OGH 2Ob57/01y

OGH2Ob57/01y15.3.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Patrick, geboren am 28. Februar 1991, Philip, geboren am 26. Juli 1992, und Daniel H*****, geboren am 16. März 1994, sämtliche in Obsorge und wohnhaft bei ihrer Mutter Christine H*****, wegen Ausübung des Besuchsrechtes über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters Mag. Klaus Adolf H*****, vertreten durch Dr. Susanna Fuchs-Weisskircher, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 23. August 2000, GZ 45 R 416/00h, 470/00a-351, soweit sein Rekurs gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Hietzing vom 26. Juni 2000, GZ 1 P 62/96z-310, zurückgewiesen wurde, sowie über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter Christine H*****, wie vor, vertreten durch Dr. Raimund Hora, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 29. November 2000, GZ 45 R 646/00h-377, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Hietzing vom 10. Oktober 2000, GZ 1 P 62/96z-354, in seinen Punkten 3, 5, 6 und 7 bestätigt und in seinem Punkt 2 "ersatzlos" aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 16 Abs 4 AußStrG iVm § 508a Abs 2 und § 510 ZPO).

Soweit sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter gegen die "ersatzlose" Aufhebung des Punktes 2. sowie gegen Punkt 6. des Beschlusses des Erstgerichtes ON 354 durch das Rekursgericht richtet, wird das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen; im Übrigen wird der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 16 Abs 4 AußStrG iVm § 508a Abs 2 und § 510 ZPO).

Text

Begründung

Seit der Ehescheidung der Eltern kommt die Obsorge über die drei Minderjährigen der Mutter zu (ON 89, bestätigt ON 107; die Abweisung des Antrages des Vaters, ihm die Obsorge zu übertragen, in Punkt 1. des Beschlusses ON 354, bestätigt in ON 377, blieb unbekämpft). Seit September 1999 wird dem Vater die Ausübung eines geordneten und regelmäßigen Besuchsrechtes (im Sinne des Beschlusses ON 125, bestätigt ON 133) beharrlich verwehrt (siehe etwa dessen Eingabe ON 369: "197. Besuchsrechtsverletzung" sowie Beschluss des Erstgerichtes ON 288: Verhängung einer Ordnungsstrafe gegenüber der Mutter wegen Nichteinhaltung des Besuchsrechtes ab Jahresbeginn 2000). Ohne psychotherapeutische Intervention für beide Elternteile ist ein gedeihliches Wiederaufleben eines konfliktfreien Besuchsrechtes bei den Kindern, die ihren Vater vehement ablehnen, nicht möglich (ON 354).

Vor diesem - hier nur zusammengefasst wiedergegebenen - Hintergrund ergingen die beiden nunmehr Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens bildenden Beschlüsse der Vorinstanzen.

I. Zum außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters:

Mit Beschluss des Erstgerichtes ON 310 vom 26. 6. 2000 wurde der Antrag des Vaters auf Einräumung eines Ferienbesuchsrechtes im Sommer 2000 (vom 5. bis 16. 7. und vom 17. bis 27. 8. 2000 laut Antrag des Vaters ON 305) abgewiesen. Grundlage dafür bildeten die Feststellungen, wonach bei den durch die Scheidungsauseinandersetzung der Eltern "hochgradig irritierten" Kindern durch die lange Besuchsrechtskontaktaussetzung "der letzte Rest von Anerkennung gegenüber dem Vater verschwunden" sei, diese ihrem Vater bei dessen Ankunft davonliefen, ihn bespuckten, beschimpften und schlugen, sodass vor Wiederaufnahme eines (regelmäßigen) Besuchskontaktes das Vertrauensverhältnis zwischen Vater und Kindern erst wieder hergestellt werden müsste, wozu eine Anbahnung des Besuchsrechtes im Wege des Jugendamtes mit den Kindern einzeln angestrebt werde. Demgemäß sei es jedenfalls nicht im Interesse der Kinder, dem Vater im derzeitigen Zustand ein längerfristiges Ferienbesuchsrecht einzuräumen.

