtlichen Mißbrauchs des Tatopfers gerichteten Tathandlungen des Angeklagten eine Einheit darstellen, sodaß das frühere Entwicklungsstadium des Versuchs - im Sinn einer stillschweigenden (= materiellen) Subsidiarität - in der späteren Vollendung des Verbrechens der Vergewaltigung aufgeht. Die rechtliche Beurteilung des vom Schöffengericht festgestellten Sachverhalts (auch) als versuchte Vergewaltigung war daher ersatzlos aufzuheben.

Damit ist dem (weiteren) Beschwerdevorbringen in Richtung des Strafaufhebungsgrundes (Z 9 lit. b) eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch, ebenso der Boden entzogen wie der auf § 281 Abs. 1 Z 3 StPO gestützten Verfahrensrüge, die - allerdings unter Verkennung des bezüglichen Individualisierungserfordernisses - in der vermißten genaueren Beschreibung der näheren Tatumstände der versuchten Vergewaltigung eine Verletzung der Vorschrift des § 260 Abs. 1 StPO ins Treffen zu führen sucht. Soweit der Beschwerdeführer im Rahmen der Rechtsrügen schließlich die Erzwingung des Oralverkehrs nach "§ 203 bzw. 204" StGB beurteilt wissen will und außerdem Feststellungsmängel hinsichtlich der "Widerstandsunfähigkeit" der Zeugin M***** reklamiert, genügt der Hinweis auf die bereits zuvor erörterte Gesetzesänderung durch die Strafgesetznovelle 1989.

Bei der erforderlichen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die auf der gleichen schädlichen Neigung (§ 71 StGB) beruhenden (drei) Vorstrafen wegen (fahrlässiger) Körperverletzung und Sachbeschädigung und die beim Tatopfer aufgetretenen Verletzungen sowie die Begehung der Tat unter Ausnützung des Vertrauens der Theresia M*****, als mildernd dagegen keinen Umstand.

Eine nach Meinung des Angeklagten "auf eine Stimmungslage" zurückzuführende Tatbegehung in einem "momentanen Antrieb" findet nicht einmal in seiner eigenen Verantwortung, die eine reifliche Überlegung und sorgfältige Tatplanung erkennen läßt, eine Stütze. Ein bloßes Tatsachengeständnis, also das Zugeben bloßer Tatsachen ohne Eingeständnis der subjektiven Merkmale des strafbaren Verhaltens hinwieder, wirkt nicht mildernd (ÖJZ-LSK 1980/19 ua); in den Angaben des Angeklagten zum Tathergang kann auch kein wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung erblickt werden.

Auf der Basis der festgestellten Strafzumessungsgründe und unter Bedachtnahme auf die im § 32 StGB normierten allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung erfordern die Strafzwecke angesichts des hohen Schuld- und Unrechtsgehaltes der vom Angeklagten verübten Tat eine Freiheitsstrafe in der auch schon in erster Instanz festgesetzten Höhe von achtzehn Monaten.

Auf Grund des bereits belasteten Vorlebens des Angeklagten aus spezialpräventiven Gründen, aber auch aus generalpräventiven Erwägungen fehlt es an den Voraussetzungen für die Gewährung bedingter oder teilbedingter Nachsicht der Strafe. Es bedarf vielmehr des Vollzuges der über den Angeklagten verhängten Sanktion.

Der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft waren mit ihren Berufungen auf die reformatorische Entscheidung zu verweisen. Der Vollständigkeit halber sei zum Berufungsvorbringen des Angeklagten bemerkt, daß die ins Treffen geführten Sorgepflichten keinen Milderungsgrund zu bilden vermögen (Leukauf-Steininger aaO § 34 RN 30).

Die Privatbeteiligte Theresia M***** wurde mit dem angefochtenen Urteil gemäß § 366 Abs. 2 StPO hinsichtlich des von ihr geforderten Schadensbetrages in der Höhe von 5.000 S "für einen verlorengegangenen Ohrring sowie Jeans und Unterwäsche" (S 253) auf den Zivilrechtsweg verwiesen, weil Entscheidungsgrundlagen, aus denen der objektive Wert der Waren mit Sicherheit festgestellt werden könnte, nicht vorlagen (US 12).

Der von der Privatbeteiligten gegen die erfolgte Verweisung auf den Zivilrechtsweg ergriffenen Berufung, mit der sie den Zuspruch in der begehrten Höhe anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.

Gemäß § 365 Abs. 2 StPO wäre es Aufgabe der Privatbeteiligten bzw. ihres Vertreters gewesen, den Anspruch "auszuführen und genügend darzutun". Dies ist nicht geschehen; ein Antrag, einen ziffernmäßig angegebenen Mindestbetrag zuzusprechen, wurde dabei nicht gestellt, sondern der Zuspruch in der begehrten Höhe verlangt (S 254). Die im § 366 Abs. 2 StPO angeführten "einfachen zusätzlichen Erhebungen" hinwieder, setzen einen ordentlich geltend gemachten Schadensbetrag voraus, für dessen Zuspruch nur mehr die eine oder andere, leicht ergänzbare Einzelheit fehlt. Da vorliegend eine Aufgliederung unterblieb, stehen nicht mehr bloß "einfache zusätzliche Erhebungen" aus, sondern es soll offenbar die Erhebung des gesamten tatsächlich eingetretenen Schadens auf das Gericht überwälzt werden. Bei dieser Sachlage erfolgte aber die Verweisung der Privatbeteiligten gemäß § 366 Abs. 2 zweiter Satz StPO auf den Zivilrechtsweg zu Recht (SSt. 56/62), weshalb der Berufung der Privatbeteiligten ein Erfolg versagt bleiben mußte.

Es war daher insgesamt spruchgemäß zu erkennen.

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