OGH 13Os140/00

OGH13Os140/0013.12.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Dezember 2000 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krauss als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Sabas A***** wegen des Verbrechens der teilweise vollendeten und teilweise versuchten Vergewaltigung nach §§ 201 Abs 2 und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten wider das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 24. August 2000, GZ 2d Vr 7503/99-39, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Weiss, des Angeklagten Sabas A***** sowie des Verteidigers Dr. Weidinger zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 290 Abs 1 StPO werden die rechtliche Beurteilung der zu 2.) des Strafurteils angenommenen Tatsachen als (gesondertes) Verbrechen der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 2 StGB sowie demnach auch der Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Sabas A***** hat durch alle im Strafurteil beschriebenen Handlungen das Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB begangen und wird hiefür nach § 201 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten verurteilt.

Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Sabas A***** wurde "des Verbrechens der teilweise vollendeten und teilweise versuchten Vergewaltigung nach §§ 201 Abs 2 und 15 StGB" schuldig erkannt.

Danach hat er am 17. Juni 1999 in Wien Dagmar G***** durch Entziehung der persönlichen Freiheit, indem er das sogenannte "Putzkammerl" im dritten Stock des Bundesrealgymnasiums Wien 16., Schuhmeierplatz, in welchem sich er und Dagmar G***** aufhielten, von innen versperrte und den Schlüssel an sich nahm, zur Duldung

1.) einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich des Eindringens seines Fingers in ihre Scheide, genötigt;

2.) des Beischlafes zu nötigen versucht.

Dagegen richtet sich eine auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Seine "Berufung wegen Schuld" hat er im Gerichtstag zurückgezogen.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.

Die prozessordnungsgemäße Ausführung einer Rechtsrüge erfordert nämlich das Festhalten am gesamten Urteilssachverhalt. Wenn die Beschwerde ausführt, der Vorsatz des Angeklagten habe ausdrücklich nicht das Einsperren der Zeugin G***** umfasst, negiert sie die gegenteilige Feststellung (US 6 oben); mit der weiteren Behauptung, das Tatopfer habe das Verhalten des Angeklagten nicht als Entzug der persönlichen Freiheit erlebt, übergeht sie die Konstatierung (US 5), wonach dies bloß "vorerst", dh bis zum Beginn sexualbezogener Angriffe der Fall war.

Soweit die Beschwerde meint, eine Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB erfordere "Gewaltausübung und Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (Nötigung)" und demgemäß Konstatierungen vermisst, legt sie nicht dar, warum trotz anderslautendem Gesetz ("mit Gewalt, durch Entziehung der persönlichen Freiheit oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben") die Begehungsmittel kumulativ vorliegen müssen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war sohin zu verwerfen. Aus deren Anlass hat sich jedoch der Oberste Gerichtshof davon überzeugt, dass zum Nachteil des Angeklagten das Strafgesetz unrichtig (Z 10 des § 281 Abs 1 StPO) angewendet wurde (§ 290 Abs 1 StPO).

Mag auch § 28 StGB im Strafausspruch des Ersturteils nicht zitiert sein, und die strafbare Handlung auf "das" Verbrechen lauten, zeigt doch die Annahme des Versuchs neben der Tatvollendung, dass die Verurteilung wegen zweier realkonkurrierender Taten erfolgte.

Hiezu ist zu erwägen:

Beim Verbrechen der Vergewaltigung, welches hinsichtlich der Begehungsarten durch Beischlaf und einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung ein alternatives Mischdelikt ist, ist zwar auch bei in kurzer zeitlicher Abfolge gegen dasselbe Tatopfer gerichteten mehrfachen Angriffen Deliktswiederholung (= echte Realkonkurrenz), etwa auch durch Vornahme beider Begehungsarten möglich. Dies erfordert jedoch nicht nur eine objektive Eigenständigkeit der Angriffe, sondern auch deren willensmäßige Selbständigkeit (vgl Mayerhofer StGB4 § 201 E 47). Nach den Urteilsfeststellungen (US 5 f) erfolgten die als echt (real-)konkurrierende Verbrechen der Vergewaltigung und der versuchten Vergewaltigung gesondert zugerechneten Angriffe gegen dasselbe Opfer in Verfolgung eines einheitlichen, auf Vollendung ein und desselben (alternativen Misch-)Deliktes ausgerichteten Willensentschlusses (vgl Burgstaller, Die Scheinkonkurrenz im Strafrecht, JBl 1978, 393 [400]) und liegen zudem zeitlich so eng beisammen, dass sie hier nicht als (grundsätzlich mögliche) realkonkurrierende Fälle (eines alternativen Mischdelikts), sondern unter dem Aspekt der Scheinkonkurrenz als Einheit anzusehen sind, womit der Versuch durch die nachfolgende Vollendung als subsidiär zurücktritt (Ratz in WK §§ 28-31 Rz 41 ff). Die rechtliche Annahme versuchter neben vollendeter Vergewaltigung war daher als verfehlt - ohne Freispruch (13 Os 40, 41/00) - aus dem Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) auszuscheiden.

Übereinstimmend mit der Meinung der Generalprokuratur war daher, weil sich der Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat (Tatwiederholung durch ein weiteres, wenn auch beim Versuch gebliebenes Faktum), mit der spruchgemäßen teilweisen Urteilsaufhebung und Entscheidung in der Sache selbst vorzugehen. Bei der Strafbemessung war unter Übernahme der - mit den sich aus dem geänderten Rechtsstandpunkt gegebenen Einschränkungen - vom Erstgericht ansonsten zutreffend genannten Strafzumessungsgründe und mit der Überlegung, dass mit dem Wegfall eines Delikts auch der Entfall des Versuchs als mildernd verbunden war und sich letztlich wenig Gravierendes an der personalen Täterschuld und dem sozialen Störwert der angelasteten Tat änderte, eine gegenüber der in erster Instanz bloß moderat herabgesetzte Freiheitsstrafe zu verhängen, die fallbezogen wegen des schweren Vertrauensmissbrauchs sowohl generalals auch spezialpräventiv nicht (teilweise) bedingt nachgesehen werden konnte.

Der Angeklagte war mit seiner Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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