Nach Zustellung dieser Entscheidung modifizierte der Vater seinen Antrag auf den Zeitraum 28. 8. bis 2. 9. 2000 (ON 312), den er auch in seinem Rekurs aufrecht erhielt (ON 320).

Das Rekursgericht wies mit Beschluss ON 351 vom 23. 8. 2000 ua (die darin ebenfalls enthaltene Entscheidung über den Rekurs des Vaters gegen den Beschluss ON 317 ist nicht Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens) den Rekurs des Vaters gegen den Beschluss des Erstgerichtes ON 310 zurück. Dem Vater mangle es an der Beschwer, weil zum Zeitpunkt der Rechtsmittelentscheidung zwar der relevante Besuchszeitraum noch kalendermäßig offen, aber bis zur Ausfertigung und Zustellung derselben dieser Zeitraum bereits verstrichen sein werde, was "nach der Gerichtserfahrung" für die Entscheidung des Rekursgerichtes zutreffe. Da der Rechtsmittelentscheidung sohin "nur mehr abstrakt theoretische Bedeutung" zukomme, sei ein Rechtsschutzinteresse zu verneinen und der Rekurs als unzulässig zurückzuweisen. Darüber hinaus sei aber (im Sinne einer früheren Rekursentscheidung ON 311) ohnedies noch von Amts wegen zu klären, ob wegen der aktenkundigen "einander krass widersprechenden Gutachten" mehrerer Sachverständiger und wenn ja in welchem Umfang das (auf Grund der derzeitigen Beschlüsse bestehende) Besuchsrecht des Vaters aufrecht zu bleiben habe oder ausgesetzt werden solle. Diesem rekursgerichtlichen Aufhebungsauftrag sei das Erstgericht noch nicht nachgekommen.

Der ordentliche Revisionsrekurs wurde mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG für nicht zulässig erklärt.

In seinem außerordentlichen Revisionsrekurs ON 361 beantragt der Vater, den bekämpften Beschluss dahin abzuändern, "dass festgestellt wird, dass dem Kindesvater das Besuchsrecht antragsgemäß zuzusprechen gewesen wäre".

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters ist unzulässig:

Nach ständiger Rechtsprechung muss die Beschwer zur Zeit der Einlegung des Rechtsmittels gegeben sein und zur Zeit der Entscheidung über das Rechtsmittel noch fortbestehen; andernfalls ist das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0041770 und 0006880). Dies gilt ua auch für ein im Zeitpunkt der Rechtsmittelentscheidung zeitlich bereits überholtes Besuchsrecht (6 Ob 719/77, 6 Ob 644/78, 4 Ob 315/98x = EFSlg 88.485). Mit dieser Rechtsprechung steht die Entscheidung des Rekursgerichtes in Einklang, wenn man berücksichtigt, dass der Vater seinen abgeänderten Besuchsrechtsantrag erst nach Beschlussfassung des Gerichtes erster Instanz einbrachte, also zu einem Zeitpunkt, als über den ursprünglich beantragten Zeitraum bereits eine gerichtliche Entscheidung vorlag, die "Modifizierung" gegenüber dem ursprünglichen Antrag auch kein minus, sondern vielmehr ein zeitliches aliud darstellte und zum Zeitpunkt der Entscheidung des Rekursgerichtes, das sich ja auf eine Überprüfung der Entscheidung des Erstgerichtes zu beschränken hatte, der ursprünglich beantragte zweite Anfangstermin (17. 8. 2000) bereits verstrichen war. Damit fehlte jedoch dem Vater zum Zeitpunkt der Rekursentscheidung am 23. 8. 2000 in der Tat zufolge zeitlicher Überholtheit die Beschwer. Die vom außerordentlichen Revisionsrekurs angestrebte feststellende Entscheidung, dass dem Vater das Besuchsrecht (in der modifizierten Form) antragsgemäß zuzusprechen gewesen wäre, ist nach der angeführten Rechtsprechung, an die sich das Rekursgericht gehalten hat, bei einem zeitlich bereits überholten Besuchsrechtsantrag ebenfalls nicht (mehr) möglich.

Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG ist dieser außerordentliche Revisionsrekurs daher als unzulässig zurückzuweisen.

II. Zum außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter:

Vom Beschluss des Erstgerichtes ON 354 vom 10. 10. 2000 sind laut deren Revisionsrekurs ON 383 folgende Punkte Gegenstand der Anfechtung:

Gegen diese Entscheidung erhoben beide Elternteile Rekurse.

Das Rekursgericht gab mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 29. 11. 2000 (ON 377) dem Rekurs des Vaters nicht, jenem der Mutter teilweise Folge. Der angefochtene Beschluss wurde in seinem Punkt 6. mit der Maßgabe bestätigt, dass der Vater die Auswahl eines Psychotherapeuten binnen fünf Wochen nach Rechtskraft dieses Beschlusses dem Erstgericht nachzuweisen habe. In seinem Punkt 5. wurde der Beschluss mit der Maßgabe bestätigt, dass die Mutter die Auswahl der Beratungsstelle ebenfalls binnen fünf Wochen nach Rechtskraft dieses Beschlusses dem Erstgericht nachzuweisen habe; die Punkte 3. und 7. wurden bestätigt; der Punkt 2. wurde nach dem Wortlaut des Spruches "ersatzlos behoben".

Der ordentliche Revisionsrekurs wurde ebenfalls mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG für nicht zulässig erklärt.

Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung führte das Rekursgericht zusammenfassend aus, dass sowohl den Feststellungen als auch der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes beizupflichten sei, dass die Kinder derzeit nicht in die Obsorge des Vaters überstellt werden könnten und sein Besuchsrecht dahin einzuschränken sei, dass eine Kontaktaufnahme nur nach vorangegangener psychologischer Betreuung der Kinder zunächst im Besuchscafe und erst dann wieder auf neutralem Boden stattzufinden habe, wobei sich der Vater auch einer entsprechenden psychotherapeutischen Behandlung zu unterziehen habe; da der dafür vom Erstgericht aufgetragene Termin infolge der Rekurserhebung jedoch nicht mehr gehalten werden könne, sei insoweit die Frist maßgabemäßig zu korrigieren gewesen.

Da durch die Rekurserhebung auch der Mutter die vom Erstgericht (in Punkt 2. seiner Entscheidung) vorgegebenen Termine für die Vorbereitung der Besuche und für das Besuchscafe nicht mehr eingehalten werden könnten, sei dieser Teil des Beschlusses "ersatzlos zu beheben" gewesen, weil materielle Basis für das laufende Besuchsrecht (ab dem 27. 1. 2001) die erfolgreiche Absolvierung der zeitlich vorangehenden Verfügungen (Aufsuchen der psychologischen Beratungsstelle des Jugendwohlfahrtsträgers in Vorbereitung der Termine beim Besuchercafe) sein müsste. Das Erstgericht werde jedoch - da sowohl diese Vorbereitungstermine als auch die Besuchscafetermine von größter Wichtigkeit seien - die neu zu fixierenden Termine einerseits etwas längerfristig anzusetzen und andererseits die sofortige Invollzugsetzung dieser Anordnungen zu erwägen haben; jedenfalls sei das "Funktionieren" der Vorbereitungstermine und der Besuchstermine im Besuchscafe Voraussetzung für ein laufendes Besuchsrecht des Vaters an einem neutralen Ort.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter (ON 383), worin sie ausdrücklich die Punkte 2., 3., 5., 6. und 7. desselben anficht; da der Beschluss des Rekursgerichtes jedoch nur zwei spruchmäßig mit Ziffern bezeichnete Punkte aufweist, bezieht sich der ziffernmäßig umschriebene Anfechtungsumfang des Rechtsmittels (wie sich auch aus dessen inhaltlicher Ausführung ergibt) offensichtlich auf die Entscheidungspunkte des Erstgerichtes, welche auch das Rekursgericht in seinem Spruch ziffernmäßig übernahm und zuordnete. Als Rechtsmittelgrund wird unrichtige rechtliche Beurteilung im Zusammenhang mit der Unterlassung einer "mündlichen Streitverhandlung zur ergänzenden Befragung der Sachverständigen" durch das Erstgericht geltend gemacht. Begehrt wird demgemäß die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses samt Auftrag an das Rekursgericht, die neuerliche Beschlussfassung nach Verfahrensergänzung vorzunehmen; in eventu die Beschlüsse beider Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Beschlussfassung nach Verfahrensergänzung, insbesondere Durchführung einer mündlichen Streitverhandlung unter Beiziehung beider kinderpsychologischen Sachverständigen, aufzutragen.

