OGH 10ObS67/01b

OGH10ObS67/01b20.3.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Waltraud Bauer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Herbert Böhm (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Herbert V*****, vertreten durch Mag. Georg Fuhrmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Berufsunfähigkeitspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. November 2000, GZ 10 Rs 219/00z-66, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 12. April 2000, GZ 4 Cgs 95/98h-55, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 26. 9. 1944 geborene Kläger war von Mai 1991 bis Jahresende 1995 als Expedient bei der Firma R*****-Rechenzentrum GesmbH beschäftigt, davor vom 12. 7. 1990 bis 30. 4. 1991 als Arbeiter bei einem Transportunternehmen und vor dieser Tätigkeit als Lagerarbeiter in einer Elektrogroßhandlung.

Ein Expedient ist für die Bereitstellung und Verwaltung diverser Waren sowie für den rechtzeitigen Versand an die entsprechenden Kunden zuständig. Er nimmt Bestellungen entgegen und berät bei Bedarf auch Kunden. Anhand der Bestellscheine stellt er die Waren zusammen bzw lässt nach Bestellscheinen Kommissionen zusammenschlichten, auf Paletten verladen und mit Hubwagen nach bestimmten Gesichtspunkten (Entladeort, Entfernung) ordnen. Er überwacht die richtige Zusammenstellung der Waren und die richtige Verpackung und beaufsichtigt die richtige Verladung. Er hält Transportmittel bereit, teilt die Kraftfahrer ein, überprüft regelmäßig den Lagerbestand und die Lagermöglichkeit und bestellt nicht auf Lager befindliche Waren. Weiters prüft er Lieferscheine, veranlasst die Fakturierung, und bearbeitet einlangende Reklamationen.

Abhängig vom jeweiligen Betrieb und seiner technischen Ausstattung handelt es sich bei der Tätigkeit des Expedienten um eine leichte, zeitweise auch mittelschwere Arbeit im Gehen und Stehen, gelegentlich auch Sitzen. Gebückte Körperhaltung ist fallweise erforderlich. Die Arbeit wird in geschlosenen, temperierten Räumen verrichtet. Vermehrter Staub- und Wasserkontakt ist nicht gegeben.

Der Kläger ist noch in der Lage, leichte und mittelschwere Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen zu erbringen. Die Arbeiten können vielschichtig absolviert werden. Das Feingeschick an beiden Händen reicht für alle Fein- bis Grobmanipulationen. Über das arbeitsphysiologische Ausmaß hinausgehende Arbeitspausen sind nicht erforderlich. Der Anmarschweg unterliegt keinen Einschränkungen. Das Tragen von Kompressionsstrümpfen auf Basis Baumwollkontaktfasern ist anzuraten und möglich. Auszuschließen sind Arbeiten unter ständiger Extremhaltung der Wirbelsäule sowie mit beiden Händen häufig über Schulter- oder Kopfhöhe, weiters Arbeiten unter dauerndem besonderen Zeitdruck und Arbeiten in überwiegend gebückter Haltung.

Arbeiten, bei denen Kontakt mit Gummi, Klebstoff sowie unspezifischen Reizstoffen wie Putzmittel und Chemikalien sowie vermehrter Wasser- und Staubkontakt vorliegen, sind zu vermeiden. Bei vermehrtem Wasser- und Staubkontakt, bei Kontakt mit Chemikalien und den Allergenen sind Schutzhandschuhe zu tragen. Das Tragen von Schutzhandschuhen ist bei gelegentlichem Kontakt möglich, nicht aber für die gesamte Arbeitszeit von acht Stunden.

Der Kläger hat keine PC-Kenntnisse; dafür wäre eine Umschulung in der Dauer von ein bis zwei Monaten erforderlich.

Mit Bescheid der beklagten Partei vom 18. März 1998 wurde der Antrag des Klägers vom 9. 10. 1997 auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension abgelehnt.

Das Erstgericht wies das dagegen erhobene, auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitspension ab 1. 11. 1997 gerichtete Klagebegehren mangels Berufsunfähigkeit des Klägers ab. Der Kläger könne noch in Verweisungsberufe der Verwendungsgruppe III des Kollektivvertrags für Handelsangestellte verwiesen werden (etwa Ein- und Verkauf als Sachbearbeiter, telefonischer Verkauf bzw Einkauf, Datatypist, Telefondienst mit über fünf Amtsanschlüssen), weiters auf Verweisungsgruppe der Verwendungsgruppe II (Telefondienst; mit einfacher Arbeit betrauter Sachbearbeiter am Telefon und am PC).

