OGH 2Ob331/00s

OGH2Ob331/00s21.12.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj Natalie T*****, vertreten durch das Amt für Jugend und Familie für den 2. Bezirk, 1020 Wien, Karmelitergasse 9, gegen die beklagte Partei Matwei H*****, vertreten durch Mag. Erich Rebasso, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung der Vaterschaft und Kindesunterhalt, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 27. September 2000, GZ 45 R 346/00s-67, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 29. Februar 2000, GZ 17 C 44/96t-60, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird die neuerliche Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei (ON 63) unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung

Das Erstgericht stellte in Punkt 1. seines Urteils die Vaterschaft des Beklagten zum klagenden Kind fest und verpflichtete den Beklagten in Punkt 2. zu monatlichen Unterhaltszahlungen von S 2.100 ab 3. 12. 1995. Dieses Urteil wurde dem Beklagten am 15. 3. 2000 zugestellt.

Am 29. 3. 2000 langte beim Erstgericht ein Schriftsatz des Beklagten (ON 61) ein, in welchem er "mitteilte", dass er nie bei einer bestimmten GmbH ein monatliches Einkommen von S 20.000 bezogen habe und außerdem für zwei weitere 1996 und 1999 geborene Kinder sorgepflichtig sei. Angeschlossen war ein Versicherungsdatenauszug des Beklagten für die Jahre 1993 bis 2000.

Mit Beschluss vom 29. 3. 2000, ON 62, stellte das Erstgericht diese Eingabe des Beklagten - von der es eine Kopie zum Akt nahm - im Original unter Anschluss eines ZPForm 58 mit der Aufforderung zurück, den Schriftsatz, sofern es sich dabei um eine Berufung gegen das Urteil vom 29. 2. 2000 (ON 60) handeln sollte, durch Ergänzung der formellen und inhaltlichen Erfordernisse (§ 467 ZPO), insbesondere Beisetzung der Unterschrift eines Rechtsanwaltes, zu verbessern und binnen 14 Tagen wieder vorzulegen. Dieser Verbesserungsauftrag einschließlich der Originaleingabe des Beklagten wurde diesem laut Rückschein am 17. 4. 2000 zugestellt.

Mit Postaufgabedatum 28. 4. 2000 langte eine von einem Rechtsanwalt verfasste Berufung des Beklagten ON 63 beim Erstgericht ein.

Das Berufungsgericht wies diese Berufung zurück und führte hiezu Folgendes aus:

Gemäß § 464 Abs 1 ZPO betrage die Berufungsfrist 4 Wochen. Ausgehend von der Urteilszustellung am 15. 3. 2000 wäre der letzte Tag der 12. 4. 2000 gewesen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die anwaltliche Berufung des Beklagten im Rahmen des vom Erstgericht eingeleiteten Verbesserungsverfahrens eingebracht worden sei. Hiezu wäre die Wiedervorlage des vom Beklagten ursprünglich fristgerecht eingebrachten Schriftsatzes ON 61 gemeinsam mit einer Verbesserung entweder durch Anschluss eines neuen und den Formerfordernissen entsprechenden Schriftsatzes oder durch Unterfertigung des ursprünglichen Schriftsatzes und einer ergänzenden Eingabe zur Beseitigung der Formgebrechen erforderlich gewesen. Ein nochmaliges Verbesserungsverfahren könne nicht durchgeführt werden, weil ein solches nur innerhalb der noch offenen Frist zulässig wäre. Da somit eine Verbesserung des ursprünglich vom Beklagten eingebrachten Schriftsatzes ON 61 nicht erfolgt sei, sei die am 28. 4. 2000 zur Post gegebene Berufung ON 63 als verspätet zurückzuweisen.

Gegen diesen Beschluss des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs des Beklagten mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung aufzuheben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung des Beklagten aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig; er ist auch berechtigt.

Nach der neueren Rechtsprechung (3 Ob 50/86 = AnwBl 1987, 296 [zust

Mayr]; 10 ObS 9/88 = SVSlg 34.052; 8 Ob 23/94 = ARD 4635/13/95; vgl 3

Ob 131/95) ist der Anschluss des zurückgestellten Schriftsatzes dann nicht erforderlich, wenn bei Anwaltspflicht der zu verbessernde Schriftsatz nicht von einem Rechtsanwalt gefertigt war, weil in einem solchen Fall die Partei selbst nicht postulationsfähig ist. Die gegenteilige ältere Rechtsprechung (vgl RIS-Justiz RS0036318, RS0036314, RS0036360; Gitschthaler in Rechberger**2 § 85 ZPO Rz 23 mwN) ist insoweit überholt.

Im vorliegenden Fall war es somit entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes nicht erforderlich, der anwaltlichen Berufung ON 63 die zurückgestellte Eingabe des Beklagten ON 61 (an deren Inhalt der verbessernde Rechtsanwalt ohnehin nicht gebunden war; vgl 3 Ob 50/86) wieder anzuschließen.

Der angefochtene Beschluss war demnach aufzuheben. Das Berufungsgericht wird über die Berufung des Beklagten unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund neuerlich zu entscheiden haben.

Eine Kostenentscheidung entfällt, weil Rekurskosten nicht verzeichnet wurden.

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