Aus dem bereits zusammengefasst wiedergegebenen Inhalt der Rekursentscheidung zu Punkt 2. des erstgerichtlichen Beschlusses ergibt sich, dass es sich trotz Bezeichnung im Spruch als "ersatzlose Behebung" tatsächlich um einen Beschluss handelt, mit dem das Rekursgericht den Beschluss des Gerichtes erster Instanz insoweit aufhob und diesem eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung über das Besuchsrecht des Vaters auftrug. Dies ergibt sich insbesondere ganz eindeutig aus den Absätzen 2 und 3 in S 13 der Begründung des Rekursgerichtes (AS 219 in ON 377). Damit handelt es sich aber insoweit um einen rekursgerichtlichen Aufhebungsbeschluss im Sinne des § 14b AußStrG. Dieser ist nach der genannten Gesetzesstelle nur dann anfechtbar, wenn das Rekursgericht ausgesprochen hat, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig ist. Bei Fehlen eines solchen Ausspruchs über die Zulässigkeit kann kein - auch nicht ein außerordentlicher - Rekurs an den Obersten Gerichtshof erhoben werden (2 Ob 283/00g; 10 Ob 165/00p). Der von der Mutter dennoch eingebrachte "außerordentliche Revisionsrekurs" gegen Punkt 2. des Beschlusses des Erstgerichtes musste daher als jedenfalls unzulässig durch den Obersten Gerichtshof zurückgewiesen werden. Eine inhaltliche Überprüfungsmöglichkeit besteht insoweit daher schon aus diesem verfahrensrechtlichen Grunde nicht. Allerdings wird - worauf klarstellend hinzuweisen ist - das Erstgericht die im Rahmen des (richtigerweise) Aufhebungsbeschlusses vorgegebenen Aufträge und Vorgaben bei seiner neuerlichen Entscheidung über die noch offenen Besuchsrechtsanträge des Vaters entsprechend zu beachten haben.

Soweit in Punkt 6. des Beschlusses des Erstgerichtes, welcher ebenfalls Gegenstand der Anfechtung im außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter ist, dem Vater aufgetragen wurde, sich einer psychotherapeutischen Behandlung zu unterziehen und die Auswahl eines entsprechenden Psychotherapeuten dem Gericht nachzuweisen, fehlt jedenfalls der Mutter die Beschwer. Insoweit hätte bloß der von diesem Gerichtsauftrag tangierte Vater ein Rechtsmittel erheben können, was jedoch nach der Aktenlage nicht geschehen ist.

Bezüglich der verbleibenden Punkte 3, 5 und 7 werden im Rechtsmittel keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 14 Abs 1 AußStrG geltend gemacht, sondern hierin ausdrücklich der bereits im Rekurs ON 358 relevierte Verfahrensmangel der Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung zwecks Erörterung der diversen Gutachten wiederholt. Dieser Verfahrensmangel wurde jedoch vom Rekursgericht bereits verworfen (S 11 der Entscheidung = AS 217 in ON 377). Vom Rekursgericht verneinte Verfahrensmängel erster Instanz können nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung auch im außerstreitigen Verfahren nicht mehr mit Revisionsrekurs neuerlich mit Erfolg geltend gemacht werden (4 Ob 2367/96h; 6 Ob 67/97i; RS0050037).

Daraus folgt, dass auch der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter im zuletzt besprochenen Umfang mangels Vorliegens der Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG (fehlende erhebliche Rechtsfrage) gleichfalls zurückzuweisen war.

Stichworte