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es übernahm die eingangs dargestellten Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis einer unbdenklichen Beweiswürdigung und teilte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts. Der Kläger könne die vom Erstgericht genannten Verweisungsberufe ausführen, mit denen kein unzumutbarer sozialer Abstieg verbunden sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes handelt es sich bei der Pensionsversicherung der Angestellten um eine Berufsgruppenversicherung, deren Leistungen bereits einsetzen, wenn der Versicherte infolge seines körperlichen und/oder geistigen Zustandes einen Beruf seiner Berufsgruppe nicht mehr ausüben kann. Dabei ist in der Regel von jenem Angestelltenberuf auszugehen, den der Versicherte zuletzt nicht nur vorübergehend ausgeübt hat. Dieser Beruf bestimmt das Verweisungsfeld: das sind alle Berufe, die derselben Berufsgruppe zuzurechnen sind, weil sie eine ähnliche Ausbildung und gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten verlangen (SSV-NF 7/51, 7/61, 8/45, 9/21 jeweils mwN). Eine Verweisung auf eine völlig anders gelagerte Sparte ist nicht zulässig (RIS-Justiz RS0108694). Innerhalb seiner Berufsgruppe darf der Versicherte nicht auf Berufe verwiesen werden, die für ihn einen unzumutbaren sozialen Abstieg bedeuten würden (SSV-NF 7/57). In der Regel ist die Verweisung eines Angestellten einer bestimmten Verwendungsgruppe des Kollektivvertrags auf Tätigkeiten der nächstniedrigeren Gruppe mit keinem unzumutbaren sozialen Abstieg verbunden (SSV-NF 9/103, 9/29 mwN uva). Gewisse Einbußen an Eigenverantwortung, Entlohnung und sozialem Prestige muss ein Versicherter hinnehmen.

Die für die Verweisung des Klägers maßgebende Tätigkeit ist jene eines Expedienten, die der Kläger zuletzt über knapp fünf Jahre ausgeübt hat. Sie ist (entsprechend dem berufskundlichen Gutachten ON 23) in die Bsechäftigungsgruppe 3 des Kollektivvertrags für Handelsangestellte einzureihen. In diese Gruppe ("Angestellte, die auf Anweisung schwierige Tätigkeiten selbständig ausführen") fallen unter anderen auch die Tätigkeiten als Sachbearbeiter im Ein- und Verkauf, im telefonischen Einkauf bzw Verkauf sowie als Datatypist.

Nach den vom Berufungsgericht übernommenen erstgerichtlichen Feststellungen, die für das Revisionsgericht bindend sind (RS0007070/T1), liegt beim Sachbearbeiter für den Ein- und Verkauf sowie im telefonischen Verkauf bzw Einkauf und als Datatypist "kein vermehrten Umgang mit den genannten Stoffen" vor. Mit dieser Wendung wird darauf Bezug genommen, dass der Kläger Arbeiten zu vermeiden hat, bei denen Kontakt mit Gummi und Klebstoff sowie unspezifischen Reizstoffen wie Putzmittel, Chemikalien sowie vermehrter Wasser- und Staubkontakt vorliegt. Bei vermehrtem Wasser- und Staubkontakt, bei Kontakt mit Chemikalien und den Allergenen sind Schutzhandschuhe zu tragen. Bei gelegentlichem Kontakt ist das Tragen von Schutzhandschuhen zumutbar, nicht aber für die gesamte Arbeitszeit von acht Stunden.

Eine Rechtsrüge hat von den bindenden Feststellungen der Tatsacheninstanzen auszugehen; andernfalls ist sie nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt (RS0043603/T1 und T2). Soweit der Revisionswerber unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung den "Rechtsstandpunkt" vertritt, dass auch bei den erwähnten Verweisungstätigkeiten ein intensiverer als gelegentlicher Kontakt mit den zu vermeidenden Reizstoffen (insbesondere Gummi, Klebstoff, Chemikalien) vorliegt, entfernt er sich jedoch von den Feststellungen der Tatsacheninstanzen. Deren Unrichtigkeit ist keineswegs offenkundig, wie der Revisionswerber meint.

Zusammenfassend wurden von den Vorinstanzen die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Berufsunfähigkeitspension nach § 273 Abs 1 ASVG im Hinblick auf das Vorhandensein zumutbarer Verweisungstätigkeiten zu Recht verneint. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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