OGH 8Ob183/00w

OGH8Ob183/00w21.12.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Hoch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Harald D*****, Maschinist, *****, vertreten durch Dr. Andreas Brandtner, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagte Partei M***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Andreas Oberbichler und Dr. Michael Kramer, Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen S 35.240,‑- sA und Feststellung (Streitwert S 60.000,‑ ‑), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgericht vom 27. März 2000, GZ 4 R 47/00t‑18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 24. November 1999, GZ 4 C 1538/99m‑10, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2000:0080OB00183.00W.1221.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.086,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.014,40 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

 

Das Unternehmen, bei dem der Kläger als Baggerfahrer beschäftigt ist, kaufte 1996 bei der Beklagten einen von dieser hergestellten Tieflader, um damit Bagger zu transportieren. Als die Beklagte den behördlich genehmigten Tiefladeanhänger an die Käuferin auslieferte, waren die Federn seiner beiden Auffahrtsrampen so gespannt, dass die Rampen ohne nennenswerte Mühe von einer Person aufgestellt werden konnten, indem man die (jeweilige) Rampe am dafür vorgesehenen (seitlichen) Griff anhebt und diesen ca 2 m über dem Bodenniveau auslässt, um dann mit der anderen Hand am Holm (von der Seite) nachzugreifen und die Rampe in die senkrechte Endposition zu bringen. Wenn man so vorgeht, besteht keine Quetschgefahr.

Nach Auslieferung montierte die Käuferin Holzauflagen zur Schonung der Rampen, was zur Folge hatte, dass der Gleichgewichtszustand der Rampen so weit gestört wurde, dass sie von einer Person nur noch mit (etwas) erhöhtem Kraftaufwand bedient werden konnten. Der Kläger klappte in der Folge oftmals die Rampen hoch, teilweise alleine, teilweise mit dem Lastwagenfahrer gemeinsam, ohne dass irgend etwas passierte.

Am 5. 8. 1997 war der Chef des Klägers gerade dabei, eine der Rampen alleine hochzustellen, als sich der Kläger in den Gefahrenbereich hinter bzw unter der "nicht ausgeglichenen" Rampe begab, um seinem Chef das Hochklappen zu erleichtern. Der Kläger griff mit den Fingern der rechten Hand in die Gefahrenzone einer Gewindestange (der Rampe), wodurch er seinem Chef das oben beschriebene Umgreifen ersparen wollte. Durch das (weitere) Aufrichten der Rampe "zerquetschte es dem Kläger seine Finger" (genauer: kam es zu subtotalen Amputationen der Fingerkuppen am rechten Mittel‑ und Ringfinger des Klägers.

Es ist derzeit technisch nicht möglich, diese Quetschstelle abzusichern.

Der Kläger begehrt aus dem Titel der Produkthaftung aber auch infolge Verletzung von Schutzgesetzen (insbesondere §§ 34 Abs 1 bis 3 und 35 Abs 1 und 2 AAV) die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle Schäden aus dem Vorfall vom 5. 8. 1997 und die Zahlung von S 35.240 an Schmerzengeld, Unkosten und frustrierten Aufwendungen.

Der Tieflader sei fehlerhaft iSd PHG, weil bestimmte technische Einrichtungen nicht den Sicherheitsvorschriften entsprächen. Außerdem hafte die Beklagte dem Kläger wegen der Verletzung von Vorschriften der AAV und des ASchG, sowie von Nebenpflichten aus dem mit dem Arbeitgeber des Klägers abgeschlossenen Kaufvertrag.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die Revision zulässig sei. Da beim Gebrauch, mit dem die Beklagte billigerweise rechnen konnte, keine Quetschgefahr gegeben sei, bestehe keine Verpflichtung, eine Abdeckung anzubringen. Dazu komme, dass eine Absicherung der Quetschstelle derzeit gar nicht möglich sei. Es bestehe daher kein Konstruktionsfehler. Einen Produktionsfehler habe der Kläger gar nicht behauptet. Da die Beklagte einerseits nicht mit der Montage der Holzauflage rechnen musste und andererseits darauf vertrauen durfte, dass die Dienstnehmer der Käuferin im Umfang mit dem Tieflader vertraut sind, könne der Beklagten auch eine Verletzung der Instruktionspflicht nicht vorgeworfen werden. Der Tieflader sei weder eine Betriebseinrichtung oder mechanische Einrichtung (§ 34 Abs 1 bis 3 AAV) noch ein bewegtes Werkzeug oder Werkstück (§ 35 AAV), sodass auch die genannten Bestimmungen nicht zur Anwendung kämen. Es sei daher nicht darauf einzugehen, ob es sich dabei um Schutznormen iSd § 1311 ABGB handle.

Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil ‑ soweit überschau- bar ‑ Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den Fragen, ob bei Vorhandensein einer Quetschstelle bei einem Tiefeladeanhänger ein Konstruktionsfehler iSd § 5 PHG (vorliege), sowie dazu, ob die AAV auf einen Tieflader anwendbar ist und eine Schutznorm iSd § 1311 ABGB darstellt, fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen diesem für den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig.

Die (auch) vom Revisionswerber als erheblich erachtete Frage, ob die in der Revisionsschrift angeführten Bestimmungen der AAV und des ASchG auf einen Tieflader anzuwenden sind, und ob diese Vorschriften Schutznormen iSd § 1311 ABGB darstellen, ist hier nicht zu untersuchen. Da es derzeit technisch nicht möglich ist, die gegenständliche Quetschstelle abzusichern (S 5 des Ersturteils), ist der Beklagten ein Verstoß gegen die angeführten Vorschriften jedenfalls nicht anzulasten; verpflichtet doch nach stRsp nur die schuldhafte Übertretung einer Schutznorm zum zum Schadenersatz (Harrer in Schwimann ABGB VII2 Rz 28 zu § 1311 ABGB). Demgemäß muss auf die zu Punkt 1. der Revision angestellten Überlegungen schon mangels Präjudizialität nicht weiter eingegangen werden (Kodek in Rechberger ZPO2 Rz 1 zu § 508a ZPO; 7 Ob 78/00x uva).

Soweit sich der Kläger aber weiterihn auf das PHG stützt, ist im Revisionsverfahren nur mehr zu prüfen, ob ein Fehler des Produkts gemäß § 5 Abs 1 Z 1 PHG, also auf Grund seiner Darbietung, gegeben ist; zieht die Revision doch ‑ zu Recht ‑ nicht in Zweifel, dass hier weder ein Konstruktions‑ noch ein Produktionsfehler vorliegt.

Bei einem Instruktionsfehler ‑ nur ein solcher kommt hier in Betracht ‑ macht die unzureichende Darbietung das Produkt fehlerhaft. Zu den Instruktionspflichten des Herstellers gehört es auch, den Benützer auf gefährliche Eigenschaften des Produktes hinzuweisen, ja ihn unter Umständen selbst vor widmungswidrigem Gebrauch zu warnen. Die Pflicht zur Warnung vor gefährlichen Eigenschaften des Produkts besteht aber nur bei einem Schutzbedürfnis des Verbrauchers. Ein solches ist nach stRsp nur dann gegeben, wenn der Hersteller damit rechnen muss, dass sein Produkt in die Hände von Personen gerät, die mit den Produktgefahren nicht vertraut sind (1 Ob 323/98a mzwN; zuletzt: 1 Ob 62/00z).

Beurteilungsmaßstab ist dabei der Idealtypus des durchschnittlichen Produktbenützers. Was im Erfahrungswissen eines solchen (potentiellen) Abnehmers liegt, muss nicht zum Inhalt einer Warnung gemacht werden (1 Ob 62/00z mwN).

Die Vorinstanzen haben einen Instruktionsfehler verneint, weil sie nach den Umständen des Einzelfalles in ihrer rechtlichen Beurteilung davon ausgegangen sind, dass die Beklagte mit einer Montage der Holzauflage nicht rechnen musste und darauf vertrauen durfte, dass die Dienstnehmer der Käuferin im Umgang mit dem Tieflader vertraut seien. Bei einem Benutzer eines Tiefladers könne nämlich als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, dass eine Quetschgefahr nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann.

Mit dieser Beurteilung ist das Berufungsgericht von den Grundsätzen höchstgerichtlicher Rechtsprechung jedenfalls nicht eklatant abgewichen (vgl 6 Ob 535/94, wo eine fehlende Montageanleitung als nicht haftungsbegründend angesehen wurde, weil der Hersteller darauf vertrauen durfte, das Gerät werde durch einen Fachmann montiert; bzw 1 Ob 323/98a, wo der Oberste Gerichtshof die vorinstanzliche Auffassung, der Transportbetonlieferant habe annehmen dürfen, dass der Besteller über bautechnische Fachkenntnisse verfüge und daher auch mit den spezifischen Produktgefahren von Beton vertraut sei, gebilligt hat, indem er die diese Ansicht bekämpfende außerordentliche Revision zurückwies [zitiert in 1 Ob 62/00z]).

Derartige Einzelfallentscheidungen (vgl RIS‑Justiz RS0107605) sind durch den Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm korrigiert werden müsste (EvBl 1993/59; RIS‑Justiz RS0029874 und RS0044088). Da eine derartige offenkundige Fehlbeurteilung hier jedoch nicht zu erkennen ist, war die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen (2 Ob 207/99a; 9 Ob 76/99p ua).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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