OGH 7Ob264/00z

OGH7Ob264/00z23.1.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. R***** M*****, und 2. W***** M*****, beide vertreten durch Giesinger & Giesinger, Rechtsanwälte in Feldkirch, gegen die beklagte Partei H***** M*****, vertreten durch Dr. Clement Achammer ua Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen je S 167.000,-- samt Anhang, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 18. Juli 2000, GZ 2 R 108/00z-24, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 7. Februar 2000, GZ 5 Cg 78/99x-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit S 16.780,50 (darin enthalten S 2.796,75 an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens je zur Hälfte binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die am 28. 3. 1997 verstorbene Katharina M*****, geborene D***** (in der Folge Mutter), hatte drei Kinder, den Beklagten, B***** G*****-M***** (in der Folge Tochter) und den vorverstorbenen S***** M***** (in der Folge Sohn); die beiden Kläger sind Kinder des Letzteren.

In ihrem Testament vom 21. 1. 1997 setzte die Mutter den Beklagten und die Tochter je zur Hälfte als Erben ein, hinsichtlich der Kläger ordnete sie die wertgesicherte Anrechnung ihrer Zahlungen für Schulden des Sohnes, zB beim Finanzamt Feldkirch, auf den Pflichtteil an, sodass diese nicht mehr zu bedenken seien.

Mit Schenkungsvertrag vom 2. 6. 1975 und 19. 3. 1990 übertrug die Mutter dem Beklagten Liegenschaften ins Eigentum.

Am 16. 6. 1983 schloss die Mutter mit der Tochter hinsichtlich einer weiteren Liegenschaft in Notariatsaktsform einen Schenkungsvertrag auf den Todesfall ab, wobei ausdrücklich auf das Widerrufsrecht verzichtet wurde. Am 22. 5. 1992 schlossen die Mutter und die Tochter hinsichtlich derselben Liegenschaft einen Schenkungsvertrag mit Auflagen, in Notariatsaktsform ab. Im Punkt III ist angeführt, dass die Rechtswirkungen aus dem (früher abgeschlossenen) Schenkungsvertrag auf den Todesfall bereits zu Lebzeiten eintreten sollen und dieser Vertrag einvernehmlich aufgehoben werden solle. Die Tochter verpflichtete sich, ihrer Mutter ein lebenslängliches und unentgeltliches Wohnungsrecht in Form einer Dienstbarkeit einzuräumen, weiters der Mutter eine liebevolle Wartung und Pflege im Krankheits- und Gebrechlichkeitsfall angedeihen zu lassen. Darüberhinaus verzichtete die Tochter auf ihre Forderung gegen die Mutter in der Höhe von S 328.214,-- (dieses Darlehen verwendete die Mutter zur Abdeckung der Schuld des Sohnes beim Finanzamt Feldkirch, um eine drohende Versteigerung zu verhindern).

Mangels Nachlassvermögens fand eine Verlassenschaftsabhandlung nicht statt. Die Tochter einigte sich mit den Klägern auf die Bezahlung von je S 250.000 und vereinbarte mit ihnen, dass damit alle Pflichtteilsansprüche gegen sie abgegolten seien und dass sie auf die Geltendmachung weiterer Pflichtteilsansprüche ihr gegenüber verzichten.

Die Kläger begehren vom Beklagten die Bezahlung von je S 167.000 als dem im Sinne des § 951 ABGB später Beschenkten. Die Tochter sei bereits mit dem Vertrag von 1983 beschenkt worden, sodass durch den Vertrag von 1992 keine neuerliche Schenkung erfolgt sei.

Der Beklagte bestritt das Klagebegehren im Wesentlichen mit der Begründung, dass er selbst pflichtteilsberechtigt sei und bei Inanschlagbringung der Schenkungen nicht einmal den ihm gebührenden Pflichtteil erhalten habe. Nicht er, sondern seine Schwester sei Letztbeschenkte auf Grund des Vertrages aus dem Jahr 1992. Die Ansprüche der Kläger seien durch deren Zahlungen voll gedeckt. Sie müssten sich jedenfalls die Zahlung einer Finanzschuld und die Abstattung eines Geschäftskredites durch die Verstorbene für ihren Vater anrechnen lassen.

Das Erstgericht wies die Klage mit der Begründung ab, dass der Schenkungsvertrag auf den Todesfall einvernehmlich aufgehoben worden sei, womit auch das Schenkungsversprechen dieses Vertrages nicht mehr gültig sei. Die Tochter sei daher auf Grund der Schenkung vom 22. 5. 1992 Letztbeschenkte und primär zur Ergänzung der Pflichtteilsansprüche verpflichtet.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Der Schenkungsvertrag auf den Todesfall sei ausdrücklich aufgehoben worden und der Geschenknehmerin diverse Auflagen erteilt worden. Dies spreche dafür, dass der Schenkungsvertrag vom 22. 5. 1992 ein von der Schenkung auf den Todesfall getrennter Vertrag sei, auf Grund dessen die Geschenknehmerin das Eigentum an der geschenkten Liegenschaft erworben habe. Daher sei die Tochter Letztbeschenkte im Sinne des § 951 Abs 3 ABGB.

Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu den Kriterien, auf Grund derer zu beurteilen sei, wer der "früher Beschenkte" im Sinne des § 951 Abs 3 ABGB sei, nicht vorhanden sei.

Die dagegen gerichtete Revision der Kläger ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichtes liegt hier keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zur Entscheidung vor. Auch wenn zu § 951 Abs 3 ABGB oberstgerichtliche Rechtsprechung fehlt, so ist die Frage, wer im Sinne dieser Gesetzesbestimmung der "früher Beschenkte" ist, primär eine faktische und darauf aufbauend eine Frage der rechtlichen Beurteilung der jeweils abgeschlossenen Verträge. Die Bestimmung des § 951 Abs 3 ABGB bietet keine Unklarheiten und ist nicht interpretationsbedürftig.

Entscheidungserheblich ist, wie der zwischen der Mutter und der Tochter abgeschlossene Schenkungsvertrag mit Auflagen vom 22. 5. 1992 auszulegen ist. Fragen der Vertragsauslegung kommt in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, sofern keine auffallende Fehlbeurteilung, also eine krasse Verkennung der Auslegungsgrundsätze vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden müssen. Ob eine andere als vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung ebenfalls vertretbar wäre, ist zufolge ihrer Einzelfallbezogenheit keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 ZPO (RS0112106, RS0042779). Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, ist daher, wenn keine wesentliche Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis bewirkt, keine erhebliche Rechtsfrage (RS0042936).

Die Schenkung auf den Todesfall ist eine unbedingte, mit dem Tod des Erblassers (Geschenkgeber) terminisierte Schenkung, die erst nach dem Tod des Erblassers aus dessen Nachlass erfüllt werden soll. Der Geschenkgeber bleibt in aller Regel bis zum Todesfall im Genuss der geschenkten Sache. Diese geht mit dem Tod des Schenkers nicht von selbst in das Eigentum des Beschenkten über, auch wenn dieser einen Eigentumserwerbstitel in Händen hat (SZ 65/68, RS0019129, Schubert in Rummel I3, § 956 ABGB, Rz 1). Die Schenkung unter Auflagen ist eine Schenkung, doch wird der Wert durch die Auflagen vermindert (RS0012650, RS0018914).

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, dass die hier vorliegende Vertragslage so auszulegen ist, dass der Schenkungsvertrag auf den Todesfall vom 16. 6. 1983 und der Schenkungsvertrag mit Auflagen vom 22. 5. 1992 als zwei getrennte Verträge zu beurteilen sind, stellt keine Fehlbeurteilung dar, da Mutter und Tochter erklärten, den Schenkungsvertrag auf den Todesfall einvernehmlich aufzuheben - eine Novation kann nur erfolgen, wenn der ursprüngliche Vertrag noch im Zeitpunkt der Vereinbarung weiter besteht -, der Schenkungsgegenstand insofern geändert wurde, als er durch die vereinbarten Auflagen gemindert wurde und die ursprünglich vereinbarte Befristung weggefallen ist und die Liegenschaft sofort unter Lebenden übergeben wurde.

Die unzulässige Revision war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41, 46 ZPO. Da der Beklagte auf die Unzulässigkeit der Revision in seiner Revisionsbeantwortung hingewiesen hat, war sein Schriftsatz zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig.

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